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1904

---4L» Aus Sein schlesischen Gebirge. ^

von Ferdinand Kreiligrath.

un werden grün die
Brombeerhecken;
Hierschon einveilchen
— welch' ein Fest!
Die Amsel sucht sich dürre
Stecken,

Und auch der Buchfink baut
sein Nest.

Der Schnee ist überall gewichen,

Die Noppe nur sieht weist ins Thal;

Ich habe mich von Baus geschlichen,

Hier ist der Ort ich wag's einmal:

Rübezahl!

„Hört' er's? ich seh' ihm dreist entgegen!

Er ist nicht bös! Auf diesen Block
will ich mein Leinwandpäckchen legen —

Es ist ein richt'ges volles Schock!

Und fein! Ja, dafür kann ich stehen!

Nein beff'res wird gewebt im Thal —

Er lässt sich immer noch nicht sehen!

Drum frischen Muthes noch einmal:

Rübezahl!

„Nein Laut! — Ich bin ins Holz gegangen,
Dast er uns hilft in unsrer Noth!

O, meiner Mutter blasse Wangen —

Im ganzen Haus kein Stückchen Brot!

Der Vater schritt zu Markt mit Fluchen —
Fänd' er auch Näufer nur einmal!

Ich will's mit Rübezahl versuchen —
wo bleibt er nur? Zum drittenmal:

Rübezahl!

„Er half so vielen schon vor Zeiten —
Trostmuttcr hat mir'? oft erzählt I

„wenn dieses Päckchen ihm gefiele,
vielleicht gar bät' er mehr sich aus!
Das wär'mir recht! Ach, gar zu viele
Gleich schöne liegen noch zu Haus!

Die nähm' er alle bis zum letzten!

Ach, fiel'auf dies doch feine Wahl!

Da löst' ich ein selbst die versetzten —

Das wär' ein Jubel! Rübezahl!

Rübezahl!

„Dann trat’ ich froh ins kleine Zimnier,

Und riefe: Vater, Geld genug!

Dann flucht' er nicht, dann sagt' er nimmer:
Ich web' euch nur ein Hungertuch!

Dann lächelte die Mutter wieder,

Und tischt'uns auf ein reichlich Mahl;

Dann jauchzten meine kleinen Brüder —

0 käm', o käm' erI Rübezahl!

Rübezahl!"

So rief der dreizehnjähr'ge Nnabe;

So stand und rief er, matt und bleich.
Umsonst! Nur dann und wann ein Rabe
Flog durch des Gnomen altes Reich.

So stand und Passt' er Stund' auf Stunde,

Bis dast es dunkel ward im Thal,

Und er halblaut mit zuckendem Munde
Ausricf durch Thränen noch einmal:

Rübezahl!

Dann liest er still das buschige Fleckchen,

Und zitterte, und sagte: fju!

Und schritt mit seinem Leinwandpäckchen
Dem Jammer seiner Hcimath zu.

Oft ruht' er aus auf moos'gen Steinen,

Matt von der Bürde, die er trug.

Ich glaub', sein Vater webt dem Uleinen
Zum junger- bald das Leichentuch!

— Rübezahl?

Ja, er ist gut den armen Leuten,

Die unverschuldet Elend quält!

So bin ich froh denn hergelaufen
Mit meiner richt'gen Ellenzahl!

Ich will nicht betteln, will verkaufen!
O, dast er käme! Rübezahl!

Rübezahl!
 
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