— 1926
Am iniltkerkchm Buse» ruht der Nnaöe.
wie sie ft zärtlich ihn iiebkosi und herzt,
Den hungernden erquickt niit sicher sinke,
Ihm hisse dnrkeut, wenn ei» sieid ihn schmerzt,
Und ihm zuwendct jede gute Gabe,
Oer sest sich nn sie schmiegt nnd sucht und scherzt.
In ihrer Cöhut snhtt er sich geborgen.
wie leuchtet ih»l ft schön des Lebens Morgen!
Bald bist du groß, o Bind, und stehst »sscine,
von Feinden und Gesahren rings bedroht;
Auch Freunden schmuchtesi du und sindcst keine,
hur! ringst und kämpfst du um dein tugsich Brot.
Es bietet dir die West nur Dornen, Meine,
Und säht versinken dich in bittre Noch.
Die Sorge dich umflattert und der Nummer
Und schteiche» sich sogar in deinen Schlummer.
Der neue Gott.
®, ich begreife wohs der Menschen Sehnen
Auch einer Gottheit ükcrird'scher Macht,
Die gütig, huldvoll, trocknet ihre Thronen,
Stitst ihre wünsche, über ihnen wacht.
Einwiegend sich in seesenschmeichetnd Wuhnen,
Erhellten dürftig sie der Seiten Bucht.
Die Phantasie schuf ihnen viele Götter
Als Spender, Schützer, Helfer und Erretter.
welch' eine Fülle bunter Illusionen!
vom plumpen Fetisch, roh aus Holz geschnitzt,
Bis zn den Äsen, die aus Bergen wohnen,
Bis zum Clgmpier, der donnert, blitzt,
Bis zn Iehovuh, der auf wolkenthronen
Führt durch die Lüfte und fein Volk beschützt,
Und bis zu seinem Sohne, votier Güte,
Der Gottlcgcnde reinste, schönste Bluthe.
„Die alten Götter verschwinden und der neue Gott
ist der Sozialismus, dem die Zukunft gehört."
Liebknecht im Reichstag, 7. Juli 1893.
Doch Wahn ist Bebel; Bebel muß zerslicsicn
Im Hellen Schein des Morgenftnnensichts.
Die Sonne Wahrheit ließ den Geist erschließen
Das große Büthsel des Buturgcdichts.
Die Sagen von den Höllen, Paradiese»,
von Göttern, Teufeln, rannen in ein Nichts. -
So war' auf ewig den» der Mensch dein blinden
Zufall ei» Spielzeug, wie das Bohr de» winde»?
(D nein; denn einst zum großen Bruderbünde
vereint die menschliche Gesellschaft ist.
Sie sorgt für Iedcn, heilet seine Wunde,
Gewahrt freigebig ihm, was er vermißt;
Gleich einer Mutter, die zu jeder Stunde
Fürsorgend ihres Sprüßlings nie vergißt. —
Der Soziasismus wird die Welt befreie»
Und Friede herrscht dann in der Menschheit Beihen.
Der Wanderer.
Träumerei in der Walpurgisnacht.
oldnes Gewölk hing über den Höhen, die
zum letzten Male die Sonne mit einer
' Lichtfluth überschüttete, ehe sie zur Rüste
ging. Dann schob sich mälig das Dunkel des Abends über die Land-
schaft. Bald schimmerten die Säume des Horizonts in tiefem Roth,
zerspalteten sich und flatterten wie lose Bänder in buntem Zickzack über
das Firmament, um dann schnell zn verblassen rind zu verwehen.
Durch die schlanken Schäfte des Tannichts, das die Gipfel und
Hänge in ein immergrünes Gewand hüllte, rauschte der West und
schüttelte die zierlichen, dichten Nadeln. Mit kühnen Sätzen sprang ans
der Schlucht, die tief in die Felsbildung hineinging, der kry stallklare
Bach, der die Kiesel in seinem Bette glatt schliff und die gerundeten
murmelnd thalabwärts trug. Stumm stieg die Mondsichel am Horizont
empor, bläulich schimmcrtcn Höhen und Tiefen in seinem milden Glanze.
Nur der Abendstern, in kühler, majestätischer Ferne, erschien als einziger
Begleiter, scheu hielten sich die andern Gestirne verborgen.
Auf die Rispen der Gräser, auf die knospenden Kätzchen
der Kiefern und Tannen und Fichten rannen Millionen
und abermals Millionen blitzender Perlen, hingen und
schivebten an Halmen und Stämmen. Die zierlichen Ge-
bilde der Moose, die den Grund mit biegsamem Teppich
überspannten, waren übersäet mit Thau, den die holde
Frühlingsnacht über den Wald anSgegossen hatte.
Schlaftrunken fuhr hier und da ein Häher oder ein
Fink aus dein Gezweige auf und schlug im Traume ein,
zwei Töne an, die in der weichen Luft verklangen wie ein
letzter Gruß des Tages an die Nacht. Unten in dem
Thal, wo der Kirchthnrm des Dörfchens in die Lüfte stieg,
brauten die Nebel, hoben und senkten sich, schwebten auf-
wärts zu den Bergzackcn, an denen sie zerrissen, schlugen
ihre grauen Schleier um die Wipfel des Forsts, huschten
über die Wiese, bildeten einen Schattenreigen und zerstoben
in alle Winde.
Alls dein schmalen Saumpfad, der in die Niederung
führte, schritt ein Wanderer einher, jung und rüstig von
Gestalt, aber ermüdet von langer Reise. Er stützte sich fest
auf den Wandcrstab und spähte umher, als ob er eiir Ob-
dach suche, wo er rasten und ruhen könne. Den ganzen
Tag war er durch die Berge gezogen, auf schmalem, steinigem
Steg, vorbei an Wasserfällen und Klüften, mühsam war
die Fahrt und die Füße schmerzten. Nun hielt der Wanderer
an; denn der Weg war zu Ende, vor ihm gähnte die Tiefe. Eine
steile Felswand that sich vor ihm auf, jäh nach unten abfallend, ohne
Strauch, ohne Halt für den tastenden Fuß. Dicht wallen die Nebel,
versperren den Rückweg und lassen ihn nicht vorwärts. Der Jüngling
ist todtmüde, und die Lenznacht ist schön. Morgen wird er den Abstieg
finden, wenn die liebe Sonne und der junge Tag ihn freundlich geleiten.
Den Rucksack als Kopfkissen, die Bergwiese als Bett, den Himmel als
Decke; er, der wandernde Handwerksbursche, hat schon schlechter geruht.
Auf der Landstraße seit acht Wochen, eine harte Zeit. Doch nun, so
hofft er, wird er Arbeit finden, in der nächsten Stadt, die sich hinter
den Bergen geschäftig rührt. Ein Brief seiner Gewcrksgenossen, der
Schneider, mit denen er in festem Verbände zusammengeschlossen ist,
hat ihn dorthin gerufen. Morgen muß er dort sein, um mit ihnen
den ersten Mai zn feiern.
Ihn übermannt die Müdigkeit, und die Bäume rauschen ihm ein
Schlummerlied zn. Ruhig nnd tief athmet er, die Glieder lösen sich
Am iniltkerkchm Buse» ruht der Nnaöe.
wie sie ft zärtlich ihn iiebkosi und herzt,
Den hungernden erquickt niit sicher sinke,
Ihm hisse dnrkeut, wenn ei» sieid ihn schmerzt,
Und ihm zuwendct jede gute Gabe,
Oer sest sich nn sie schmiegt nnd sucht und scherzt.
In ihrer Cöhut snhtt er sich geborgen.
wie leuchtet ih»l ft schön des Lebens Morgen!
Bald bist du groß, o Bind, und stehst »sscine,
von Feinden und Gesahren rings bedroht;
Auch Freunden schmuchtesi du und sindcst keine,
hur! ringst und kämpfst du um dein tugsich Brot.
Es bietet dir die West nur Dornen, Meine,
Und säht versinken dich in bittre Noch.
Die Sorge dich umflattert und der Nummer
Und schteiche» sich sogar in deinen Schlummer.
Der neue Gott.
®, ich begreife wohs der Menschen Sehnen
Auch einer Gottheit ükcrird'scher Macht,
Die gütig, huldvoll, trocknet ihre Thronen,
Stitst ihre wünsche, über ihnen wacht.
Einwiegend sich in seesenschmeichetnd Wuhnen,
Erhellten dürftig sie der Seiten Bucht.
Die Phantasie schuf ihnen viele Götter
Als Spender, Schützer, Helfer und Erretter.
welch' eine Fülle bunter Illusionen!
vom plumpen Fetisch, roh aus Holz geschnitzt,
Bis zn den Äsen, die aus Bergen wohnen,
Bis zum Clgmpier, der donnert, blitzt,
Bis zn Iehovuh, der auf wolkenthronen
Führt durch die Lüfte und fein Volk beschützt,
Und bis zu seinem Sohne, votier Güte,
Der Gottlcgcnde reinste, schönste Bluthe.
„Die alten Götter verschwinden und der neue Gott
ist der Sozialismus, dem die Zukunft gehört."
Liebknecht im Reichstag, 7. Juli 1893.
Doch Wahn ist Bebel; Bebel muß zerslicsicn
Im Hellen Schein des Morgenftnnensichts.
Die Sonne Wahrheit ließ den Geist erschließen
Das große Büthsel des Buturgcdichts.
Die Sagen von den Höllen, Paradiese»,
von Göttern, Teufeln, rannen in ein Nichts. -
So war' auf ewig den» der Mensch dein blinden
Zufall ei» Spielzeug, wie das Bohr de» winde»?
(D nein; denn einst zum großen Bruderbünde
vereint die menschliche Gesellschaft ist.
Sie sorgt für Iedcn, heilet seine Wunde,
Gewahrt freigebig ihm, was er vermißt;
Gleich einer Mutter, die zu jeder Stunde
Fürsorgend ihres Sprüßlings nie vergißt. —
Der Soziasismus wird die Welt befreie»
Und Friede herrscht dann in der Menschheit Beihen.
Der Wanderer.
Träumerei in der Walpurgisnacht.
oldnes Gewölk hing über den Höhen, die
zum letzten Male die Sonne mit einer
' Lichtfluth überschüttete, ehe sie zur Rüste
ging. Dann schob sich mälig das Dunkel des Abends über die Land-
schaft. Bald schimmerten die Säume des Horizonts in tiefem Roth,
zerspalteten sich und flatterten wie lose Bänder in buntem Zickzack über
das Firmament, um dann schnell zn verblassen rind zu verwehen.
Durch die schlanken Schäfte des Tannichts, das die Gipfel und
Hänge in ein immergrünes Gewand hüllte, rauschte der West und
schüttelte die zierlichen, dichten Nadeln. Mit kühnen Sätzen sprang ans
der Schlucht, die tief in die Felsbildung hineinging, der kry stallklare
Bach, der die Kiesel in seinem Bette glatt schliff und die gerundeten
murmelnd thalabwärts trug. Stumm stieg die Mondsichel am Horizont
empor, bläulich schimmcrtcn Höhen und Tiefen in seinem milden Glanze.
Nur der Abendstern, in kühler, majestätischer Ferne, erschien als einziger
Begleiter, scheu hielten sich die andern Gestirne verborgen.
Auf die Rispen der Gräser, auf die knospenden Kätzchen
der Kiefern und Tannen und Fichten rannen Millionen
und abermals Millionen blitzender Perlen, hingen und
schivebten an Halmen und Stämmen. Die zierlichen Ge-
bilde der Moose, die den Grund mit biegsamem Teppich
überspannten, waren übersäet mit Thau, den die holde
Frühlingsnacht über den Wald anSgegossen hatte.
Schlaftrunken fuhr hier und da ein Häher oder ein
Fink aus dein Gezweige auf und schlug im Traume ein,
zwei Töne an, die in der weichen Luft verklangen wie ein
letzter Gruß des Tages an die Nacht. Unten in dem
Thal, wo der Kirchthnrm des Dörfchens in die Lüfte stieg,
brauten die Nebel, hoben und senkten sich, schwebten auf-
wärts zu den Bergzackcn, an denen sie zerrissen, schlugen
ihre grauen Schleier um die Wipfel des Forsts, huschten
über die Wiese, bildeten einen Schattenreigen und zerstoben
in alle Winde.
Alls dein schmalen Saumpfad, der in die Niederung
führte, schritt ein Wanderer einher, jung und rüstig von
Gestalt, aber ermüdet von langer Reise. Er stützte sich fest
auf den Wandcrstab und spähte umher, als ob er eiir Ob-
dach suche, wo er rasten und ruhen könne. Den ganzen
Tag war er durch die Berge gezogen, auf schmalem, steinigem
Steg, vorbei an Wasserfällen und Klüften, mühsam war
die Fahrt und die Füße schmerzten. Nun hielt der Wanderer
an; denn der Weg war zu Ende, vor ihm gähnte die Tiefe. Eine
steile Felswand that sich vor ihm auf, jäh nach unten abfallend, ohne
Strauch, ohne Halt für den tastenden Fuß. Dicht wallen die Nebel,
versperren den Rückweg und lassen ihn nicht vorwärts. Der Jüngling
ist todtmüde, und die Lenznacht ist schön. Morgen wird er den Abstieg
finden, wenn die liebe Sonne und der junge Tag ihn freundlich geleiten.
Den Rucksack als Kopfkissen, die Bergwiese als Bett, den Himmel als
Decke; er, der wandernde Handwerksbursche, hat schon schlechter geruht.
Auf der Landstraße seit acht Wochen, eine harte Zeit. Doch nun, so
hofft er, wird er Arbeit finden, in der nächsten Stadt, die sich hinter
den Bergen geschäftig rührt. Ein Brief seiner Gewcrksgenossen, der
Schneider, mit denen er in festem Verbände zusammengeschlossen ist,
hat ihn dorthin gerufen. Morgen muß er dort sein, um mit ihnen
den ersten Mai zn feiern.
Ihn übermannt die Müdigkeit, und die Bäume rauschen ihm ein
Schlummerlied zn. Ruhig nnd tief athmet er, die Glieder lösen sich