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1691

Der alte

©ft, die Stirn gelegt in ga'ten,

Stand er trüb und mürrisch da.

Wenn er den verfall des Alten
Deutlich sich vollziehen sah.

In der Ingend ferne Anen
Irrt sein Sinnen dann znrück —
Damals auf das Handwerk baue»

Ließ sich noch des Bürgers Ktück.

Andere Zeiten find gekommen
And des Handwerks 8>lanz verfiel.

Ach, dem Alten ist genommen
Seines Lebens Preis nnd Ziel.

Meister. -*v*-

wohl drob drückt der Kroll ihn nieder
And er zürnt der neuen Zeit, —

Aber horch! da schallen Lieder
Laut in seine Linsamkeit.

Ha, der Neuzeit Stnrmgesänge,
Freiheitsjnbet, Naienlnst!

And es schwellen diese Alänge
Auch des alten Meisters Brust.

Zn des Volkes jungen Fahnen
Litt mit neuem Nuthe er:

„Nehmt den alten Veteranen
Auf in Luer Freiheitsheer!"

Maifeier eines Münchener Philisters.

©er erste Atai! 3)a mach' ich blau!

Da steh' ich an den Sonntags-Rack.

Das ist ein Resttag! -Heut beginnt
Der Ausschank ja vom Hofbräu-d3ock!

Bescheidenheit.

Ä.: Wie kommt es, daß in England der Achtstundentag immer mehr
zur Geltung gelangt, mährend die deutschen Unternehmer behaupten,
sie könnten dabei nicht bestehen?

B.: Ach, das ist blos die berühmte deutsche Bescheidenheit, welche
bei allen Knlturfortschritten dein Anslande den Vor tritt lassen will.

Blienrchens Trutzlieöl.

Mir Sachsen, mir sein ooch derbei,
wenn die Völker feiern den ersten Mai,
Denn ooch mir Sachsen sein ä Volk,
Das ändert geene Bollezei!

Hobelfpähne.

Der große Völkerfeiertag,

Der erste Mai kehrt wieder!

Da reichen sich Alle die Bruderhand
Und legen die Waffen nieder.

So tauschen auch wir der Verbrüderung Schwur
Mit allen Völkern der Erde —

Doch sorget, daß es nicht Phrase nur,
Sorgt, daß es Wahrheit werde!

Kriegslvafsen und Uniformen sind die Eier-
schalen der Barbarei, welche den Kulturvölkern
noch anhaften. * *

Die Forderung des Achtstundentages ist kein Dogma, sondern eine
Losung. So bald die technische Vervollkommnung der Betriebsmittel und
die Zahl der Arbeitslosen eine kürzere Arbeitszeit bedingen, wird der
Achtstundentag eine reaktionäre Forderung sein.

Es regt der Proletarier sich
Voll Muth in allen Landern —

Die Polizei ist mißvergnügt
Und jagt nach rothen Bändern.

Man macht heutzutage keine Revolutionen mit Mistgabeln mehr,
also auch nicht mit Sprengbomben — nnd die Bombe ist nur die
Mistgabel der Neuzeit. * . *

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" hat ganz recht, wenn sie
die Nachricht dementirt, daß eine verbesserte Uniform beim Militär ein-
geführt werden soll; bei der zunehmenden internationalen Verbrüderung
der Arbeiter wird das stehende Heer überhaupt bald abgeschafft werden,

— wozu also noch neue Uniformen! _

Ihr getreuer Sage, Schreiner.

wie so'n Stearin-Licht. „Ja, Kinder", meent die
Aelteste, bet is nu mal bei Hasenbraten nich anders,
der Jeruch stammt aus dem Französischen un
heeßt „Baut jut“. Na, sie lassen det dheire Essen
denn nu ooch nich stehn, sondern hauen jut in.
Sie sind aber noch nicht zur Hälfte fertig, da
steht eene nach die andere uff un in die Küche
treffen sie sich wieder, un da stehen die drei ollen
Mächens un — kieken immer in den Ausjuß
rin! Sie wollen nie wieder billijen Hasenbraten
essen un danken ihren Schöpfer, det sie so davon
jekommen sind. Uebrijens is die Sache zur An-
zeije jebracht worden, un sie sollen noch bestraft
wer'n, det heeßt, nicht die drei ollen Damen, son-
dern die Köche, die sotvat verkoofen. So jeht's
die armen Leite.

Denke Dir, Jacob, den Weihnachtsmarcht
wollten sie uns ooch nehmen. Der Majistrat
wollte von den Stadtverordneten die Jenehmijung
dazu haben, indem der Verkehr dadurch so jestört
wurde. Nu stand aber Singer dajejen uf un
sagte, det det eene ville jrößere Verkehrsstörung
sind dhäte, wenn die Soldaten durch die Friedrich-
straße marschirten oder wenn die Straßen ab-
jesperrt würden, wenn se bei Hofe Besuch kriegten,
un det bisken Trubel in die Weihnachtszeit, det
wäre for die Katze, un ville arme Händler un
Frauen un Kinder könnten dabei wat verdienen,
und der Weihnachtsntarcht dürfte nich ufjehoben
wer'n, denn wat der Mensch habe, det müsse er
ooch jebrauchen. Un da die meisten Stadtverord-
neten ooch in dieselbe Kerbe rin hieben, so konnte
der Majistrat nischt machen, un den Weihnachls-
marcht können se uns nich nehmen.

Unsere Königstraße, det Ende wat von'n
Schloßplatz bis an't Rathhaus jeht, soll nu ooch
breiter jeinacht werden. Se sind schon bei un
bauen an die Nothbrücke, indem die olle
Kurfürstenbrücke ooch wegjerissen werden muß.
Da sind ja een janz Deel Menschen bei't Rammen
anjestellt, aber zehnntal so ville — se nennen sich
Reservisten — kieken zu. Man sollte det nich
für möglich halten, wie ville Menschen sich hier

von't Zukieken ernähren — aber frag' mich nur
nich wie. Jn'n Thierjartcnviertel sieht et anders
aus, als an der Nothstandsbrücke; die Thier-
jartenreservisten haben ooch nischt zu dhun, als
Morjens die Hosen anzuziehn, dann haben
se Feierabend, un dabei drinken se Sekt un
essen Austern un Kaviar. Siehste, Jacob, det
komnst Alles von't Kapital; die in'n Thierjarten
haben beini Theilen ufjepaßt un die von der
Nothstandsbrücke haben jerade jearbeitet un daher
von't Kapital nischt abjekriegt; — suum cuique,
sagt der Lateiner, det heeßt zu deutsch: jreif
feste zu.

Die Zeiten sind überhaupt schlecht, Jacob.
Pleite uff Pleite, un denn rücken die Jeschäftsleite
aus un die Anderen, die schimpen — bis se et
ebenso machen. „Das billige Garderobeugeschäft
ist um die Ecke" steht an ein Haus in die Span-
dauerstraße, un wenn man dann rumkömmt,
richtig, die Fensterladen sind zu un eene Vor-
ladung von den Jerichtsvollzieher is anjeklebt.

Jetzt jlooben se Alle, det der Handelsvertrag
mit Rußland eenen Umschwung bringen tvird,
aber paß Obacht, Jacob, die meisten Jeschäftsleite
schnappen Rooch. „Wo soll das hin?" sagte Pastor
Stöcker neilich in eener Versammlung, ohne det
daruf Eener 'ne Antwort wußte. Mein ajrari-
scher Freund aber sagte: „Lebe luxuriös un ver-
meide allet Eenfache. Det is alleene die Basis
det Fundaments, wodruf die janze Grundlage
det Kapitalisinus ruht."

In dieser Hinsicht, lieber Jacob, verbleibe ick
Dein jetreuer

Jotthilf Naucke,
Moabit.

VourgeoiF-Freude.

Wir schön an voller Tafel
Klingt vsk das Work: „Prosit!"

Doch schöner arn vollen Geldschrank
Das Zauberwort: „Profit!"

Gedanken zum ersten Mai.

i.

Keines stolzen Domes Düster

Nimmt uns auf; kein Papst und Priester

Segnet uns; kein Glöcklein klingt;

Nichts von dem! Und dennoch dringt
Durch die alte Welt ein Beben.

Zittern packt den Angstphilistcr,

Ringsum geht ein leis' Geflüster:

„Wehe uns, was wird das geben?

„Diese Massen.." Ja, ihr Herren,

Nicht mit Beten und mit Plärren
Kämpft das Proletariat:

Unser Dogma ist die That!

Weil des Lebens Noth uns einte,

Ist die Menschheit die Gemeinde,

Ist das Himmelszelt der Dom,

Und die Welt ist unser Roin!

11.

Vom reichen und fronunen Komnierzienrath sagt
man, er nehme großen Antheil an seinen Arbeitern.
Wäre es nicht richtiger zu sagen, er nchine großen
Antheil von seinen Arbeitern?

in.

Was ist das öffentliche Leben in: Klassenstaat
anders als eine Auktion, bei der die Herrschaft
an die Meistbietenden, d. h. an die Besitzenden
losgeschlagen tvird.

iv.

„Reaktionäre aller Länder, vereinigt euch!"

So haben des deutschen Kanzlers Wort
Gedeutet die Interpreten.

Geheimnißvoll sprach er von „konnnenden
Eventualitäten".

„Proletarier aller Länder, vereinigt euch!"
Erfülle, Volk, das erlösende Wort
Des großen sozialen Propheten, —

Und pfeife auf die „Reaktions-
Eventualitäten".

Verantwortlich für die Redaktion Georg Batzler in Stuttgart.
Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.

hierzu eine achtseitige Beilage und das Kunstblatt „Der Frieden".
 
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