1802 «
5m eigenen Netz gefangen.
Humoreske von SU. Kegel.
ab; da trat mit freundlichem
zu, der die ganze Szene mit an-
s war bald Mitternacht — aber in der Gallerie
Vittorio Emanuele zu Mailand herrschte noch ein
buntes, heiteres Leben. Der ganze herrliche Bau erstrahlte
in elektrischem Lichte; Hunderte von Spaziergängern promenirten auf und
ab, vor den Case's saßen plaudernde Gruppen, dazwischen eilten Zeitungs-
verkäufer, Blumenmädchen, sowie Kinder mit Wachszündkerzchen geschäftig
hin und her, ihre Waare ausbietend. Die Schaufenster der Läden waren
noch erleuchtet, und in der „Gambrinus-Halle", wo die Deutschen sich
ain Münchener Biere labten, spielte die Musik einen Wiener Walzer.
Durch das Gewoge der Menge schritt ein gut gekleideter, kräftiger,
noch junger Mann, dessen offene, Vertrauen erweckende Züge gegenwärtig
durch eine Wolke des Unmuths verdüstert waren.
Er warf einen Blick hinter sich, plötzlich drehte er sich um, that einen
raschen Schritt und stieß dabei mit einem schmächtigen, schwarzhaarigen
und schwarzgekleideten Herrn zusammen, der ihm auf dem Fuße ge-
folgt war.
Der Schwarze wollte sich mit einer Entschuldigung zurückziehen, aber
der Andere rief laut und heftig:
„Halt, mein Herr, so ent-
schlüpfen Sie mir nicht; ich
möchte endlich wissen, warum
Sie mir seit mehreren Tagen
auf Schritt und Tritt nach-
schleichen."
Dabei faßte er den Schwar-
zen am Arme und sah ihm zornig
ins Gesicht.
Dieser erschrak sichtlich, ver-
suchte aber, eine unschuldige
Miene zu zeigen und äußerte
auf italienisch, daß er das
Gesagte nicht verstehe. Aber
der Deutsche ließ sich nicht irre
machen.
„Flausen!" rief er. „Wenn
Sie nur noch einmal nach-
spioniren, schlage ich Ihnen die
Knochen entzwei. Merken Sie
sich das!"
Damit stieß er den Ange-
redeten von sich; derselbe mur-
melte noch einige italienische Worte,
wobei er sich davon machte; aber
der wüthende Blick, den er zurück-
warf, ließ darauf schließen, daß
er die ihm zugeschleuderten Worte
recht gut verstanden hatte.
Der Deutsche — ein In-
genieur aus Berlin Namens
Hermann Groß — wandte sich
Gruße ein junger Mann aus ihn
gesehen hatte.
„Sie hatten einen Zusammenstoß? verinuthlich war der Kerl
ein Taschendieb?" fragte er lebhaft.
„Guten Abend, Francesko!" erwiderte Groß, dem Ankömmling
die Hand reichend, und erzählte sodann, während Beide sich an einem
Tische der Gambrinus-Bierhalle niederließen: „Ein Taschendieb war
es wohl nicht, ganz wahrscheinlich aber etwas Schlechteres, nämlich
ein Spitzel. Ich glaube seine Galgen-Physiognomie schon wiederholt
in Berlin gesehen zu haben; bestimmt weiß ich, daß er in Zürich
meine Nähe suchte, als ich mich dort während niemer Reise von
Berlin nach Mailand einige Tage aufhielt. In Lugano wohnte er
sogar im gleichen Hotel mit mir und kaum in Mailand angekommen,
fand ich ihn wieder auf meiner Fährte."
Francesko, ein Schauspieler des Alhambra-Theaters in Mailand,
welcher früher bei einem größeren Aufenthalt in Berlin mit Groß bekannt
geworden war, schüttelte verwundert den Kopf.
„Also ein Polizeispion! Was kann er von Ihnen wollen?"
Groß zuckte die Achseln. „Es ist hinreichend bekannt", sagte er,
„daß ich Sozialdemokrat bin und einen Vertrauensposten in der Partei
bekleidete. Da wittert nun vielleicht irgend ein Polizei-Genie in meiner
simplen Geschäftsreise nach den: Auslande internationale Verschwörer-
zwecke und läßt mich beobachten."
„Köstlicher Spaß", lachte Francesko, fügte aber nach einer Weile
ernster hinzu: „Wie ich den Burschen, den Sie so kräftig abschüttelten,
erblickte, kam er mir im ersten Moment merkivürdig bekannt vor; er
erinnerte mich an eine Gannergeschichte, die vor drei Jahren hier gespielt
hat. Ein mir besteundeter Juwelenhändler in der Via Torino wurde
damals von seinem deutschen Hausdiener erheblich bestohlen und der Dieb
verschwand spurlos. An diesen Verschwundenen, den ich sehr wohl kannte,
erinnerte mich die Gestalt Ihres Spitzels. Allerdings hatte jener Spitz-
bube rothe Haare und einen rothen Bart, ich er-
innere mich auch, daß er eine charakteristische Narbe
auf der Stirn hatte; das stimmt nicht zu dem schwarzen
Wollkopf und dein schwarzen Bart des Individuums
von heute Abend."
„Haare kann man färben", bemerkte der deutsche
Ingenieur.
„In der That", ries Francesko. „Jedenfalls will ich
mir den Burschen einmal bei Tage betrachten. Hoffent-
lich wird er Ihnen morgen wieder nachschleichen?"
„E permeaso?“ fragte alsbald der Spitzel.
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