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__ssäß Beilage zum „Mahren Jacob" Mr. 206.

^ Rückblick und jECueöUdi. ^

(£s wir-, wer sinnen- rückwärts schant,
Zugleich öas Rornrnen-e erfassen;

Sie können nicht ans ihrer Haut
heraus, -ie wir von Kerzen hassen;

Sie bleiben feige, feil un- flau,

Bis wir sie lachen- einst begraben -
Der Rückblick zeigt uns ganz genau
Das, was wir zu erwarten haben.

Gb Miguel sitzt im Dünensan-,

Db in -er öuft'gen Jasnrinlanbe —

Gr sinnt, wie er mit starker Han-
Anziehen mag -ie Steuerschraube,

Un- wenn er Nachts zur Ruhe geht,
Die Rraft -es Firnes zu erneuern,

So ist sein stilles Stotzgebet:

„Erhöhung in-irekter Steuern!"

Gs sin- un- bleiben toll un- blin-
Dor Gier -ie xreutzisch--eutschen Junker,
Das höchste Liebesgaben sin- -
Un- alles anöre ist Geflunker.

Sie überwinöet kein Beweis;

Der Schlüssel aller ihrer Schmerzen
Bleibt allezeit ein Roggenxreis
Fürs ganze Reich — nach ihrem Kerzen.

Ls schlüpft in Frack un- Schnabelschuh
Der Lhor -er biedern weitzbeschlixsten;
Ihr Bittgang geht nach Frie-richsruh
Zu -em erlauchten Abgeschnixsten;

Lin Leixz'gcr Frommer betet vor,
was er sich eingexaukt in Wochen
Un- plärren- bellt -er ganze Lhor
Ihm nach, was Haffe vorgefxrochen.

Und wär' es dreimal dümmer noch -
was fchiert's die wenn- und Aber-Gil-e?
Sie treibt ihr Herz — sie ziehen -och
Zum Sachfenwal-er Gna-enbil-e.

Im Rreife wandert -er Kokal
Un- manches Auge weint verstohlen —
Der Bittgang wir- sich manches Mal
Im Lauf -es Sommers wiederholen.

So war's, so ist's, so wird es sein —

Lin kläglich Bild un- -och ein heitres,
wir aber schauen ruhig -rein;
wir wissen: 's ist nur „bis auf weitres".
Linst schlagen unsre Wetter ein,

Datz sie in tausend Nöthen stöhnen —
wir werden gründlich allen Drei'n
Die alten Mucken abgewöhnen.

Der Bier-Boykott.

(Frei nach Scheffel.)

Im scstivarzrn Walfisch ju Askalon,
Da Krstrk kein Gast mehr rin,

Da strtzrn dir Tischr und Bänkr lrrr —
Was mag dir Ursach' srin?

Im schinarxrn Walstsch zu Askalon,

Da war drr Wirkst rin Tstor,

Er srsttr den Gästrn Berliner Vier
Vom Braurr-Aingr vor.

Z,rm schivarxrn walstsch zu Askalon
LrnKk drum Kein Gast drn Fntz —

Drr BozzKolt lirgk auf srinrm Vier
Vrrhängk durch VolKsbrschlust.

Im srstioarzrn Walstsch zu Askalon,

Da srufzl drr Wirkst: >,V ivrh!

Die Lrule kragen all' ihr Grld
Ins Lamm zu Ninivrh!"

Im schioarxrn Walstsch zu Askalon,

Da schlug die Uhr halb vier,

Da warf der Hausknecht aus Nubirrland
Hinaus das Berliner Bier.

Im schwarzen walstsch zu Askalon
Zechl Alles iviedrr flott!

Man schänkl dorl echtes Münchner jrstl,
Daraus liegt kein Boykott!

*

De v

Neue Zalorno.

Eine

märchenhafte beschichte.

ebte da viele, viele
Jahre nach dem ersten
Salomo ein zlveiter,
der mar vielleicht
noch weiser als
I der erste, dazu
i war er noch forsch
| und schneidig wie
Simson, der
Sohn Manoahs.
Wenn er mit sei-
nenr Hintertheil
den Vorsitz zierte, so kam die verstockteste Un-
schuld ein Zittern an und die ungenirteste Gewalt
kam zu ihrem Recht. Er brauchte weder Vertheidiger
noch Zeugen, ja kaum hatte er eines Staats-
anwals vonnöten; alles, alles, alles, alles machte
dieser Isidor. Und das Volk gab ihm die Namen
„Gott der Gerechte" und „Iwan der Schreckliche".

Und eines Tages kainen zwo Weiber zu diesein
Salomo, und nun entwickelte sich folgende, steno-
graphisch festgehaltene „Verhandlung".


Erstes Weib: Ach, Herr, ich und dies Weib —

Präs. Salomo: Warum unterlassen Sie es,
mich, wie es nur zukommt, Herr Präsident zu
nennen? Ich sehe darin ein Zeichen Ihres Schuld-
bewußtseins.

Erstes Weib: Aber Herr Präsident, ich fühle
mich nicht schuldig.

Präsident: Wem wollen Sie das weiß
machen? Mir doch hoffentlich nicht. (Erregt): Sie
wollen nlich doch wohl nicht darüber belehren,
wer hier der Schuldige ist?! Ich glaube Ihnen
einfach nicht, daß Sie glauben, daß Sie un-
schuldig wären.

Erstes Weib: Aber Herr Präsident —

Präsident: Schiveigen Sie und reden Sie
weiter! (Unterdrücktes Lachen im Publikum.) Schutzmann,
säubern Sie die Tribünen von diesen arbeitslosen
Radaulümmeln! (Geschieht per Gummischlauch.) So.
Jetzt fahren Sie fort. Da wird 'ne saubere Ge-
schichte herauskommen.

Erstes Weib: Ich und dies Weib wohnten in
einem Hause; und ich gelag bei ihr im Hause. Und
über drei Tage, da ich geboren hatte, gebar sie auch.

Präsident: Na, das scheint ja 'ne nette
Wirthschaft gewesen zu sein.

Erstes Weib: Und dieses Weibes Sohn starb
in der Nacht; denn es hatte ihn im Schlaf erdrückt.

Präsident (schnell): Ach warum nicht gar!
So ivas thut doch 'ne Mutter nicht! Sie wollen
ja nur verhetzen und verdrehen.

Erstes Weib: Aber es ist doch so!

P r ä s i d e n t (sehr erregt): Ob es so iff, das zu ent-
scheiden überlassen Sie wohl gefälligst mir! (Halb für
sich): Rabiates Frauenzimmer! Petroleuse! (Zu dem
Weibe): Na, was werden wir jetzt noch kriegen?

Erstes Weib: Und sie stand in der Nacht
auf und nahm meinen Sohn von meiner Seite
und legte ihn an ihren Arni, und ihren todten
Sohn legte sie an meinen Arm.

Präsident: Halten Sie uns nun wirklich für
so naiv, daß wir Ihnen das glauben? Einer solchen
JmmorcÄität ist doch diese Frau nicht fähig! (Zu
dem andern Weibe): Nicht wahr, liebe Frau?

Zweites Weib: Allerdings, hoher und weiser
Herr Gerichtshof!

Präsident (nickt wohlwollend).

Erstes Weib: Und da ich des Morgens auf-
stand, nieinen Sohn zu säugen —

Präsident: „Säugen" ist ein Ausdruck, der
unter gebildeten und anständigen Leuten über-
haupt nicht bekannt ist. Man „säugt" ein Kind
nicht, inan giebt cs der Amme. Sie geben immer
deutlicher zu erkennen, zu welcher Sorte von

Menschen Sie gehören und wessen man sich da-
nach von Ihnen zu gewärtigen hat.

Erstes Weib: Da war mein Sohn tobt.
Aber am Morgen sähe ich ihn eben an; und siehe,
es war nicht mein Sohn, den ich geboren hatte.

Präsident: Sie haben vermuthlich über-
haupt keinen Sohn gehabt! Ich beschließe, Sie
nicht zu vereidigen, da Sie nach Ihrer ganzen
Denkweise zu jener Klasse von Menschen gehören,
die sich aus einem Meineid nichts machen.

Erstes Weib: Herr Präsident, das ist eine
Beleidigung!

Präsident: Schadt nichts; ich werde Sie
trotzdem durchaus gerecht verurtheilen und, ob-
wohl mir die ganze Sache schon fabelhaft klar
ist, doch noch ein Uebriges thun. (Plötzlich mit Würde):
0.uckiatur ei altera pars! (Zu dem andern Weibe):

Reden Sie: haben Sie Ihr Kind selbst erdrückt,
oder hat die es gethan?

Zweites Weib: Nicht also, mein Sohn lebt
und ihr Sohn ist todt.

Präsident: Also ist das tobte Kind doch ihr
Kind?

Zweites Weib: Natürlich.

Erstes Weib: Nicht also, ihr Sohn ist todt
und mein Sohn lebt.

Präsident: Gott, die Sache ist ja sehr einfach.
Schutzinann, langen Sie nial Ihren Säbel her!
Ich werde also jetzt das lebendige Kind in zwei
Hälften schneiden und jeder ein halbes Kind geben.

Erstes Weib: Ach, mein Herr, geben Sie
ihr das Kind lebendig und tödten Sie es nicht!

Zweites Weib: Was Sie auch beschließen,
hoher Herr Präsident, ist gerecht und weise; Ihr
Wille geschehe!

Präsident (triumphirend): Na? Was Hab' ich
gesagt? Was brauchen wir weiter Zeugniß? Die
loyale Demuth dieses gutgesinnten Weibes redet
deutlicher denn tausend Zeugen. Sie (zum zweiten
Weibe) bckominen das lebendige Kind. Ich werde
außerdem dafür sorgen, daß Ihnen durch die
allgenieine Verdienstmedaille eine eklatante Genng-
thllUNg ZU Theil werde. Sie (zum ersten Weibe) be-
konnnen fünf Monate Gefängniß, tausend Mark
Geldstrafe, das todte Kind und haben die Ge-
richts- und Beerdigungskosten zu zahlen. Ihrer
ftech-radikalen Gesinnung halber werden Sie
außerdem unter polizeiliche Aufsicht gestellt.

Die Kunde aber von der Weisheit Salomonis II.
ging wie ein Brausewetter durch alle Lande, und
alles Volk rief: „Gott, du gerechter, wen's juckt,
der kratze sich."
 
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