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die kläglichen Arbeiterschutzgesetze nur auf dem Papiere gelten, Unter-
nehmer und Bergwerkinspektor unter einer Decke stecken und die elendesten
Löhne bei langer Arbeitszeit üblich sind. Aber auch die Berichte aus
Deutschland boten wenig Erfreuliches. Am besten für den Kohlen-
arbeiter sieht es in England aus. Aber auch der englische Bericht klagt
über die schlechte Geschäftslage und das Ueberangebot von Arbeitern.
Die Hauptarbeit des Kongresses war die Berathung der Forde-
rung des gesetzlichen Achtstundentages. Hier stellte sich beinahe voll-
kommene Einmüthigkeit unter den Delegirten heraus. Nur das
Häuflein Engländer, das noch zur Fahne der „freien Vereinbarung"
schwört, stimmte dagegen. Ebenso einmüthig war der Kongreß in
der Verwerfung der Frauenarbeit in den Bergwerken. Dagegen
stellten sich bei der Frage, wie die Ueberproduktion in der Kohlen-
industrie auf internationalem Wege beseitigt werden kann, erhebliche
Meinungsverschiedenheiten heraus. Den prinzipiell richtigen Stand-
punkt nahmen allein die Deutschen und Oesterreicher ein; sie be-
tonten in einer Resolution, daß die Beseitigung der Ueberproduktion
erst in der sozialistischen Gesellschaft möglich sein werde, und daß sie
sich gegenwärtig nur durch Verkürzung der Arbeitszeit mildern lasse.
Diese Anschauung fand nicht die Majorität, aber daß sie die Geister
für sich gewinnen wird, ist sicher. Nicht lange mehr wird es dauern.
und auch die englischen Bergarbeiter bekennen sich zu ihr. Daß es
auf einem internationalen Kongreß nicht ohne Mißverständnisse ab-
gehen kann, ist leicht erklärlich. Die bürgerliche Presse belügt sich
aber nur selbst, wenn sie von diesen Mißverständnissen großes Wesen
macht und so thut, als hätten sie die ganze Wirkung des Kongresses
aufgehoben. Die Delegirten aller Nationen waren aufrichtig bemüht,
durch entgegenkommende Herzlichkeit alle Unebenheiten in den Ver-
handlungen wieder auszugleichen.
Den besten Beweis für das sympathische Band, das die Delegirten
aller Nationen umspannte, ergab der glänzende Kommers, den die
Berliner Gewerkschaften ihren Gästen veranstalteten. In drei Sprachen
hielt Liebknecht die Festrede; sie war von einer Frische und Unmittel-
barkeit, daß sie selbst die im Allgemeinen zurückhaltenden Engländer
zu stürmischem Beifall hinriß. Ein Franzose und ein Engländer
antworteten, sie marschirten wie die Deutschen unter der rothen Fahne.
Dann ertönte auf stürmisches Verlangen der Engländer die Marseillaise,
die zum Kampflied des Proletariats geworden ist. Ein lebendes Bild
aber versinnbildlichte in drei Gruppen die Idee: Nur durch die inter-
nationale Verbrüderung der Arbeiter aller Länder, durch einmüthiges
solidarisches Handeln im Kampf gegen Knechtschaft und Ausbeutung
wird der heißersehnten Freiheit ein Weg gebahnt!
Sie ist so gemein.
„cDie ist so gemein
Und erfüllt vom giftigsten Haffe.
Die fozialistische presse bedroht
Zast stündlich dieTrdnung und freut sich der Roth
Der Aapitalistenklasse."
„Zie ist so gemein!"
So ruft „Tante Vossin" beklommen;
„Was haben ihr Rösicke, Eoldfchmidt gethan.
Daß über die Braven verhängt ward der Bann,
's ist wahrlich weit jetzt gekommen!"
„Zie ist fo'gemein!"
Bchnarrt's fromm aus dem Munde der Alten.
„Ach, hätten wir Bismarck und puttkamer noch.
Bald kriegte die Rechnung der Rothen ein Loch,
Die Ruhe des Airchhofs müßt' walten."
„Die ist fo gemein!"
Ruft mauschelnd §rau Moses voll Tugend;
„Aus Arbeitern, Bauern besteht ihr Verkehr,
Darunter leidet die Littlichkeit sehr, —
Ich kenn' es aus meiner Jugend."
Lie ist fo gemein.
Trotzt Hitze, Aalte und Rässe!
Das ganze Zeitungsgeschwister stimmt ein.
Und kreischt voller A)uth: „Lie ist so gemein.
Die fozialistische Presse!"
Verantwortlich für die Redaktion Georg Bahler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
die kläglichen Arbeiterschutzgesetze nur auf dem Papiere gelten, Unter-
nehmer und Bergwerkinspektor unter einer Decke stecken und die elendesten
Löhne bei langer Arbeitszeit üblich sind. Aber auch die Berichte aus
Deutschland boten wenig Erfreuliches. Am besten für den Kohlen-
arbeiter sieht es in England aus. Aber auch der englische Bericht klagt
über die schlechte Geschäftslage und das Ueberangebot von Arbeitern.
Die Hauptarbeit des Kongresses war die Berathung der Forde-
rung des gesetzlichen Achtstundentages. Hier stellte sich beinahe voll-
kommene Einmüthigkeit unter den Delegirten heraus. Nur das
Häuflein Engländer, das noch zur Fahne der „freien Vereinbarung"
schwört, stimmte dagegen. Ebenso einmüthig war der Kongreß in
der Verwerfung der Frauenarbeit in den Bergwerken. Dagegen
stellten sich bei der Frage, wie die Ueberproduktion in der Kohlen-
industrie auf internationalem Wege beseitigt werden kann, erhebliche
Meinungsverschiedenheiten heraus. Den prinzipiell richtigen Stand-
punkt nahmen allein die Deutschen und Oesterreicher ein; sie be-
tonten in einer Resolution, daß die Beseitigung der Ueberproduktion
erst in der sozialistischen Gesellschaft möglich sein werde, und daß sie
sich gegenwärtig nur durch Verkürzung der Arbeitszeit mildern lasse.
Diese Anschauung fand nicht die Majorität, aber daß sie die Geister
für sich gewinnen wird, ist sicher. Nicht lange mehr wird es dauern.
und auch die englischen Bergarbeiter bekennen sich zu ihr. Daß es
auf einem internationalen Kongreß nicht ohne Mißverständnisse ab-
gehen kann, ist leicht erklärlich. Die bürgerliche Presse belügt sich
aber nur selbst, wenn sie von diesen Mißverständnissen großes Wesen
macht und so thut, als hätten sie die ganze Wirkung des Kongresses
aufgehoben. Die Delegirten aller Nationen waren aufrichtig bemüht,
durch entgegenkommende Herzlichkeit alle Unebenheiten in den Ver-
handlungen wieder auszugleichen.
Den besten Beweis für das sympathische Band, das die Delegirten
aller Nationen umspannte, ergab der glänzende Kommers, den die
Berliner Gewerkschaften ihren Gästen veranstalteten. In drei Sprachen
hielt Liebknecht die Festrede; sie war von einer Frische und Unmittel-
barkeit, daß sie selbst die im Allgemeinen zurückhaltenden Engländer
zu stürmischem Beifall hinriß. Ein Franzose und ein Engländer
antworteten, sie marschirten wie die Deutschen unter der rothen Fahne.
Dann ertönte auf stürmisches Verlangen der Engländer die Marseillaise,
die zum Kampflied des Proletariats geworden ist. Ein lebendes Bild
aber versinnbildlichte in drei Gruppen die Idee: Nur durch die inter-
nationale Verbrüderung der Arbeiter aller Länder, durch einmüthiges
solidarisches Handeln im Kampf gegen Knechtschaft und Ausbeutung
wird der heißersehnten Freiheit ein Weg gebahnt!
Sie ist so gemein.
„cDie ist so gemein
Und erfüllt vom giftigsten Haffe.
Die fozialistische presse bedroht
Zast stündlich dieTrdnung und freut sich der Roth
Der Aapitalistenklasse."
„Zie ist so gemein!"
So ruft „Tante Vossin" beklommen;
„Was haben ihr Rösicke, Eoldfchmidt gethan.
Daß über die Braven verhängt ward der Bann,
's ist wahrlich weit jetzt gekommen!"
„Zie ist fo'gemein!"
Bchnarrt's fromm aus dem Munde der Alten.
„Ach, hätten wir Bismarck und puttkamer noch.
Bald kriegte die Rechnung der Rothen ein Loch,
Die Ruhe des Airchhofs müßt' walten."
„Die ist fo gemein!"
Ruft mauschelnd §rau Moses voll Tugend;
„Aus Arbeitern, Bauern besteht ihr Verkehr,
Darunter leidet die Littlichkeit sehr, —
Ich kenn' es aus meiner Jugend."
Lie ist fo gemein.
Trotzt Hitze, Aalte und Rässe!
Das ganze Zeitungsgeschwister stimmt ein.
Und kreischt voller A)uth: „Lie ist so gemein.
Die fozialistische Presse!"
Verantwortlich für die Redaktion Georg Bahler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.