Vellage zum „Wahren Mcotz" Or. 200.
Lin Grinnerungsblatt an Karl Wsrr.
Bur elften Wiederkehr feines Todestages.
Es ist nicht unsere Absicht, den Jahrestag des Ablebens von
Karl Marx, dem großen Lehrer und Vorkämpfer des ausstrebenden
Proletariats, durch die Vorführung eines Gesammtbildes seines prak-
tischen und theoretischen Wirkens zu feiern. Die äußeren Umrisse
seiner Lebensge-
schichte sind heute
wohl keinem
Mitglied des gei-
stigen Bundes,
den die Sozial-
demokratie aller
Länder darstellt,
unbekannt, und
wer sie nicht
kennt, dem sind
in unseren Ta-
gen die Schriften
darüber so leicht
zugängig, daß
eine Wiederho-
lung an dieser
Stelle unnöthig
erscheint.
Aber alle
diese vorhande-
nen Skizzen be-
friedigen nur erst
das dringendste
Bedürfniß De-
rer, die aus der
Lebeusgeschichte
desManues, den
schon Heinrich
Heine 1854 als
den „entschieden-
sten und geist-
reichsten" seiner
Landsleute be-
zeichnete, Beleh-
rung zu schöpfeu
suchen; die von
der richtigen Er-
wägung aus-
gehen, daß das
Leben eines sol-
chen Mannes den
Schlüssel zum
besseren Ver-
ständniß seiner
Theorien liefert.
Jede Theorie ist
nothgedrungen
weiter greifend
als der einzelne Fall, und deshalb wird derjenige, der nur die Theorie
kennt, bei ihrer Anwendung auf den einzelnen Fall leichter Jrrthümer
unterworfen sein, als derjenige, der außer ihr auch die von ihrem
Urheber selbst gelieferten Beispiele ihrer Anwendung kennt. Dies gilt
vor allen Dingen von der Theorie des Verhältnisses von Politik und
Klassen- bezw. Wirthschaftsbewegung, und es ist deshalb von besonderem
Werth, zu wissen, welche Stellung Marx, der gemeinsam mit Engels
die theoretische Grundlage der modernen Sozialdemokratie geschaffen,
zu den verschiedenen hierhergehörigen Ereignissen und Kämpfen ein-
genommen, deren Zeitgenosse er war. Hierüber aus den verschiedenen
zerstreuten, nur noch in wenigen Exemplaren vorhandenen Dokumenten
Einiges zur Vervollständigung des Bildes von Marx zusammenzu-
stellen, ist gewiß keine unwürdige Art, seinen Gedenktag zu feiern.
Es liegt darin so wenig von einer Unterschätzung seiner theoretischen
Leistungen, daß wir im Gegentheil in der praktischen Thätigkeit von Marx
das Produkt mindestens der einen Seite seiner theoretischen Arbeit er-
blicken, die selbst gelieferte Probe auf das in ihnen gestellte Exempel.
Wie Marx zum Sozialismus kam, hat er im Vorwort zur 1859
erschienenen „Kritik der politischen Oekonomie" selbst erzählt. Er war
Redakteur der von bemittelten Liberalen des Rheinlands gegründeten
„Rheinischen Zeitung", als sich — 1842/43 — in den Spalten die-
ses Blattes ein
„schwach philo-
sophisch gefärb-
tes" Echo des zu
jener Zeit schon
sehr ausgebilde-
ten und propa-
girten französi-
schen Sozialis-
mus und Kom-
munismus hör-
barmachte. „Ich
erklärte mich ge-
gen diese Stüm-
perei", erklärt
Marx, setzt je-
doch hinzu, daß
er in einer Po-
lemik mit
der Augsburger
„Allgemeinen
Zeitung" rund
heraus zugestan-
den habe, über
den Inhalt der
betreffenden
Richtungenselbst
kein Urtheil wa-
gen zu können.
Sein bald darauf
erfolgender Aus-
tritt aus dem
genannten Blatt
wurde von Marx
u. A. dazu be-
nutzt, diese Lücke
seines Wissens
auszufüllen, und
als die erste
Frucht seiner er-
weiterten Stu-
dien erschien
1844 in den zu
Paris im Verein
mit Rüge her-
ausgegebenen
„Deutsch-franzö-
sischen Jahrbü-
chern" die Ein-
leitung zu einer Kritik der Hegel'schen Rechtsphilosophie. In diesem
Aussatz, der, wie gesagt, nur eine Einleitung zu einer begonnenen
größeren Abhandlung war, finden wir bereits die Keime des später von
Marx im Verein mit Engels ausgearbeiteten geschichtlichen Materialis-
mus. „Die Revolutionen", heißt es da u.A., „bedürfen eines passiven
Elementes, einer materiellen Grundlage. Die Theorie wird in einem
Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirklichung seiner
Bedürfnisse ist. ... Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirk-
lichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zürn Gedanken drängen."
Und Marx legt dar, warum angesichts der gegebenen Zustände keine
Klasse in Deutschland außer dem Proletariat fähig sei, das Zentrum
einer radikalen Revolution zu bilden, während das Proletariat selbst
erst im Werden begriffen sei — eine Auffassung, die durch den Ver-
lauf der 1848er Revolution durchaus bestätigt wurde. Der Aufsatz
schließt mit dem Hinweis auf die innere Zusammengehörigkeit der die
Summe des Wissens vom Menschen und der menschlichen Gesellschaft
darstellenden Philosophie und des Proletariats: „Der Kops der Eman-
Lin Grinnerungsblatt an Karl Wsrr.
Bur elften Wiederkehr feines Todestages.
Es ist nicht unsere Absicht, den Jahrestag des Ablebens von
Karl Marx, dem großen Lehrer und Vorkämpfer des ausstrebenden
Proletariats, durch die Vorführung eines Gesammtbildes seines prak-
tischen und theoretischen Wirkens zu feiern. Die äußeren Umrisse
seiner Lebensge-
schichte sind heute
wohl keinem
Mitglied des gei-
stigen Bundes,
den die Sozial-
demokratie aller
Länder darstellt,
unbekannt, und
wer sie nicht
kennt, dem sind
in unseren Ta-
gen die Schriften
darüber so leicht
zugängig, daß
eine Wiederho-
lung an dieser
Stelle unnöthig
erscheint.
Aber alle
diese vorhande-
nen Skizzen be-
friedigen nur erst
das dringendste
Bedürfniß De-
rer, die aus der
Lebeusgeschichte
desManues, den
schon Heinrich
Heine 1854 als
den „entschieden-
sten und geist-
reichsten" seiner
Landsleute be-
zeichnete, Beleh-
rung zu schöpfeu
suchen; die von
der richtigen Er-
wägung aus-
gehen, daß das
Leben eines sol-
chen Mannes den
Schlüssel zum
besseren Ver-
ständniß seiner
Theorien liefert.
Jede Theorie ist
nothgedrungen
weiter greifend
als der einzelne Fall, und deshalb wird derjenige, der nur die Theorie
kennt, bei ihrer Anwendung auf den einzelnen Fall leichter Jrrthümer
unterworfen sein, als derjenige, der außer ihr auch die von ihrem
Urheber selbst gelieferten Beispiele ihrer Anwendung kennt. Dies gilt
vor allen Dingen von der Theorie des Verhältnisses von Politik und
Klassen- bezw. Wirthschaftsbewegung, und es ist deshalb von besonderem
Werth, zu wissen, welche Stellung Marx, der gemeinsam mit Engels
die theoretische Grundlage der modernen Sozialdemokratie geschaffen,
zu den verschiedenen hierhergehörigen Ereignissen und Kämpfen ein-
genommen, deren Zeitgenosse er war. Hierüber aus den verschiedenen
zerstreuten, nur noch in wenigen Exemplaren vorhandenen Dokumenten
Einiges zur Vervollständigung des Bildes von Marx zusammenzu-
stellen, ist gewiß keine unwürdige Art, seinen Gedenktag zu feiern.
Es liegt darin so wenig von einer Unterschätzung seiner theoretischen
Leistungen, daß wir im Gegentheil in der praktischen Thätigkeit von Marx
das Produkt mindestens der einen Seite seiner theoretischen Arbeit er-
blicken, die selbst gelieferte Probe auf das in ihnen gestellte Exempel.
Wie Marx zum Sozialismus kam, hat er im Vorwort zur 1859
erschienenen „Kritik der politischen Oekonomie" selbst erzählt. Er war
Redakteur der von bemittelten Liberalen des Rheinlands gegründeten
„Rheinischen Zeitung", als sich — 1842/43 — in den Spalten die-
ses Blattes ein
„schwach philo-
sophisch gefärb-
tes" Echo des zu
jener Zeit schon
sehr ausgebilde-
ten und propa-
girten französi-
schen Sozialis-
mus und Kom-
munismus hör-
barmachte. „Ich
erklärte mich ge-
gen diese Stüm-
perei", erklärt
Marx, setzt je-
doch hinzu, daß
er in einer Po-
lemik mit
der Augsburger
„Allgemeinen
Zeitung" rund
heraus zugestan-
den habe, über
den Inhalt der
betreffenden
Richtungenselbst
kein Urtheil wa-
gen zu können.
Sein bald darauf
erfolgender Aus-
tritt aus dem
genannten Blatt
wurde von Marx
u. A. dazu be-
nutzt, diese Lücke
seines Wissens
auszufüllen, und
als die erste
Frucht seiner er-
weiterten Stu-
dien erschien
1844 in den zu
Paris im Verein
mit Rüge her-
ausgegebenen
„Deutsch-franzö-
sischen Jahrbü-
chern" die Ein-
leitung zu einer Kritik der Hegel'schen Rechtsphilosophie. In diesem
Aussatz, der, wie gesagt, nur eine Einleitung zu einer begonnenen
größeren Abhandlung war, finden wir bereits die Keime des später von
Marx im Verein mit Engels ausgearbeiteten geschichtlichen Materialis-
mus. „Die Revolutionen", heißt es da u.A., „bedürfen eines passiven
Elementes, einer materiellen Grundlage. Die Theorie wird in einem
Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirklichung seiner
Bedürfnisse ist. ... Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirk-
lichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zürn Gedanken drängen."
Und Marx legt dar, warum angesichts der gegebenen Zustände keine
Klasse in Deutschland außer dem Proletariat fähig sei, das Zentrum
einer radikalen Revolution zu bilden, während das Proletariat selbst
erst im Werden begriffen sei — eine Auffassung, die durch den Ver-
lauf der 1848er Revolution durchaus bestätigt wurde. Der Aufsatz
schließt mit dem Hinweis auf die innere Zusammengehörigkeit der die
Summe des Wissens vom Menschen und der menschlichen Gesellschaft
darstellenden Philosophie und des Proletariats: „Der Kops der Eman-