1772 »
Vraktisch.
Die verkannte Venus.
Herr Süffke macht mit seiner Familie (Frau, Tochter und Schwiegersohn und kleinerem
Kroppzeug) einen Waldansflug. Da Herr Süffke gelesen hat, daß im Walde häufig Kreuzottern
Vorkommen, auch öfters Menschen von diesen giftigen Schlangen gebissen werden, und daß gegen
den Biß Rum ein unfehlbares Mittel sei, so beschloß er, seine große Feldflasche mit Rum
gefüllt mitzunehmen. Um sich recht tief in die Romantik des Waldes versenken zu können, geht
Herr Süffke seine eigenen Wege und zwar da, wo die Eichen am dicksten und die Kreuzottern am
häufigsten. Er nimmt ab und zu als Präservativ einen Schluck Rum, — bis er endlich von seiner
Familie ahnungsvoll gesucht und entdeckt wird.
„Beruhige Dich, liebes Weiberl", ruft Süffke triumphirend aus, „ich bin gefeit, mir kann
jetzt nicht einmal ein Kreuzotternbiß mehr schaden."
Bäuerin (in der Bildergallerie): Wer mag wohl
dieses arme Frauenzimmer sein, das nicht einmal
ein Hemd anzuziehen hat?
Kleinbauer: Das ist wahrscheinlich die Toch-
ter von einem unserer nothleidendenRitter-
g u t s b e s i tz e r.
Verdorbene Freude.
tTTtt hellen Aeuglein blicket
Manch Vöglein in die Welt,
Laut schmetternd Jubellieder
hinauf zum Himmelszelt.
Doch würde es verstehen
Das «klend, was es sieht,
Ich glaub', es würd' erstocken
Ihm in der Brust das Lied!
§esie Wurzeln.
(Aar einsam stand am niedern Garteuzaune
Ein zartes Pflänzchen, unbeschützt und frei;
Es schien, als ob es von des Wetters Laune
Erbarmungsvoll nur hier geduldet sei.
Doch sieh, als einst der Sturm den Platz verheerte
Und hundertjähr'ge Bäume spielend brach,
Fest saszen seine wurzeln in der Erde
Und gaben auch nicht im Geringsten nach.
Obgleich der Sturm es riß von allen Seiten,
vergebens war all seine grimme wuth;
Dem Pflänzchen könnt er nicht den Tod bereiten,
Es grünet freudig fort mit neuem Ututh.
Du Volk der Arbeit, hör des Pflänzchens Sage,
verzage nicht, wenn dich der Sturm umtost,
Und quäle nicht dein Herz mit banger Ulage,
Schau muthig auf zur FreiheitI Sei getrost!
Steh fest in Lieb und Treu zu allen Seiten,
Dann kommst zu deinem Siel du ganz gewiß,
Stellt gift'ger Feindeshaß dir Schwierigkeiten,
Ein froher wtuth nimmt jedes Hindermß.
wenn starker Wille und ein gut Gewissen
Die wurzeln sind, woran der Stamm sich hält,
wirst du durch keine Ulacht der Welt gerissen
von deinem Platz, wo du bist hingestellt. p. ®.
—Rekruten. E-—
In den deutschen Rekrutenlisten erhalten die
der sozialdemokratischen Gesinnung Verdächtigen
ein Kreuz vor dem Namen. (Blättermeldung.)
Willst schlug man ans Kreuz die Kämpfer für Recht,
Die streuten der Freiheit Samen:
Fetzt macht man, um sie zu zeichnen als schlecht,
Lin Kreuz nur vor ihren Kamen.
>• Handgreiflich.
Ob ich in der Gesellschaft gerne gesehen bin?
Na, Sie hätten nur sehen sollen, wie sich in der letzten Versammlung
die Leute um mich gerissen haben.
Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
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Vraktisch.
Die verkannte Venus.
Herr Süffke macht mit seiner Familie (Frau, Tochter und Schwiegersohn und kleinerem
Kroppzeug) einen Waldansflug. Da Herr Süffke gelesen hat, daß im Walde häufig Kreuzottern
Vorkommen, auch öfters Menschen von diesen giftigen Schlangen gebissen werden, und daß gegen
den Biß Rum ein unfehlbares Mittel sei, so beschloß er, seine große Feldflasche mit Rum
gefüllt mitzunehmen. Um sich recht tief in die Romantik des Waldes versenken zu können, geht
Herr Süffke seine eigenen Wege und zwar da, wo die Eichen am dicksten und die Kreuzottern am
häufigsten. Er nimmt ab und zu als Präservativ einen Schluck Rum, — bis er endlich von seiner
Familie ahnungsvoll gesucht und entdeckt wird.
„Beruhige Dich, liebes Weiberl", ruft Süffke triumphirend aus, „ich bin gefeit, mir kann
jetzt nicht einmal ein Kreuzotternbiß mehr schaden."
Bäuerin (in der Bildergallerie): Wer mag wohl
dieses arme Frauenzimmer sein, das nicht einmal
ein Hemd anzuziehen hat?
Kleinbauer: Das ist wahrscheinlich die Toch-
ter von einem unserer nothleidendenRitter-
g u t s b e s i tz e r.
Verdorbene Freude.
tTTtt hellen Aeuglein blicket
Manch Vöglein in die Welt,
Laut schmetternd Jubellieder
hinauf zum Himmelszelt.
Doch würde es verstehen
Das «klend, was es sieht,
Ich glaub', es würd' erstocken
Ihm in der Brust das Lied!
§esie Wurzeln.
(Aar einsam stand am niedern Garteuzaune
Ein zartes Pflänzchen, unbeschützt und frei;
Es schien, als ob es von des Wetters Laune
Erbarmungsvoll nur hier geduldet sei.
Doch sieh, als einst der Sturm den Platz verheerte
Und hundertjähr'ge Bäume spielend brach,
Fest saszen seine wurzeln in der Erde
Und gaben auch nicht im Geringsten nach.
Obgleich der Sturm es riß von allen Seiten,
vergebens war all seine grimme wuth;
Dem Pflänzchen könnt er nicht den Tod bereiten,
Es grünet freudig fort mit neuem Ututh.
Du Volk der Arbeit, hör des Pflänzchens Sage,
verzage nicht, wenn dich der Sturm umtost,
Und quäle nicht dein Herz mit banger Ulage,
Schau muthig auf zur FreiheitI Sei getrost!
Steh fest in Lieb und Treu zu allen Seiten,
Dann kommst zu deinem Siel du ganz gewiß,
Stellt gift'ger Feindeshaß dir Schwierigkeiten,
Ein froher wtuth nimmt jedes Hindermß.
wenn starker Wille und ein gut Gewissen
Die wurzeln sind, woran der Stamm sich hält,
wirst du durch keine Ulacht der Welt gerissen
von deinem Platz, wo du bist hingestellt. p. ®.
—Rekruten. E-—
In den deutschen Rekrutenlisten erhalten die
der sozialdemokratischen Gesinnung Verdächtigen
ein Kreuz vor dem Namen. (Blättermeldung.)
Willst schlug man ans Kreuz die Kämpfer für Recht,
Die streuten der Freiheit Samen:
Fetzt macht man, um sie zu zeichnen als schlecht,
Lin Kreuz nur vor ihren Kamen.
>• Handgreiflich.
Ob ich in der Gesellschaft gerne gesehen bin?
Na, Sie hätten nur sehen sollen, wie sich in der letzten Versammlung
die Leute um mich gerissen haben.
Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
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