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j8eelenwanderung.

s wälzten tut schlammigen Nile
Sich gelbe FluLhen zum Meer,
Drin schwammen zwei Uroko-ile,

Das eine, das weinte gar sehr
An- schluchzte: ,,Mich faßt ein Sehnen
Nach Frankreich, dem schönen Land,
Drum fließen so heiß meine Thränen
Hinab itt den Schlamm und den Sand.

Ich Hab' einst als mächt'ger Minister,
Als Lastmir-Perier regiert,

And habe die braven Philister
An -er langen Nase geführt;

Besonders wenn ich gestohlen
An- inan mich zu erwischen vermeint,
Hab' ich im Parlament unverhohlen
Als verfolgte Unschuld geweint.

Ich starb un- könnt' nicht ntehr stehlen —
Da verschlug mich bis hier an -en Nil
Die unstäte wan-'rung -er Seelen
Un- machte mich zum Uroko-il.

Die Schuxpenhaut paßt mir, -och innen,
Tiefinnen -as Heimweh mir brennt,
Seitdem in Frankreich dort -rinnen
Mein Enkel war- ssräsident."

Es spendet mit freundlichen Worten
Ihm Trost -er beschuppte Freund:

,,Sei ruhig! Dein Enkel -orten
Gleicht Dir un- hat auch schon geweint.
Aus dem Grabe, langfchwänzig un- schuppig,
wir- als Urokodil er einst erstehn
Un- Du kannst, wie Du selber so ruppig,
Ihn im Ailschlamm hier wälzen sich sehn!"

Das Gi des Kolumßus.

„Eingeschränkter Betrieb und verkürzte tägliche
Arbeitszeit beeinträchtigten Arbeitsgelegenheit wie
Arbeitsverdienst. Die natürliche Folge davon ist
eine jammervolle Lebenshaltung; häufig wurden
Mittagessen beobachtet, die ans dünnem Kaffee und
Brot ohne irgendwelche Znthaten bestanden. Der
Aufsichtsbeamte beklagt die mirthschnftliche Unwissen-
heit der meisten Arbeiterfrauen."

Bericht des Gewerbe-Aufsichtsbeamten
für Potsdam.

Run weiß man endlich doch, woran es liegt,

Daß unsre Frau'n uns nichts Geschcidtes kochen!
Ein Urtheil sachverständig und gewiegt
Hat gründlich sich darüber ausgesprochen.

Des Nebels Kern begreift nun jedes Kind,

Mag Mancher mühsam auch den Satz verdauen:
„Unwissend, hilflos, unerfahren sind
In allen Wirthschaftsdingen unsre Frauen."

Knapp ist die Arbeit, der Verdienst ist klein,

Da mannigfache Nebel sich verbünden,

Doch würde das noch zn ertragen sein,

Wenn unsre Frau'n die Wirthschaft nur verstünden.
Sei noch so miserabel auch der Lohn
Und noch so arg der Druck der schlechten Zeiten —
Wenn sie's versteht, kann uns die Alte schon
Ein nahrhaft Mahl trotz alledem bereiten.

Wenn sie uns trocken Brot und Kaffee bringt,
Statt irgend eines kernig-sast'gen Bissens,

So ist das ganze Elend unbedingt
Ein Einfluß ihres mangelhaften Wissens.

Sic ignorirt die höhre Wirthschastskunst,

Von der sic nichts gelernt im Haus der Mutter;
Vom höhern Rechnen hat sie keinen Dunst
Und deshalb gicbt's ein jammervolles Futter.

Bei etwas bessrer Einsicht würde Rath
Zu einem Bratwurstpaar mit säuern Linsen,

Zu irgend einem Brätchen mit Salat,

Im schlimmsten Fall zu Rippespeer mit Plinsen.
Nicht Leckerein, Ersatz nur, das ist klar,

Erheischt der Körper nach des Tages Mühe,

Doch ist die Aermste alles Wissens bar
Und hilft sich darum mit Cichorienbrühe.

Du schöpftest auch beim höchsten Lohn nicht Kraft
Aus dem Geschmor in Pfannen und in Tiegeln,
Wenn deiner Frau die Küchen-Wissenschaft
Geblieben ist ein Buch mit sieben Siegeln.

Der Arbeitsmann lebt lute ein Millionär
Und könnt' aus seine prallen Lenden pochen,

Zu viel noch Einmarkfünfzig Taglohn war':

Hält' seine Alte nur gelernt das Kochen.

Berlin, Ende Juli 1894.

Lieber Jacob!

Wir sind hier jetzt mitten in die Saurejurken-
zeit nn die dreibt sonderbare Blüthen. Dkl mußt

mal so 'ne Tour uff
'ne offene Pferde-
bahn machen, da
kannste wat lernen,
wenn Dil so die Un-
nerhaltung zuhörst.
Sitzen da neilich zwee
bekannte Damen sich
vis -ä- vis un ick
Unjlickswurm fahre
ooch jerade für mei-
nen blutijen Nickel
eene Strecke ab un muß hören, wat sie sich er-
zählen. „Ist es jetzt bei die Hitze eine schlechte
Zeit mit dem Essen" — mecnt die eene — „mein
Mann ist jetzt nicht sehr für Fleisch und Fische,
und Geflügel ißt man sich so leicht über. Man
hat auch so seine ,Nahrungssorgen'." — „Sehr
gut", sagt die andere, und beede lachen über den
Witz. Det muß ooch sehre schlimm sind, wenn
man nich wceß, wat man essen soll.

Een paar Offiziere unterhalten sich ooch. Der
eene liest int Vorbeifahren an eene Litfaßsäule,
det am Sonntag int Elysium Abs mit eenen
Dänen ringen will. „Auch ein Vergnügen, da
zuzusehen" — schnarrt er — „ich weiß nicht, was
die Leute davon haben, mir ist es ganz gleich-
giltig, ob der, der unten liegt, Abs oder anders
heißt."

„So jeht et mir bei't Pferderennen" — mischt
sich da so'n Berliner, der jerade absteijen will,
in't Jespräch: „Wie der Offizier heeßt, der sich't
Jenick gebrochen hat, is mir heechst schnuppe, ick
frage immer zuerst uach det Ferd." Un dabei
sagt die olle Seele treiherzig „Jut'n Morjen" un
springt von'n Wagen runter. Die beeden Offi-
ziere unterhalten sich von nu ab nich mehr laut.

Aber wahr is et, die Jurkenzeit is eene
schlimme und besonders für Berlin in diesen
Sommer von wejen den Bierboykott. Da sitzen
det Sonntags Nachmittags een paar Mandel Men-
schen in die Sommerlokäler, die sonst jedrickt voll
waren, un die Musiker stoßen in ihre Instru-
mente, det det eenen Hund jammern könnte, aber
die Leite jehen alle an den Jnjang vorbei, wo
die beeden Kassirer in die Schilderhäuschen sitzen
un Billjetter verköofen wollen. Zuletzt müssen

die Artisten denn for die paar Mann spielen,
wovon die merschten Kinder sind. Un denn treten
Schauspieler un Schnellmaler un Degenschlucker
un andere arme Schlucker uff un Kinstler, die
die Thierstimmen nachmachen. Det fehlt blos
noch, det hier noch „Konzertspucker" ufftreten, wie
in Amerika, wo et Leite jiebt, die det Bild von
Pullmann un Eleveland mit tödtliche Aehnlichkeit
jejen die Wand spucken.

Een paar Jroschen kleenet Jeld wollte sich
woll ooch der Mann verdienen, der neilich in die
hiesijen Blätter eene Annonce inricken ließ, wo-
nach er eene kleene Waise zu verjeben hätte. Der
Mann wollte in Wittstock wohnen. Diejenijen
Eltern, die det Kind annehmen wollten, sollten
sofort sinftausend Mark un bis zur Jroßjährig-
keit det Kindes die Zinsen von zwanzigtausend
Mark kriejen. Wer sich meldete, sollte aber eene
Zwanzig-Pfennig-Marke beilejen. Det war det
Pudels Kern. Wie ville Zwanzig-Pfennig-Marken
mag der Mann mit den Waisenkind woll inje-
strichen haben? Aber er is immer noch een
Waisenknabe jejen den Mann, welcher bekannt
machte, det er jejen sinf Mark een unfehlbaret
Mittel jejen Bettnässen abjeben dhäte. Eene
Baronin schickte die sinf Mark in un kriegte die
Antwort: „Schlafen Sie uff't Sopha, denn wird
det Bett nich naß."

Neilich tauchte hier det Jerücht uff, det hier
een Findelhaus jebaut un der Pastor Schwabe —
Du weeßt woll, Jacob, der die Jeschichte mit der
Tochter det Pferdebahnschaffner Berg hatte —
der Vorsteher davon werden sollte. Det wird aber
woll blos Mumpitz jewesen sind. Uebrijens wenn
det olle Sprichwort: „Vox populi vox dei“ wahr
is, denn muß der Pastor Schwabe een Mann
sind, wo der schwärzeste Jesuit een Heiliger jejen
is. Kannste Dir wat jemeineres denken, als wenn
een Jeistlicher een junget Mächen un ihre An-
jehörijen ieber den Todesfall von ihre Mutter
trösten will un dhut denn sowat? Un nachher
läßt er sie sitzen mit det Kind un legt vor Jericht
eenen Eid ab, det er nischt mit ihr zu thun jehatt
hat? Wie jesagt, wenn ihm det bewiesen wird,
denn sind det doch mehr als „Schwabenstreiche".
Da is mir ja bald der pommersche Knecht lieber,
der zu'n Richter sagt: „Ja, Herr, wesst bün ick't,
aber ick swör mi los!"

Weeste Jacob, neilich schrieb ick Dir doch, det
die Polizei ihr 25jähriget Jubiläum von unent-
deckte Mörder feiern könnte, wenn blos noch eener
hinzukäme, den sie nich fänden. Der finfund-
 
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