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1846

ZrmHt, c5 naft der lichte Zag!

lcht auf, es nahet gen den Tag!

So rief vor manchen langen Jahren
Tin Herold einst dem Volke ?u.

Tin Areiheitsruf, ein -Losungswort
Zum Kampf gen alte Tyrannei;

Der Römler Macht sollt' untergehn
Und frei und glücklich draus erstehn
Das Veich des reinen Äottesworts.
Aufhorcht das Volk der frohen Kunde,
begeistert folgt's dem Kampfesruf,

Die alten Nesseln sucht's )u brechen,

Den Nreiheitstag hofft es schon nah!

Doch steh, da es stch selbst befrei'«,

Sich selbst sein Ttuck erringen wollt',

Da sah es schnöde stch genarrt.

Verrathen hilflos seinen Herrn.

And neue Aeffeln schmiedet man,

Des Volkes Urkraft nt erdrücken,

Und wieder brach die Vacht herein

Und Dunkel herrscht ob allem Land.

Verfrüht war jener Morgenruf,

Das Nreiheitshoffen unerfüllt.

Und wieder nun erschallt der Ruf:

Ärwacht, es naht der lichte Tag!

Zum Kampf, ?um Sieg, Min lehten Katnpf
Des Lichtes wider Ninsterniß!

Doch nicht mehr folget fremdem Vann
Des Volkes selbstbewußte Kraft,

Kein Vriesterwort verlockt es mehr,

Es schaart ums eig'nc Vanner stch
Und folgt dein selbstgcwählten Vfad;

Ruf keine fremde Hilfe bauend,

Vach oben nicht, nach vorwärts nur
Den kühnen Vlick gerichtet.

So schreite vorwärts unentwegt,

Nolg' treu und muthig Deinem Vanner,

Dann stnkt ins Nichts die Macht der Vacht,
Dann naht der lichte Tag! ®.

Zuversicht.

Frei nach einem schwedischen Liede.

Es sang ein Vogel im Lindenzweig.

Lin kleiner Vogel, an Liedern reich.

Wohl über die nächtliche Halde:

„Wann naht dein Leuchten, du Morgenlicht?
Dich ruft mein Lied, und noch steigst du nicht
Lmpor hinterm dämmernden Walde."

Da naht ein Krühwind von Vsten her —

Da rauscht es ferne wie Ltrom und Wehr;
Ls wallen die Nebelschleier.

Aufflammt der Himmel, die weite Welt.

Im goldnen Lichte glüht Wald und Feld,

In jubelnder Morgenfeier.-.—

Du starkes Hoffen, drum sei getrost:

Sb auch der Rachtsturm uns noch umtost —
Ls muß doch Morgen werden!

Aach dem wir rufen aus Roth und Zchmach.
Ls naht im Krühroth der junge Tag,

Der Kreiheitsmorgen der Lrden. y—r>.

Wie verkaufte Seele.

Line Ltreikgeschichte von Leteruin Lenses.

„Ach was! Dummes Zeug!" murmelte der
Schriftsetzer Fritz Herkner, als er, halb geschoben
und getragen von der fest ineinander gekeilten
Menge, unter mancherlei Püffen und Ellbogcn-
stößen endlich die Ausgangsthür der „Drei Mohren"
erreicht hatte und tief Athcm holend ins Freie
trat. Mitten in der Straße blieb er einen Augen-
blick stehen, strich sich, den Hut lüftend, mit allen
fünf Fingern durch das wellige Haar und warf
einen letzten, halb ängstlichen, halb verächtlichen
Blick auf die sich drängenden und stauenden
Mcnschenmassen, die heftig durcheinander sprechend
das Trottoir und die Straße überschwemmten.

„Und wenn sie Alle streiken, ich mach' nicht
mit", knurrte er ingrimmig. „Ich Hab' mein
gutes Auskommen. Was gehen mich die Anderen
an?" Und hastig schritt er seiner Wohnung zu.

Im dritten Stock war noch Licht. Seine Frau
erwartete ihn also. Richtig! Sie stand unter der
Saalthüre, das blonde Köpfchen an den Pfosten
gelehnt. Sie hatte seinen Schritt auf der Treppe
erkannt.

„Nun, was giebt's?" sagte sie, ihm beide
Hände entgegenstreckeud. „Was habt Ihr so lange
zu thun gehabt?"

„Der Streik ist beschlossen", erwiderte er
mürrisch. „Morgen schon stehen die meisten
Buden leer."

»Ihr streikt?" rief das junge Weib erschrocken.
„Du auch?"

„Unsinn! Was fällt Dir ein? Habe gewiß
nichts Gescheidtcres zu thun, als zu bummeln.
Doch ich bin müde! Wecke mich morgen, daß ich
es nicht verschlafe! Ihnen zum Trotz will ich
morgen bei Zeiten am Kasten stehen."

Und höhnisch lachend ging er in die Kauimer.

Die junge Frau sah ihm verwundert nach.
Zum ersten Male seit ihrer erst halbjährigen Ehe
hatte er den Gute-Nacht-Knß vergessen.

Als sie eine Viertelstunde später ebenfalls ihr
Lager aufsuchte, redete er laut im Schlaf. Was
er wohl träumen mochte?

Er stand mitten atif bem Königsplatz zwischen
einem kreischenden Karoussel und einer lärmen-
den Schaubude, in der eine Negerbande ihre
wunderlichen Kriegstänze zum Besten gab. Sonder-
bar! Er war doch schon zweimal auf der Messe
gewesen. Aber den kleinen Stand in der Mitte
hatte er noch nicht bemerkt.

Ein altes, kahlköpfiges Männchen mit ver-
runzeltem Gesicht hinkte hinter der leeren Auslage
auf und ab und schrie mit hüstelnder Stimme
in einem fort die seltsamen Worte: „Hier werden
getragene Seelen gekauft — Stück für Stück
fünfzig Mark. Immer heran, meine Herrschaften!
Fünfzig Mark pro Stück! Fünfzig Mark für eine
lumpige, unsichtbare Menschenseele!"

Fritz Herkner lief es eiskalt über den Rücken.
Er wollte sich eben abwenden, als er den stechen-

den Blick des hinkenden Männchens plötzlich auf
sich gerichtet sah. Warum starrte der Kleine ihn
so an? Unwillkürlich folgte er mit seinen Augen
dem lauernden Blick, der langsam über Gesicht
und Hals seines Gegenüber hinabgleitend, jetzt
wie festgebannt auf dem zweitobcrsten Knopf auf
der linken Brustseite seines doppelreihigen Rockes
haften blieb. Fritz fühlte einen stechenden Schmerz
in der Herzgegend. Er wollte fliehen. Aber seine
Füße waren schwer wie Blei. Und zugleich fing
der Alte in der Bretterbude zu hüsteln an, ein-,
zwei-, dreimal hintereinander, in kurzen, trockenen
Stößen. Und siehe da! Bei jedeui Hüsteln des
Kleinen machte Fritz einen Schritt vorwärts und
stand nun dicht vor dem leeren Stand.

„Hier, mein Lieber! Fünfzig blanke Reichs-
mark! Ein wahres Sündengeld für eine uner-
fahrene füufundzwanzigjährige Seele. Sechzehn
Thaler und zwei Mark! Greifen Sie zu, junges
Herrchen! Glück mutz man haben, Sie Sonntags-
kind!" kicherte der Hinkende und zählte dem jungen
Mann das Geld in die Hand.

„Meinetwegen!" lachte Fritz, den der seltsame
Handel auf einmal belustigte. „Aber wie wollen
Sie mir meine Seele nehmen?"

„Hab'sie schon! Hab'sie schon!" kicherte der
Alte und deutete auf eine große Truhe in der
Ecke hinter ihm. „Liegt schon in meinem Akkumu-
lator. Sie verstehen doch? Der elektrische Akkumu-
lator, der die heutige Staatsmaschine im Gang
erhält! Verbraucht viele gekaufte Seelen — viele
gekaufte Seelen! Sonst steht die Maschine still!
Ja, wenn mein Akkumulator nicht wäre! Was
würden da die Herren in Berlin und Dresden
für Augen machen!"

Fritz sah auf die Uhr. „Donnerwetter! Gleich
halb zwei. Da muß ich machen, daß ich in die
Bude komme." Und lachend steckte er das Geld
in die Hosentasche und eilte, mit den Thalern
lustig klimpernd, die Straße hinunter in die
Druckerei. Als er den Setzersaal betrat, standen
seine Kollegen leise tuschelnd in den Gängen.

„Ah! Du bist's, Fritze", lachte der alte Milbe,
der beim Oeffnen der Thür nach seinem Setzer-
 
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