„Und wenn ich Ihnen nun sage, daß Sie sich in Bezug Meiner
irren, wenn ich Ihnen gestehe. . . . o Sie werden mich nicht mehr
sagen lassen wollen."
Der mürrische Gast blickte auf, seine Augen belebten sich, seine
Züge nahmen einen eigenthümlich bezaubernden Ausdruck an. Vor
seinen Augen wogte der blendend weiße Busen der ihm zugeneigten
Dame — er stand aus.
„Mir ist heiß", flüsterte er, „ich muß hinaus und Abkühlung
suchen. Nicht wahr,
Sie beurlauben mich
einen Augenblick?"
„Ich beurlaube
Sie, aber kehren Sie
zurück", erklärte die
Dame und folgte
dem Davoneilenden
mit einem trium-
phirenden Blicke.
Alsbald trat
hinter einer Säule
ein schwarz gekleide-
ter, mit einer gol-
denen Kette ge-
schmückter Herr her-
vor und fragte:
„Sprich, hast
Du ihn?"
„Ich habe ihn;
aber, Vater, Du
willst doch nicht, daß
ich ihn lange behal-
ten soll?"
„Ich hoffe es
nicht; er hat noch
eine ältere Geliebte,
die Bastille, welche
die Arme für ihn
offen hält."
Der Gegen-
stand des vertrau-
lichen Zwiegesprächs
zwischen Vater und
Tochter schritt in-
zwischen heißen Her-
zens nach der den
Park begrenzenden
Hecke, über welche
blickend er die dunkle
erglühende Morgen-
röthe betrachtete.
„Sollte es denn
wahr sein?" mur-
melte er, sollte sie
eine Ausnahme in
dieser Herz- und ge-
dankenlosen Gesell-
schaft bilden? O, dann würde sie mich an etwas zu ketten vermögen,
was ich allein vielleicht die Kraft besitze zu stützen. Sah ich nicht eben
noch im Geiste all diese blendend weißen Nacken gebeugt vor dem Richter-
schwert eines mit Füßen getretenen Volkes und Köpfe rollen zahllos wie
die Aehren vor der Sense des Schnitters?"
„Gras", rief in diesem Augenblicke eine tiefe Stimme neben ihm,
und aufschanend sah er eine seltsame Gestalt mit weißem Haar und
Bart, aber noch jugendlich blickenden Augen. Ein langer Kaftan
umschloß die hagere Gestalt und ein Käppchen verbarg zum Theil
die hohe Stirn: „Graf, Du träumst noch; die mit Wohlgerüchen
aller Art durchschwängerte Luft des Saales, die Hellen Lichter,
welche auf bezaubernd weiße Schultern niederstrahlten, haben Deine
Sinne verwirrt. Komm mit und ernüchtere sie im Anschauen der
Wirklichkeit."
Das sagend schob der Fremde seinen Arm durch den des Träumers
und zog ihn durch eine Lücke der Hecke in das vom Morgennebel noch
leicht umwallte offene Land.
„Sieh dort", rief er, „wie schwanke Greise, ausgehungerte Frauen,
bleiche Kinder mit schlotternden Gliedern und blauen Lippen dem dürf-
tigen, nicht minder ausgehungerten Boden die ärmlichen Früchte ent-
nehmen. Siehst Du
das?"
„Ja, es ist
schrecklich, wie diese
Armen und Elen-
den ihr kümmer-
liches Brot erarbei-
ten müssen."
„Wie, blos ihr
Brot? "erwiderte mit
schneidenderStinime
der Andere, „und
wer, denkst Du, er-
arbeitet alle die Herr-
lichkeiten, den Glanz,
die Pracht, die auS-
gesuchten Leckerbissen
derer da drinnen?
Siehst Du dort den
Mann mit der
Peitsche, der die Un-
glücklichen antreibt,
vom ersten Morgen-
schimmer bis zur
sinkenden Nacht, und
auch er muß von
ihnen ernährt wer-
den. Soll ich Dich
noch weiter führen?
Siehst Du dort die
Häuser der Bauern,
die Hütten, welche
fensterlos, gleich
Blinden ins Land
starren? Warum
haben die Leute keine
Fenster? Weil sie
die Fenstersteuer
nicht zu erschwingen
vermögen. Ja, diese
Armen haben da-
heiin die Nacht am
Tage, damit die da
drinnen die Nacht
zum Hellen Tage
machen können."
„Sprich nicht,
sprich nicht; ich habe
das Alles noch viel
schlimmer gesehen,
denn ich habe in der Provinz gelebt. Aber wer wird es ändern, wer
kann es?"
„Wer es ändern wird? Die da werden's, die heute in Lumpen
und in Elend und Noth wie die Thiere dahinleben."
Der Graf bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Er sah ein
Meer von Bült heranrauschen, welches unaufhaltsam höher und immer
höher stieg.
„O, Du hast Dich an den Bildern da drinnen geweidet, Du
hättest hier sein sollen, als die verhungerten Gestalten, die Tugend
und das Laster hier dicht gedrängt die Hecke umstanden, und die
Flüche, die Verwünschungen hören müssen. Da wäre Dein Platz
gewesen."
o weicht der Gewalt", erklärte der Graf
irren, wenn ich Ihnen gestehe. . . . o Sie werden mich nicht mehr
sagen lassen wollen."
Der mürrische Gast blickte auf, seine Augen belebten sich, seine
Züge nahmen einen eigenthümlich bezaubernden Ausdruck an. Vor
seinen Augen wogte der blendend weiße Busen der ihm zugeneigten
Dame — er stand aus.
„Mir ist heiß", flüsterte er, „ich muß hinaus und Abkühlung
suchen. Nicht wahr,
Sie beurlauben mich
einen Augenblick?"
„Ich beurlaube
Sie, aber kehren Sie
zurück", erklärte die
Dame und folgte
dem Davoneilenden
mit einem trium-
phirenden Blicke.
Alsbald trat
hinter einer Säule
ein schwarz gekleide-
ter, mit einer gol-
denen Kette ge-
schmückter Herr her-
vor und fragte:
„Sprich, hast
Du ihn?"
„Ich habe ihn;
aber, Vater, Du
willst doch nicht, daß
ich ihn lange behal-
ten soll?"
„Ich hoffe es
nicht; er hat noch
eine ältere Geliebte,
die Bastille, welche
die Arme für ihn
offen hält."
Der Gegen-
stand des vertrau-
lichen Zwiegesprächs
zwischen Vater und
Tochter schritt in-
zwischen heißen Her-
zens nach der den
Park begrenzenden
Hecke, über welche
blickend er die dunkle
erglühende Morgen-
röthe betrachtete.
„Sollte es denn
wahr sein?" mur-
melte er, sollte sie
eine Ausnahme in
dieser Herz- und ge-
dankenlosen Gesell-
schaft bilden? O, dann würde sie mich an etwas zu ketten vermögen,
was ich allein vielleicht die Kraft besitze zu stützen. Sah ich nicht eben
noch im Geiste all diese blendend weißen Nacken gebeugt vor dem Richter-
schwert eines mit Füßen getretenen Volkes und Köpfe rollen zahllos wie
die Aehren vor der Sense des Schnitters?"
„Gras", rief in diesem Augenblicke eine tiefe Stimme neben ihm,
und aufschanend sah er eine seltsame Gestalt mit weißem Haar und
Bart, aber noch jugendlich blickenden Augen. Ein langer Kaftan
umschloß die hagere Gestalt und ein Käppchen verbarg zum Theil
die hohe Stirn: „Graf, Du träumst noch; die mit Wohlgerüchen
aller Art durchschwängerte Luft des Saales, die Hellen Lichter,
welche auf bezaubernd weiße Schultern niederstrahlten, haben Deine
Sinne verwirrt. Komm mit und ernüchtere sie im Anschauen der
Wirklichkeit."
Das sagend schob der Fremde seinen Arm durch den des Träumers
und zog ihn durch eine Lücke der Hecke in das vom Morgennebel noch
leicht umwallte offene Land.
„Sieh dort", rief er, „wie schwanke Greise, ausgehungerte Frauen,
bleiche Kinder mit schlotternden Gliedern und blauen Lippen dem dürf-
tigen, nicht minder ausgehungerten Boden die ärmlichen Früchte ent-
nehmen. Siehst Du
das?"
„Ja, es ist
schrecklich, wie diese
Armen und Elen-
den ihr kümmer-
liches Brot erarbei-
ten müssen."
„Wie, blos ihr
Brot? "erwiderte mit
schneidenderStinime
der Andere, „und
wer, denkst Du, er-
arbeitet alle die Herr-
lichkeiten, den Glanz,
die Pracht, die auS-
gesuchten Leckerbissen
derer da drinnen?
Siehst Du dort den
Mann mit der
Peitsche, der die Un-
glücklichen antreibt,
vom ersten Morgen-
schimmer bis zur
sinkenden Nacht, und
auch er muß von
ihnen ernährt wer-
den. Soll ich Dich
noch weiter führen?
Siehst Du dort die
Häuser der Bauern,
die Hütten, welche
fensterlos, gleich
Blinden ins Land
starren? Warum
haben die Leute keine
Fenster? Weil sie
die Fenstersteuer
nicht zu erschwingen
vermögen. Ja, diese
Armen haben da-
heiin die Nacht am
Tage, damit die da
drinnen die Nacht
zum Hellen Tage
machen können."
„Sprich nicht,
sprich nicht; ich habe
das Alles noch viel
schlimmer gesehen,
denn ich habe in der Provinz gelebt. Aber wer wird es ändern, wer
kann es?"
„Wer es ändern wird? Die da werden's, die heute in Lumpen
und in Elend und Noth wie die Thiere dahinleben."
Der Graf bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Er sah ein
Meer von Bült heranrauschen, welches unaufhaltsam höher und immer
höher stieg.
„O, Du hast Dich an den Bildern da drinnen geweidet, Du
hättest hier sein sollen, als die verhungerten Gestalten, die Tugend
und das Laster hier dicht gedrängt die Hecke umstanden, und die
Flüche, die Verwünschungen hören müssen. Da wäre Dein Platz
gewesen."
o weicht der Gewalt", erklärte der Graf