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«aß Aarwin — Pont^xriöö.

9m nächt'gen Zchweigen übers Meer und über der Gebirge Mauer
Irrt klagend und verstört einher der Geist des Rümmers und der Trauer.
Mit schwarzen Zchwingen überfliegt er wie ein Adler Land und Zünde,
Und Weh und Hohn und Jammer liegt auf seinem todtenblassen Munde;
Zein Blick, der in die weite geht, ist leer, entsetzenvoll und bange —
In großen, kalten Tropfen steht der Chränen Chau auf seiner Wange.
Lr schweift in ruhelosem Ziehn bald übers Meer, bald über Zaaten,
Von Pontypridd bis nach Rarwin und von Züdwales nach den Rarpathen,
Bis ihm fein Ziel die Wolke zeigt, die grau und schwer als Zchreckens-

kunde

Rach vielen Tagen noch entsteigt des Zchachtes aufgeriff'nem Munde,
Die Wolke, die für alles Land umher eiu düst'res Biesenzeichen:
„Erstickt, zerschmettert und verbrannt liegt drunten jetzt ein Heer von

Leichen!"

Da macht der Geist der Trauer Halt, da sinkt er schwer und lastend nieder.
Da beugt es ihn mit Allgewalt und Grau'n durchrieselt seine Glieder,
Die Hände sinken in den Zchooß — es könnte scheinen, daß er schliefe.
Und finster, stumm und thränenlos ermißt er all des Jammers Tiefe,
Des Jammers, der am Lchreckenstag geherrscht bei Weibern und bei

Rindern,

Und den zu stillen nicht vermag das Gold der Erde — kaum zu lindern.
Und immer düstrer wird der Blick des Zinnenden, des Trauervollen,
Und ob der weinenden Geschick hebt dumpf er also an zu grollen:

„Allüberall die Zegensspur — weh' ihm, der sie zu schau'n gelüstet! —
Der dreimal heiligen Rultur, mit der ihr dünkelvoll euch brüstet!

Lie mordet nicht blos ritterlich der Jugend Blüthe in den Zchlachten —
Die schwarzen Leichen thürmen sich zu Bergen auf in ihren Lchachten;
Zie mäht nicht blos wie blind und toll die stürmenden Rolonnen nieder,
Zie fördert ganze Rarren voll zerriss'ner und zerstückter Glieder.

Die Linen fallen unterm Ztahl zur größern Lhre unsrer Waffen,

Die Andern, um dem Rapital noch mehr des Mehrwerths zu erraffen.
Lin Kutter ist in mag'rer Zeit der Kall der Zeitung, die „wir" halten,
Zie tritt ihn auch gehörig breit in unabsehbar langen Zpalten,

Und ist die Mahlzeit abgethan, bereitet, ehe ein „wir" duseln,

„Uns" mit Details das Leiborgan ein kleines, angenehmes Gruseln,
wobei es in Bescheidenheit niemals verfehlt, den Trost zu spenden.
Durch Vorsicht wären jederzeit die Ratastrophen abzuwenden;

Dem kämen auch voll Zympathie die Herrn Besitzer stets entgegen,
Rur feien „diese Leute" nie zu solcher Vorsicht zu bewegen.
Verwegenheit und Ungeduld der blind auf Lohn erpichten „Hände",
Lie trügen jederzeit die Zchuld, wenn statt ein Grubenunglück fände,
„wir" denken an den nächsten Ball, den nächsten Lchmaus, kurz, etwas

Heitres,

Und der fatale Zwischenfall — er ist erledigt bis auf weitres!"

Lin Lachen wild und schauerlich gellt durch das düstre Reich der Grüfte
| Und sausend hebt vom Boden sich der Geist der Trauer in die Lüste.

—>^ SsnctuF!

Die Zpione, die aus Beiffe
Man begnadigt hat entlasten,
wandeln wieder frohen Muthes
In Paris frei auf den Gaffen.

wenn von Dankgefühl ein Kunken
Zchläft in jenen beiden Kranken,

Müssen sie der Grundursache
Ihrer Haftentlassung danken.

Auf die Anarchie anstimmen
Müssen sie den Lobes-Gantus
Und bewegt im Herzen singen
Drei Mal: „Zanctus! Lanctus! Lanctus!"

A.

--

Berlin, im Juli 1894.

Lieber Jacob!

Nimm et nich iebel, bet ick in Hemdsärmeln
schreibe, aber die Hitze die hier herrscht, ist sonst

nich zum Aushalten.
Die armen ollen
dicken Rentjehs un
Bäckermeesters un
Bierbrauers un
Feldwebels un wat
sonst noch dick is,
muß man wirklich
bedauern, sie pusten
ooch man immer so
un wischen sich den
sauren Schweiß von
ihre Denkerstirnen. Neidischen Blicks sehen sie
uff den Arbeiter, der insolje seiner Dünnleibig-
keit die Hitze natierlich besser verdragen kann. Un
allens wat Recht is, Jacob, haste schon mal so'n
recht scheen fetten Weber jesehen? Det jiebt et
eenfach nich un det sage ick. In dieser Beziehung
hat der Arme det also besser als der Reiche. Muß
er nich zuin Beispiel dankbar sind, det seine Kon-
stitution sich besser für den Aufenthalt im Jefäng-
nisse eignet, als die det reichen Mannes? Un wie
leichte kann er dazu kommen. Ick will zum Bei-
spiel mal annehmen, er wohnt in det scheene
Dresden un jeht mit seine Freunde an eenen
scheenen Dage spazieren, der ausjercchnet der erste

Mai sein muß. Un denn kommt een Schutz-
mann un treibt sie auseenander un schreibt sie
uff un der Richter in Sachsen, der dhut sie ver-
knaxen, so in'n polnischen Bogen wejen jemein-
jefährlichen Usflaufs jeden zu hundert oder fünfzig
Mark Jeldstrafe. Ja, du jrundjütijet Elend, wo
soll der Berurdeelte sie hernehmen? Er muß det
Jeld also abbrummen, damit der Staat un de
Jerechtigkeit keenen Schaden leiden. Für jede drei
Mark Strafe eenen Dag. Kann er sich nu nich
freuen, det er mit seinen Körper diese Verpflich-
tung ooch Nachkommen kann? Wir haben det ja
bei den Kommerzienrath Wolf jesehen, der so
einije Millionen fremdet Jeld für sich verbraucht
hatte un denn zu einije Jährchen Jefängniß ver-
urdeelt wurde, indem der Jerichtshof ihm mil-
dernde Umschläje bewilligte. Kaum hat er andert-
halb Jahre jesessen, da stellt sich heraus, det er
die schmale Kost un det harte Lager hinter die
schwedischen Jardincn nich verdragen kann, sein
Körper is von det friehere Schlemmerleben so
mitjenommen, det er keene Widerstandsfähigkeit
mehr besitzt. Wat bleibt weiter iebrig, als den
Mann in't Spital zu schaffen? So'n Mann is
nich inal im Staude, seine ehrlich verdiente Strafe
abzusitzen, erst beschubbt er seine Mitmenschen un
denn zuletzt noch die olle blinde Frau mit die
Wiegeschale, die sie immer als de Jerechtigkeit
abzeechnen. Da hat der Abjeordnete Stadthagen
doch eene bessere Natur. Als er wejen Beleidi-
jung det Staatsanwalts fünf Monate in det Ham-
burger Reibeisen absitzen mußte, hatte er noch
Kräfte jenug, det er sich sofort wieder in eenen
neien Prozeß stirzen konnte.

Hier is jetzt Alles, wat een bisken wat is,
oder sich für wat hält, in die Ferien: Lehrer,
Staats- un Majistratsbeamte, Bankiers un Koof-
leite, Alles treibt sich in die Jebirge, an der See
oder in der Sommerfrische rum un zeigt dort die
armen Leite, wie die irdischen Jüter so schön
steichmäßig in der Welt vertheilt sind.

Jewiß, det is Alles recht schön, un hübsch is
et ooch, wenn sie alle Jahre so'n paar dausend
arme Berliner Kinder in die Ferien schicken, aber
leider müssen noch ville mehr, die det ebenso nöthig
haben, zurückbleiben, denn det Jeld reicht immer
nich zu. Eeu hiesiger Koofnrann is iebrijens böse
rinjefallen. Er hat eenen mächtigen Bazar, wo

so ville jestohlen wird, det er sich extra eenen
Kriminalbeamten für seinen Laden hält. Die
Verkäuferinnen sind anjewiesen, die Kundschaft
eklig uff die Finger zu passen. Eenes Dags jloobt
nu eene von die Mamsells, jesehen zu haben, det
eene Dame een Paar Handschuhe jestohlen hat.
Sie macht dem Chef Anzeige un nu entsteht een
jroßer Uffstand. Die Dame muß mit in't Bureau,
sie muß sich jefallen lassen, det sie untersucht
wird, un dabei stellt sich heraus, det sie ihre
eijenen Handschuhe in die Tasche jestochen hat.
Un ihr Mann is een ziemlich hoher Beamter, der
will det nich usf seine Frau sitzen lassen un will
ben Koofmann verklagen. Det is ihur natierlich
sehr unanjenehm, indem bei ihn: schon mehrfach
solche Jrrthümer vorjekommen sind un sein Je-
schäft darunter leidet. Er legt sich bei dem Be-
amten uff't Bitten, dieser stellt aber die Bedin-
gung det er am minimumsten fünftausend Mark
für die Ferienkolonien zahlt. Un der Koofmann
hat in den sauren Appel jebissen. Det schadt
ihm iebrijens nischt, er hat et dazu, denn er macht
een „Bombenjeschäft", wo ick aber nich mit sagen
will, det er unter die Anarchisten jejangen is.

Jetzt muß ick schließe::, lieber Jacob, ick ver-
bleibe mit ville Jrieße Dein uffrichtijer

Jotthilf Naucke, Moabit.
-©*©-

——^ Auszeichnung.

War' ich ein deutscher Fürst geworden.

Ich stiftete einen Reptilien Vrden,

Den würd' ich zum Abschied verleihen pindtern.

Um ihn zu tragen auf dem — Lnde des Rückens.

Die Weiberfeinde.

A. : Ist es wahr, daß in Bayern das dortige
weiberfeindliche Ministerium demnächst das Tan-
zen verbieten will?

B. : Nach der bisherigen Haltung der bayeri-
schen Minister zu schließen, ist dies allerdings
wahrscheinlich.

A. : Warum?

B. : Weil das Tanzen die daran theilnehmen-
den Frauen zu rhythmischen Bewegungen ver-
leitet, in Bayern aber jede Frauenbewegung
verboten ist.
 
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