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Auf frommem Klepper, feist und starkgebaut,
Hat fein Besitzthum langsam er umritten.

Br hat dabei gewettert leis und laut,

Denn Härtestes hat er dabei gelitten.

Was er mit widerwill'gem Blick geschaut.

Hat ihm ins treue deutsche Herz geschnitten;
Ls stehen wahrhaft tadellos die Beraten —
Das dumme Korn wird wiederum gerathen!

Die Halmfluth wogt gleich einem grünen Lee;
Bis an die Kniee ging dem Pferd im Zchreiten
Das Wiesengras; in Blüthe stand der Klee —
Ja, voriges Jahr, das waren andere Zeiten!
Ls ist, als segne nächtlich eine §ee
Aus Schabernack die stillen grünen Breiten.
Die Kühe waten bis zum Leib im Hutter —
Da sinkt gewiß demnächst im Preis die Butter!

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. Insxektions-Ritt. u

In andern Ländern gleiche Ueppigkeit
Und dazu Ueberfluß vom letzten Jahre!

Ls ist ein Llend, das gen Himmel schreit.

Vor dem der Himmel künftig ihn bewahre!

Daß er im Zustand der Verlassenheit
Ans seiner Haut, der schwarzundweißen, fahre.
Ist sonst—obgleich im höchsten Krade peinlich -
Doch unvermeidlich, jedenfalls wahrscheinlich.

Am grünen Tische sind sie einfach toll;

Wär' es so traurig nicht —man möchte lachen!
Das Naß des Wahnsinns machten jüngst sie voll;
Ltatt über'sWohl derLandwirthschaft zu wachen!
Beschnitt man ihr das lump'ge bischen Zoll,
Das lange nicht genügt, sie fett zu machen!
Aun sitzt sie da, weint über'm Wirthfchaftsbuche
Und nagt — nicht bildlich blos — am Hungertuche.

Ja, wenn noch etwas in die Blüthe fiel.

Und wäre sie zur Hälfte nur erfroren —

Ls setzte doch der Ueppigkeit ein Ziel,

Zu der die Länder alle sich verschworen!
Lrfror die geile Laat mit Ltumpf und Ltiel,
So ging die Lrnte scheinbar nur verloren;

Lin weiser Landwirth hätte ja besonnen
Das Doppelte am alten Korn gewonnen.

Lr steigt vom Kaule, ein geschlagner Nann,
Um weich das sorgenschwere Haupt zu betten.
Wird je er wieder, wie sonst dann und wann.
Als Krandfeigneur in Hoppegarten wetten?
Nur Ueberschwemmung oder Dürre kann
Ihn vor dem Schicksal der Verarmung retten,
Und fehlt in diesem Jahr sogar der Hagel,

So hängt den ganzen Kram er an den Nagel!

Berlin, Anfang Juni 1894. wo immer mit die schärfsten Säuren jearbeitet wird. Der Dunst soll so

anjenehm uff die Brust fallen, det die Fabrik blos „die Jiftbude" jenannt
K1 c ü c r Bacob. wird. Der Besitzer hält sich ooch nich dadrinnen uff, er wird sich hüten.

Bei uns sieht et zur Zeit man sehr mies Un er hat det ooch nich nöthig, denn die drei- bis vierhundert Arbeeter,
aus. Uff der janzen Linie Streit un Un- die er beschäftigt, haben ihm schon een paar Millionen verdient. Denkst

Zufriedenheit, wohin man sieht, nischt als Du nu, Jacob, det die Leite, ick meene die Arbeiter, hiermit zufrieden

Uneinigkeit. Da reden se bei die jroßen un sind? Sollte det für sie nich een erhebendet Jefiehl sind, det Segen der

1^3 kleencn Fest- un Zweckessen immer von die Mühe Preis is un det se ihren Arbeitgeber vor Noch jeschützt haben?

/ . deitsche Einigkeit. Der reene Hohn in meine Aber nee, da kennst Du unsere Arbeiter schlecht. Die scharfen, jiftijen

V W /y >P-sümmtlichen Oogen. Bei Kunheim, draußen Dünste, wo se den janzen Dag in stehen mußten, waren ihnen wohl in

- - in Nieder-Sckwnweide. da fina et an. Der den Kovv iestieien. denn mit eenen Male kamen se uff de haarsträubende

Mann hat eene Fabrik von chemische Produkte, Idee, det det wohl jenug dhäte sind, wenn se zehn Stunden jeden Dag

dich in behäbiger Mittelständigkeit. Er pantschte
nicht unerträglich, sein Gebräu hatte ein gutes
Aussehen, war von lieblichen! Geschmack und
wurde von vielen Feinschmeckern als süffig und
wohlbekönnnlich sehr gerühmt.

Der stattliche Betrieb lag im Norden der
Großstadt, umfriedet von einem prächtigen Garten,
dessen stattlichen Baumwuchs die Heuschrecken der
Terrainspekulation noch nicht verheert hatten. In
heißen Sonnnertagen, wenn das Quecksilber des
Wärmemessers beängstigend hoch stieg, wenn über
den Gassen und Straßen die dumpfe, sengende
Backofenluft hing, die den Athen: benahm und
tausend Staubkörnchen durch alle Ritzen und
Poren trieb, da war es gut sitzen unter den:
breitwipfligen Schatten dunkelgrüner Linden und
Buchen. Auf einer Erhöhung saßen ein halbes
Dutzend Blechmusikanten, bliesen und pfiffen in:
Schweiße ihres Angesichts eine Tanzweise oder
ein altmodisches Lied von Anno dazumal, ver-
griffen sich un: einen Dreiviertelstakt und stärkten
sich für ihre Kunstleistung in regelrechten Pausen
durch tiefe Schlucke aus schäumenden Gläsern.
Derweil saß es sich gut in dem däunnerig-kühlen
Garten des alten Malzhuber, wo hinter den
lauschigen Büschen da ein Liebespärchen saß, dort
eine Amme mit ihren: Säugling duselte, während
trinkfeste Männer mit geründetem Bauche und

glühenden Nasen in traulichem Verein um den
Stammtisch saßen und becherten. Kam dann der
Abend mälig heran, da füllte sich der weite Raum
mit schlichten, einfachen Arbcitsleuten, die ihr mit-
gebrachtes Abendbrot durch einen stischen Trunk
würzten. Schaarenweise kamen die Familien mit
Sack und Pack herangezogen, und der alte Malz-
huber rieb sich die fleischigen Hände.

In der Brauerei selbst herrschte ein leidliches
Verhältniß zwischen dem Brauherrn und den
Arbeitern. Malzhuber zahlte erträgliche Löhne,
behandelte die Leute gut und mischte sich nicht in
ihre politischen und gewerkschaftlichen Angelegen-
heiten. Er selbst war natürlich liberal und eine
Leuchte seines freisinnigen Bezirksvereins.

- Doch das Verhängniß schreitet schnell. Solche
Erscheinungen wie der biedere Malzhuber, der
als rundlicher Mittelbetrieb sich vollsog wie ein
Schwamm, waren dem Brauerkönig Miericke,
dem Leiter der riesigen Aktienbrauerei Schöffe
und Frivoli, ein Greuel. Er, der Leiter des
Brauerriugs, zugleich ein großer Politiker vor
den: Herrn und wildes Mitglied des Kuh-
schnappeler Landtags, kämpfte für die Entfaltung
der großkapitalistischen Betriebsweise nüt allen
Mitteln. Seine Lebensaufgabe war es, diese Ent-
wicklung im Interesse der großen Gcldsäcke zu
beschleunigen, die Kleinen aufzusaugen, die Macht
des Riesenkapitals zu befestigen. Dem edlen
Miericke waren natürlich vor Allen: die organi-
sirten Arbeiter, die sich von ihm nicht über die
soziale Frage belehren ließen, sondern dickschädlig
auf die Sozialdemokratie schwuren, für Vereini-
gungsfreiheit und bessere Zustände eintraten, ein
Dorn im Auge. Darum sann er darauf, wie
er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, die
Arbeiter, deren Gewerkschaften ihn: teuflischer als
der Teufel erschienen, niederwerfen und so und so
viele kleine Brauereien zur Strecke bringen könnte.

Ein Vorwand zum Losschlagen war leicht ge-
funden, der erste Mai bot ja Zündstoff genug,
und ein geschickter Mann wie Bruder Miericke
war der richtige Kerl für solch eine Pulver-

Verschwörung, die die Arbeiterorganisationen nüt-
sannnt etwelchem unbequemen Wettbewerbe in die
Lust sprengen konnte. Es war für den alten Malz-
huber natürlich eine große Ehre, als eines Tages
die vornehine Equipage Miericke's bei ihm hielt,
und Herr Brauereidirektor Miericke, der Chef des
Bierrings, ihn um eine Unterredung bat. Dem
plumpen Vorstadtphilister wurde ganz weich bei
dem Aufgebot von Liebenswürdigkeit, die sich über
ihn ergoß. Und so trat Malzhuber dem Rütli-
bunde der Farbinalz-Junker bei und unterschrieb
in schwerfälligen Zügen das natürlich nur um
Lebens und Sterbens willen der Forn: halber aus-
gestellte Solawechselchen über zehntausend Mark,
das den Ring vor einem Vertragsbruch seiner
Mitglieder schützen sollte. Als sich die Thür hinter
Miericke schloß, wischte sich Malzhuber den Schweiß
von der Stirn. Er war tief gerührt. Miericke
aber fuhr rasch davon, vorbei an den: bunten
Getriebe der Böttcherei, vorüber an den rauchen-
den Schlöten des Brauhauses, warf noch einen
zwinkernden Blick — Herr Miericke zwinkerte gerne
— aus den gut besuchten Sommergarten und
flüsterte: Gott, was für ein feines Geschäft! Auf
dein Blitzableiter des Darrbodens aber drehte sich
grinsend ein spitzzähniger Kobold, blockte die lange
Zunge gegen das Komptoirfenster des alten Malz-
huber und schnippte spöttisch nüt den runzligen
Fingern. Doch der Brauherr ahnte nichts von
dem Unheil, das als schwarze Wetterwolke über
ihm aufstieg, er schritt in das Sudhaus und fing
zun: großen Erstaunen der Braugehilfen mörder-
lich zu schelten und zu schnauzen an. Der Geist
Miericke's war über ihn gekonnnen. „Der Olle ;
hat woll einen Zacken", brummte der Braumeister !
und wandte sich ab.

Die Entscheidungsstunde war da, der Ring
sperrte Hunderte braver, fleißiger Leute aus, die
Jahrzehnte lang bei ihm geschafft hatten, er warf
sie rücksichtslos aufs Pflaster, um die Arbeiter-
vcreinigungen zu brechen und die ihrer Waffe
beraubten Böttcher und Brauer zu gefügigen Werk-
zeugen seiner Selbstherrlichkeit herabzuwürdigcn.
 
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