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— 1910

->v-> Sang an Bisnrarck.

(Zum April.)

itf Weg und Stegen liebt daher der Schwall
Mit der Trompeten und Rosauncn Schalt,
Mit Lobgesängen und mit Böllerknall —

Die Thräne rinnt und die Rakete knattert.

Sie fchaun sich nicht an ihrem Bevor satt,

Sie rufen Burrah! bis sie sterbensmatt.

Da liemt sich's wohl, daß auch von uns ein Blatt
In seine „tannengrüne Stille" flattert.

Bei seinem Gruße sind sie hochenhückt;

Wenn er die Rechte ihrem Sprecher drückt,

Wird, wo nicht ganz, doch sicher halb verrückt
Der bunte Troß der Kahenbuckelmacher.

Wir haßen keinen Grund, uns ihm iu nahn;

Uns ist ein Äkel der Rerhimmlungswahn,

Wir sehn auch heut' in ihm, was stets wir sahn:
Der Freiheit größten, grimmsten Widersacher!

In dieser Wallfahrt plärrendes Gewühl,

In diese Inbrunst schaun wir freind und kühl
And unberührt von all' dem Hochgefühl,

Das sich befeuert durch den Saft der Reben.

Äs schreckte nie uns seines Auges Brand,

Wenn er als Feind uns gegenüberstand;

Jetzt widert uns die welke Kreisenhand,

Denn Blut und Schmutz scheint uns an ihr )ü kleben.

Äs legt der feiste Spießer ohne Barm
In den des Junkers traulich seinen Arm;

Äs ist ein wunderlich gemischter Schwarm —

Doch wisten sie im Grunde, was sie wollen.

Är war der Wann, der trotzig sie vertrat,

Sie und sich selber mit, in Wort und That,

Und ihm wie ihnen galt als Bochverrath
Der Masten dumpfes, unterdrücktes Grollen.

Daß ihm, wie ihnen, dieses Volk verhaßt,

Von desten Mark so lange sie gepraßt,

Das war's, weswegen sie sein Bild umfaßt,

Das Bild von Är), das ihr Idol geworden.

Rie lag in derbern Fäusten die Gewalt;

Sie traun ihm )u und sei er noch so alt,

Auch herite noch entschlossen, fest und kalt
Den Rest von Freiheit, der uns blieb, ?it morden.

Das ist's, weswegen wie nach Mekkas Schrein,

Aach Friedrichsruh sie pilgern im Vereiir,

Um laut nach seiner Wiederkehr M schrcin,

Als könnt' er stehen aus dem Schlamm den Karren.
Wir überlasten Bismarcks Ährentag
Den: Troß, der ständig ihm )u Füßen lag
Und Allem, was ihn sonst noch feiern mag,

Den ganzen — Bellen und den halben Narren.

Muth und bübe.

Äie Lonne sank, es steigt und schwillt die Fluth
stets höher auf dem Meer

Und drohend wälzt sich hin zum Ltrand der
Wogen ungezähltes tzeer;

Der Fischer, der in seinem Retz noch eben reiche
Beute fand.

Lr strebt mit seinem schwanken Boot jetzt eilig
an das feste Land.

Da braust und rauscht und stöhnt und schnaubt
es grimm und dräuend hinter ihm,

Da schießt durch wilder Wogen Lchwall einher
ein schwarzes Ungethüm;

Ls spritzt empor hoch in die Luft voll Ueber-
muth den Wasserstrahl

Und naht dem kleinen Fischerboot jetzt ganz
gefährlich sich der Wal.

Nit schwerer Ladung schwankt das Boot in
ungestümer Wogen Braus,

Ls theilt der Wal mit seinem Lchwanz ver-
derbenbringend Lchläge aus;

Bald trifft ein Lchlag das kleine Boot und seine
Trümmer schlingt das Meer —

V wenn der arme Mischer doch gerettet schon
am Lande war'!

Ls treibt das Meeresungethüm am Ltrande
mit der hohen Fluth,

Und manch ein Boot zertrümmert es in seiner
ungerechten Wuth.

Da weicht die Rächt, es trifft das Neer ein
goldner Morgensonnenblick,

Und all die Wasser rauschen jetzt zur Lbbezeit
ins Meer zurück.

Ls schießt mit Brausen hin und her der Wal
noch immer an dem Ltrand —

Lieh, da gerieth mit einem Mal er tief in
weichen Dünensand,

Da liegt er jetzt und kann sich nicht befrei'n
mit aller seiner Wuth,

Der Ltrand wird trocken und herab schon rinnt
sein Llement, die Fluth.

Da hebt sich bald vom Dorfe her unbändig ein
Triumphgeschrei,

Nit Ltangen und mit Ulessern eilt die Fischer-
jugend jetzt herbei,

Ls wird zum Uinderspott der Wal, der eben
noch der Lchreck der Nacht,

Und eh' die Fluth ihm wiederkehrt, ist längst
ihm der Garaus gemacht. —

Ihr Freunde, wenn die Reaktion auch noch so
hoch thürmt ihre Fluth,

Und wenn es noch so stürmt und braust, be-
haltet nur den festen Nuth,

Und wenn auch manch ein Ungethüin euch an-
schnaubt, wild von Wuth entbrannt.

Die Lbbe kommt, die Fluth verläuft, und sieh,
da liegt es auf dem Land!

Die WallfaZrt zum Zeitigen Bismarck.

Der erste April, der seit alten Zeiten der Fest-
tag der Narren gewesen, er bringt sich uns auch
Heuer in freundliche Erinnerung. Er zeigt uns
die große Wallfahrt der Bismarckanbeter, die nach
Friedrichsruhe ziehen, um die alte, wurmstichige,
aber noch immer nicht gänzlich verkrachte Raketen-
kiste feierlich zu bekränzen.

Wir sehen, die Tugend der Dankbarkeit ist noch
nicht ausgestorbc», denn wer jemals das Glück
hatte, einen gnädigen Fußtritt von dem großen
Kürassierstiefel zu empfangen, der wird sicher im
Wallfahrerzuge nicht fehlen.

Da sind vor Allen die Nattonalliberalen!
Seit sie von Bismarck an die Wand gedrückt
wurden, „daß sie quietschten", hören wir sie immer
in derselben Tonart das Lied vom „großen Kanz-

ler", „Heros des Jahrhunderts" in s. w. ableiern.
Dem uationalliberalen Gemüth ist Knechtscligkeit
die höchste Seligkeit.

Auch die Junker fehlen nicht im Zuge, denn
sie sehen in Bismarck einen der Ihrigen. Er
brennt Schnaps, holzt Wälder ab, handelt mit
Getreide, spekulirte mit Glück bei Bleichröder und
scheute sich nicht, Liebesgaben anzrinehmen. Nach
und nach brachte er es dabei zum Grafen, zum
„Fürsten", ja sogar zum wirklichen geheimen
Herzog von Lauenburg. Ein unvergängliches Vor-
bild für junkerliche Streber jeder Sorte!

' Mit Begeisterung wallfahrten die Antisemiten
nach Friedrichsruhe, und sie thun recht daran,
denn ohne Bismarck wäre das öffentliche Leben
in Deutschland nie so versumpft worden, daß eine
derartige Giftpflanze ihren Nährboden gefunden
Hütte. Natürlich fehlt auch das Federvieh nicht,
Journalisten aller bürgerlichen Parteien, welche
sich für die Strafantragsformulare bedanken wollen,
nrit denen Bismarck so freigebig war gegen alle,
die sich nicht beim Anblick seiner drei Haare sofort
anbetend in den Straßenkoth warfen.

Sie Alle feiern das große Ereigniß, das uns an
einem ersten April vor achtzig Jahren widerfuhr.

Und in der That, was wäre aus Deutschland
geworden, wenn der Storch dieses Kindlein in dem
pommerischen Unkenteiche liegen gelassen hätte und
wir nichts von einem Bismarck wüßten?

Man nennt Bismarck den Gründer der deut-
schen Einheit. Das ist zwar nicht richtig, denn
er ist nur der Verpfuscher der deutschen Einheit,
aber immerhin ist auch das Verpfuschen einer
solchen großen Sache eine ganz respektable Leistung.

Wäre Bismarck nicht gewesen, so hätte der
Schulmeister bei Königgrätz nicht siegen und die
Oesterreicher aus Deutschland nicht hinausge-
drängelt werden können. Die Kasselaner hätten
ihren Kurfürsten und der Nassauer seine theuren
Weine behalten müssen. Auch Georg von Hannover
hätte sein großes Portemonnaie behalfen. Das
 
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