1697
Durch Macht zum Licht.
von tzunsld.
Sfrrt Westen will das Sonnengold verglühen.
Und überm Walde und den stillen Wiesen
Regt schon der Abendwind thaufeuchteSchwingcn.
Lin Wehn und Flüstern über Gras und Blüthen —
Dann wird es still und stiller in der Runde,
Die leiseathmend schläst.
Am Wiesenrande
Liegt eines Iiegelofens roh' Gemäuer,
Aus dessen Schlot noch Rauch und Funken steigen,
Lin Weib, gebeugt schon von der Last der Jahre,
Müht sich noch bei des Gfens Gluthenhitze,
Daß ihr der Schweiß die grauen Strähnen feuchtet.
„So spät noch rührig, Mutter? Eurem Alter
Thät doch wohl Ruhe noth zu solcher Stunde!"
„Ja, Ruhe, Herr — die wird sich einst wohl finden;
Doch jetzt, da täglich Krankheit, Roth und Hunger
Als schlimme Gäste vor der Thüre stehen,
Heißt's schaffen — und das bischen Leben fristen!"
„Reforgt Ihr denn allein so schwere Arbeit?"
„Mit einem Handarbeiter aus dem Dorfe
Hab' ich in Tag- und Nachtschicht abzuwechseln."
„Wie alt schon seid Ihr?"
„Reunundfünfzig Jahre!"
„Und Euer Lohn für dieses harte Schaffen?"
„Acht Mark und fünfzig Pfenn'ge für die
Woche!"
„Und damit könnt Ihr, bei so schwerem Mühen,
Das Leben fristen und den Hunger stillen?" —
Das seltsam Lächeln, das bei meiner Frage
Schnell über die vergrämten Züge gleitet —
Ist wie ein Dolchstich mir ins Herz gegangen.
„Für mich, Herr, würde es ja gerne reichen.
Doch liegt mein Mann zu Haufe, blind und elend
Und älter noch als ich — wer soll ihn nähren?
Wir müssen schon den Lohn für zweie theilen!"
* *
*
Mir ist wohl aus des Schlotes Funkeuregen
Etwas ins Aug' gekommen. —
Aus dem Walde
Stieg längst die Nacht heraus. Ls ist recht finster.
Rur wen'ge Sterne leuchten mir zum Heimweg.
Doch wo der Großstadt erste Villen stehen
Und breite Straßen, stolze Prunkgebäude
Im Westend dicht an Wald und Wiesen grenzen.
Verwandelt Lichterglanz die Rächt zum Tage.
Aus hohen Scheiben, mächtigen Portalen
Mischt sich der bunte Ampelschein den Strahlen
Des weißen Lichts aus hohen Rogenlampen.
In blüthenduft'gen Gärten Helles Lachen;
Dazwischen ein paar flüchtige Akkorde
Aus offnem Fenster.
. Eine Walzerweise
j Trägt jetzt der laue Rachtwind schnell vor-
über —
Karossen fahren auf — ein zartes Füßchen
Sucht nach dem Trittbrett — weiße Roben
knistern.
Für einen Augenblick, durch offne Chüren,
Ein Lichtermeer, wie Märchenherrlichkeiten
So rauschend und so flüchtig.
Und die Weise
Jetzt hell und jubelnd über all dem Glanze!
Von meinem Auge aber fällt der Schleier
Der Zukunft:
Linen hehren Jüngling seh' ich
In nackter Schönheit durch Paläste schreiten.
Auf seinen starken Armen trägt er liebreich
Lin altes Mütterlein, deß graue Haare
Die grelle Gluth des Ziegelofens bleichte.
Da bricht mit jähem Ton die Walzerweise —
Da sinkt die Märchenpracht — da schweigt der
Jubel
Durch Macht zum Licht.
von tzunsld.
Sfrrt Westen will das Sonnengold verglühen.
Und überm Walde und den stillen Wiesen
Regt schon der Abendwind thaufeuchteSchwingcn.
Lin Wehn und Flüstern über Gras und Blüthen —
Dann wird es still und stiller in der Runde,
Die leiseathmend schläst.
Am Wiesenrande
Liegt eines Iiegelofens roh' Gemäuer,
Aus dessen Schlot noch Rauch und Funken steigen,
Lin Weib, gebeugt schon von der Last der Jahre,
Müht sich noch bei des Gfens Gluthenhitze,
Daß ihr der Schweiß die grauen Strähnen feuchtet.
„So spät noch rührig, Mutter? Eurem Alter
Thät doch wohl Ruhe noth zu solcher Stunde!"
„Ja, Ruhe, Herr — die wird sich einst wohl finden;
Doch jetzt, da täglich Krankheit, Roth und Hunger
Als schlimme Gäste vor der Thüre stehen,
Heißt's schaffen — und das bischen Leben fristen!"
„Reforgt Ihr denn allein so schwere Arbeit?"
„Mit einem Handarbeiter aus dem Dorfe
Hab' ich in Tag- und Nachtschicht abzuwechseln."
„Wie alt schon seid Ihr?"
„Reunundfünfzig Jahre!"
„Und Euer Lohn für dieses harte Schaffen?"
„Acht Mark und fünfzig Pfenn'ge für die
Woche!"
„Und damit könnt Ihr, bei so schwerem Mühen,
Das Leben fristen und den Hunger stillen?" —
Das seltsam Lächeln, das bei meiner Frage
Schnell über die vergrämten Züge gleitet —
Ist wie ein Dolchstich mir ins Herz gegangen.
„Für mich, Herr, würde es ja gerne reichen.
Doch liegt mein Mann zu Haufe, blind und elend
Und älter noch als ich — wer soll ihn nähren?
Wir müssen schon den Lohn für zweie theilen!"
* *
*
Mir ist wohl aus des Schlotes Funkeuregen
Etwas ins Aug' gekommen. —
Aus dem Walde
Stieg längst die Nacht heraus. Ls ist recht finster.
Rur wen'ge Sterne leuchten mir zum Heimweg.
Doch wo der Großstadt erste Villen stehen
Und breite Straßen, stolze Prunkgebäude
Im Westend dicht an Wald und Wiesen grenzen.
Verwandelt Lichterglanz die Rächt zum Tage.
Aus hohen Scheiben, mächtigen Portalen
Mischt sich der bunte Ampelschein den Strahlen
Des weißen Lichts aus hohen Rogenlampen.
In blüthenduft'gen Gärten Helles Lachen;
Dazwischen ein paar flüchtige Akkorde
Aus offnem Fenster.
. Eine Walzerweise
j Trägt jetzt der laue Rachtwind schnell vor-
über —
Karossen fahren auf — ein zartes Füßchen
Sucht nach dem Trittbrett — weiße Roben
knistern.
Für einen Augenblick, durch offne Chüren,
Ein Lichtermeer, wie Märchenherrlichkeiten
So rauschend und so flüchtig.
Und die Weise
Jetzt hell und jubelnd über all dem Glanze!
Von meinem Auge aber fällt der Schleier
Der Zukunft:
Linen hehren Jüngling seh' ich
In nackter Schönheit durch Paläste schreiten.
Auf seinen starken Armen trägt er liebreich
Lin altes Mütterlein, deß graue Haare
Die grelle Gluth des Ziegelofens bleichte.
Da bricht mit jähem Ton die Walzerweise —
Da sinkt die Märchenpracht — da schweigt der
Jubel