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1930

Auch ich tun glaumg.

M uch ich km gläubig, doch urein (Klaube
chal keinen Narnu iur Wunderschrein,
(Lr klebt an keiner Satzung Staube
And keine Kirche schließt ihn ein;

Är wühlt nicht in dem Schutt der Zeiten
And gräbt nicht in der Worte Sand,

(ör kann durchs rothe Weer nicht schreiten
And wandert in kein Fabelland.

Wein (Klaube ist nicht eine Krücke,

Woran die Lahmheit sich bewegt,

Mein (Klaube ist auch keine Vrücke,
Worüber Einfalt Lasten trägt;

Wein (Klaube ist kein Wegzeichen
Donr (Lrdenthal ins chimmets^elt,

Wein (Klaube will kein Schläfgift reichen
Für Leiden einer Knechtewelt.

Wein Glaube schürt der Liebe (öluthen
Noch in der Ichsucht kalteur öLaus
And sucht den (Edelstein des (Kuten
Selbst aus den Wenschentrümmern aus.

Wein (Klaube ist ein kühner Ritter,

Der furchtlos mit dem Äöfen sicht
And mit der Wahrheit Sturmgewitier
Die flohen Lügenburgen bricht.

Wein (Klaube ist des Fortschritts Rote;

(Lr fliegt voran im guten Streit
And pflanzt das Nanner auf, das rothe,

Des Wenfchcnthums der neuen Zeit;

Wein (Klaube ist der Freiheit Leuchte,

Die grell der Knechtschaft Nacht erhellt
And in die Kerker, öd und feuchte,

Den Labetrunk der Hoffnung stellt.

Wein (Klaube ruht auf Aelsengrunde
Vielhundertjähr'ger Wiflenschaft
And steht in treuem Bruderbünde
Wit Menschengeist und Weltenkraft.

Wein (Klaube wurzelt in der Erde

And rankt sich um der Menschheit Raum

And ist das fleischgewordne Werde

Der (Kottheit vom Ärkenntnißbaum. n. Seid-i. Zürich.

Das letzte Iahrfünf des Jahrhunderts.

Au Boden lag die Sklavenarbeit.

In Staub gesunken die alte Welt.

Gestürzt durch einen Hauch von Menschenliebe.
Der mit der frohen Botschaft vom Osten kam.
Aber den Hauch erstickte Betrug
Und Herrschsucht und Ligengier;

Und über die Menschheit brach herein
Mit Leibeigenarbeit, mit Frohnarbeit
Des Mittelalters grausige Nacht.

Tausend Jahre mährte die Nacht.

Da kam eine Runde vom Westen her.

Line neue Welt war aufgefunden.

Der Lrdball drehte sich zum ersten Mal
Im Bewußtsein der Menschen um die Lonne.
Wie wachten da die Geister auf!

Die Leibeigenen rüttelten ihre Retten.

Die Bauern standen auf im Verzweiflungskampf.
Runst und Wissen erblüheten neu.

Aber nieder sank eine neue Nacht,
illit Willkürherrschast. mit Menschengemetzel
Und doch mit dreifach beschleunigtem Schritt
Ging eine neue Zeit vorüber.

Dreihundert Jahre währte die Nacht.

Da erhob sich zur Freiheit die neue Welt.

Und im Westen der alten Welt
Stand ein gequältes Volk zum Sturme auf.
Und ihre Stadt voll Freiheitsliebe
Lrschlug die Willkür, rief aus die Losung:

Der Menschen Rechte!

Freiheit! Gleichheit! Brüderlichkeit!

Lin frischer Hauch wehte über die Völker,
Belebte die Länder. —

Aber der Hauch erstickte wieder:

Mammon trat auf.

Leine gierige Herrschaft begann.

Und mit der Maschine die Lohnarbeit.

Und Moloch leistet dem Mammon Hilfe.

Und abermals nahm eine neue Zeit

Mit dreifach beschleunigtem Lchritt ihren Lauf.

Linhundert Jahre wallten vorüber.

Da ward in der neuen Welt
Zu Boden geworfen die Lklavenarbeit
Der farbigen Menschen im blutigen Rampf.
Und siehe! Im Westen der alten Welt.

In derselben Ltadt voll Freiheitsliebe
Lrhob sich die unterste Lchicht der Menschheit
Und kämpfte den Verzweiflungskampf
Gegen Mammon und Moloch.

Seitdem rollt eine neue Zeit.

Mit dreifach beschleunigtem Schritt
Jetzt fliegt die Zeit. —

Das letzte Iahrfünf des Jahrhunderts!

Heut — hört ihr's nicht brausen?

Die Arbeitswelt steht auf.

Millionen Menschen beginnen zu rufen:
von dreifacher Gestalt der Rnechtschaft
Lrlöst. so wird die Menschheit frei!
vorbei die Sklaverei!

Die Frohnarbeit vorbei!

Die Lohnarbeit vorbei!

Lin gewaltiger Hauch erfaßt die Lrde
Und weckt der Menschheit Bewußtsein auf.

In der alten Welt, in der neuen Welt
Hörst du im Hauche den Schritt der Zeit.

Lin klirrendes vorwärts!

Wir schreiten mit Jauchzen vorwärts.

Und schwillt der Hauch zum Sturm. —

Wir segeln mit dem Sturm

Durch das letzte Iahrfünf des Jahrhunderts!

,, Leopold Iacoby.

Die Zeilen ändern sich.

A.: Was ist für ein Unterschied zwischen dem
Herzog von Wallenstein und dem Herzog von
Lauenburg.

58,: Der erstere fand seinen Schiller, der
zweite nicht.

31.: Auch gut. aber fehlgeschossen. Der Herzog
von Wallenstein fiel in Ungnade und wurde ab-
gemurkst, der von Lauenburg fiel in Ungnade
und wurde Herzog.

Der neue Kunstwart.

Wir sehn die Kunst in Decadence
Verfallen schnell und schneller,

Das macht: cs hat ihr was gefehlt,
Eie hatte Keinen Koller!

Der ööcrr von Kölker weiß allein,
Was aller Kunst von Nöthen,

SUT die Modernen wird er nun
Beschillern und begocthen.

«lrr zähmt der Dichtkunst Genius
Mit Bokizeiverboten,

Und führet auf der Tugend Bfad
Die Lebenden und Todten.

Ein Pechvogel.

Was auch geschieht im Deutschen Reich,

Das Eine bleibt sich immer gleich:

Der arme Bennigsen hat auf Erden
Stets weniger Aussicht Minister zu werden!

Umsturz.

Umsturz von Oben — große That!
Umsturz von Unten — Hochverrath!

Ein neues Arbeiterlied.

In frommen Vereinen wird ein neues Arbeiter-
lied verbreitet, welches den Arbeitern empfiehlt,
keinen Lohn mehr zu verlangen. Das Lied
wird nach der Melodie „Morgenroch — Morgen-
roth" gesungen und es heißt darin u. A.:

„Erdenlohn — Erdenlohn
Lehrt verachten Gottes Sohn,

Erdengut kann nicht beglücken,

Erdenfreude nicht entzücken.

Erdenehr' wird schnell zum Hohn."

Da indeß auch die Millionäre nur nach
Erdengut und Erdenftcude streben, so fügen wil-
dem schönen Liede eine Strophe für die Millionäre

hinzu: „Millionär — Millionär.

Nimm auch du Profit nicht mehr!

In dem ird'schen Jammerthale
Trenne dich vom Kapitale,

Gieb's dem Arbeitsmann heraus!"
 
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