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1826

Hundert und einmal krachk es los:
Ein Prinzlrin ward geboren!

Ma:: lhuk es Kund der Welk und schoß
Aus viel Kanonenrohren.

Es kommen mit grwichl'grm Schrill
Minister viel und Schranken,

Und aus dem Schloß in scharfem Rill
Sxrrngrn die Ordonnanzen.

Aivei Vrinjrn. s^c.

Und überall kündel's der Drahl:

Bein Dorf liegl so verloren,

Das morgen nicht die Meldung hak:

Ein Prinzlrin ward geboren! —

Und weil ab von dem Königsschloß,
Ganz vor der Skadk, da drunlrn —

Liegl in der Kammer rin Weib, im Schooß
Ein Knablrin von drei Stunden.

Der Mann ist lodt! Sir beide sind
Der Rest von großem Glücke.

Sie beugt sich ob dem stillen Kind,

Und sieht's mil nassem Blicke.

Ein langer Kuß, rin Work, ganz klein:
„Mein Prinz!" — dann sinkt sie nieder.
Es liegt vom allen Glück ein Schein

Um dir grschloss'nen Lider. —

Nun sprich, wer größ're Lieb' genoß, Das Prinzlrin in dem Königsschloß —

Und wer stilll größeren Jammer: Das Prinzlrin in der Kammer?

--_

-s- Der Traum eines sterbenden Vroletars.

von w. Braunsdorf.

-9urch den dichten Wald schritt ein Mann, eng in seinen zerfetzten
Rock gehüllt, denn ein böser, schneidender Wind blies um ihn her
und bis in sein kraftloses Mark. Müde und stumpf schleppte er sich
durch die Finsterniß und kämpfte mit der Macht des Unwetters, die
ihn umtobte. Fast schien es, als wollte er dieser Macht erliegen, doch
immer von Neuein beschleunigte er
seinen Schritt und spannte die erlah-
menden Kräfte zu neuer Anstrengung
an. Schaurig war's in: Walde, tiefe
Dunkelheit deckte die Stämme, nur
das unheimliche Heulen des Sturmes,
der in den Kronen der mächtigen
Baumriesen toste, und das Krachen
stürzender Aeste war vernehmbar.

Wohin wollte der Mann? Wo
lag das Ziel seiner Wanderung?

Er hätte schwerlich eine Antwort
darauf geben können. Er strebte eben
weiter, ohne selbst zu wissen, wohin.

Seit Wochen, Monaten durchirrte
er arbeitslos die Welt, die ihm der
goldene Jugendtraum einst so schön
und herrlich ausgemalt. Tag um Tag
schleppte er sich von einem Ort zum
anderen, von Werkstatt zu Werkstatt
— umsonst — nichts zu thun, alles
besetzt! Sein Magen war leer, sein
Muth gebrochen, die Lebenskraft im
Versiegen.

Hatte er kein Heim? Einstmals,
als er noch ein froher Knabe war!

Doch das war lange her. Jetzt stand
er allein in der Welt, ohne Freunde

und Verwandte, sein Weib war ihm früh gestorben, auch seine Kinder.
Nun war er ein Heimathloser, ohne Obdach und Brot.

Mühsam tappte der einsame Wandersmann weiter auf ungebahnten
Pfaden, strauchelte über Steine und Wurzeln, raffte sich ächzend auf
und wankte wieder weiter. Er war müde, müde, und doch gönnte er
sich keine Rast; er mußte vorwärts, als triebe ihn eine dämonische
Macht, der nicht zu entrinnen sei.

Die Kälte drang ihm durchs Gebein, die Glieder wurden starr.
Plötzlich blieb er stehe::. Nein, weiter trugen ihn die Füße nicht mehr,
nun mußte er ruhen. Auf einen Baumstumpf setzte er sich, kraftlos,
willenlos schlossen sich die Lider zum Schlaf. —

Ein Helles Licht strahlte vor ihm auf, das ihn blendete, aber eben
so schnell wieder erlosch, nur ein fahler Dämmerschein blieb zurück.
Vor sich sah er einen weiten Platz, erfüllt mit seltsamen Gestalten,
die auf blutdurchtränktem Boden kauerten. Ueber ihnen schwirrten
mit Kreischen und heiserem Krächzen dunkle, unheimliche Wesen durch
die Luft.

Mit athemlosem Staunen schaute der müde Wanderer auf diese
Erscheinung.

Rings im Kreise saßen Männer in schattenhaften Gewändern. Unter
dunklen Kopfhüllen blickten bleiche Gesichter hervor. Finster brütend und
feindselig waren die Einen, kalt, hart, stolz und unnahbar die Anderen.

Plötzlich fühlte sich der Wanderer
an der Hand ergriffen; es war eine
Hand, die seltsam berührte, als er sie
in der seinen fühlte. Als er aufblickte,
stand eine lichte Gestalt vor ihm. Die
Gestalt winkte ihm schweigend zu und
deutete mit der ausgestreckten Rechten
auf den Kreis der Männer.

„Wer bist Du?" fragte der Wan-
derer, weniger erschrocken über diese
neue Erscheinung, als neugierig.

„Ich bin die Wissende!" sagte die
Gestalt geheinmißvoll.

„Und wer sind diese Männer?"
„Komm, frag' sie selbst, wer sie
sind, was sie gedacht und getrieben."

Der Wanderer stand auf, diesmal
so leicht und frei, wie noch nie zuvor,
und folgte der voranschwebenden Gestalt.

Ohne Furcht und Zagen schritt er
auf den Kreis zu und blieb vor einen:
stolz einherblickenden Manne stehen,
dessen Haupt mit einem blinkenden
Reif geziert war.

„Wer bist Du?" fragte der Wan-
derer.

Düster und starren Blicks antwor-
tete der Mann:

„Ein mächtiger Herrscher war ich einst, den: weite Länder und
Millionen von Menschen schweigend gehorchen mußten. Sie lagen vor
mir auf den Knieen, sie küßten mir die Hände und lobten meine Weis-
heit und Güte. Keiner wagte es, Ja zu sagen, wenn ich Rein sagte,
oder Rein, wenn ich Ja sagte. Was ich wünschte, geschah, was ich
befahl, wurde ausgeführt, wem ich gnädig war, der lebte, und wen ich ver-
folgte, der ging unter. Ein Wink von mir, dann war Krieg und Tausende
mußten ihr Blut fließen lassen, auf einen Wink von mir war Frieden und
die Menschen jubelten dann und priesen mich mit Lobgesängen und Dank-
gebeten. O, es war doch ein schönes Leben, das ich nun nimmer genießen
darf", schloß er mit einen: Seufzer, „denn der Tod rief mich ab."

Der Wanderer sagte nichts.

„Komm", flüsterte die Führerin und an ihrer leitenden Hand trat
der Wanderer zu einem Zweiten.

„Wer bist Du? Auch ein Fürst?"

„Auch ich war ein mächtiger Herrscher; unermeßlich war mein Reich
und mein Volk zählte nach Millionen. Ich tyrannisirte meine Unter-

Aus einen Baumstumpf setzte er sich, kraftlos willenlos, schlossen sich
die Lider zum Schlaf.
 
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