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1952

•JEüijt und 3(ßt3t.

Nransosen und Madagassen.

Hochgeehrter und wahrer Herr Jacob!

Mit gefalteten Händen an die Schwänze von
157 prachtvollen Ulmer Doggen gebunden, fuhren
ebenso viele Mitglieder des Vereins zur Züchtung
edler Hunderassen am 1. April von Buxtehude aus
bäuchlings nach dem Sachsenwald. Das gab von
vornherein eine wundervoll geeignete Stimmung.
In schönster Ordnung glitschten mir am Herren-
hause vor. als der Altehrenjubelreichskanzler auf
der Rampe in Begleitung von Tyras, Graf Bill,
Graf Herbert und mehreren Anderen erschien. Ein
dreihuudertstimmiges Gebell und Hurrahrufen be-
grüßte den genialen Recken; die losgebundenen
Hunde hatten sich schnell in Kompagniekolonne
sormirt und brachten unserem Ehrenmitgliede eine
schwungvoll begeisterte Wedelung dar. Das recken-
hafte Genie lüftete den Hut, und so war es uns
vergönnt, auf einen Augenblick die eiserne Stirn
des Reichsbaumcisters zu schauen. Keiner,,der eines
solchen Anblicks geivürdigt wurde, kann jcnials den
gewaltigen Eindruck vergessen. Nun trat unser
Obmann vor, um zunächst dem genialen Recken
eine mächtige Flasche Nordhäuser, niit den deutschen
Farben geschmückt, zu überreichen. Vom Munde
unseres Obmanns ertönten dann mit markiger
Pschorr-Stimmc die Verse:

„In Harren und Krieg,

In Sturz und Sieg
Bewußt und groß!

So rissest Du uns
Von Feinden los."

Während dieser Deklamation leerte der eiserne
Kanzler mit erstaunlicher Rüstigkeit die Flasche
bis auf den letzten Tropfen, worauf er mit zu-
friedenem Lächeln bemerkte: „Von wein die Verse
sind, weiß ich natürlich nicht; aber der Nordhäuser

ist von Reimers & Cie." Schallendes Gebell und
Gelächter erhob sich über diese Bemerkung des
Fürsten, die ein neues Beispiel seines bekannten
wundervollen Humors darbot und schlagend be-
wies. Nunmehr wurde unser Geschenk überreicht:
eine kostbare, in getriebenem Silber gearbeitete
Niesen-Bulldoggc. Der Fürst war von dieser
zarten Aufmerksamkeit offenbar sehr sympathisch
berührt und bemerkte, indem er die Bulldogge auf
den Armen wog, in seiner launigen Weise: „In
Gold ist sie noch schwerer."

Sodann ergriff Seine geniale Durchlaucht wie
immer die Gelegenheit und das Worr zu einer
Rede, die etwa folgenden Inhalt hatte:

„Sie sind hierher gekommen, meine Herren,
zu einem alten Manne (Stürmisches Gebell und Rufen:
Oho! Nein! Nein! Noch lange nicht alt!), der in der
Oeffentlichkeit nichts mehr zu bedeuten hat. (Zurufe:
Oho! Schlimm genug I Wauwau!) Ich kann nicht lctlgnen,
wenn ich noch im Amte wäre, daß manches dam:
anders gemacht würde als jetzt. (Tyras springt aus
und fletscht knurrend die Zähne.) Sie sehen, der Hund
versteht mich. (Große Rührung. Ein Herr aus der Depu-
tation überreicht dem oerständnißvollen Thier tausend Pfund
Cervelatwurst.) Sie wissen, daß ich ein Feind aller
Sentimentalitäten bin, ivo man sie nicht verwerthen
kann. Mit Sentimentalitäten hätten mir die Ein-
heit nicht erreicht! (Stürmisches Wauwau und Hände-
klatschen,) Was nun diese Einheit anlangt, so will
ich ja nicht leugnen, daß ich das Reich gegründet
habe; aber ich gestehe gern zu, daß ich viel Glück
dabei gehabt habe, um nicht zu sagen Schwein.
(Große Heiterkeit,) Freilich habe ich mich auch nie-
inals im Geringsten geuirt, das Glück in alle»
Dimensionen ausznnutzen, und erforderlichenfalls

auch nicht die leiseste Scherl empfunden, das Glück
und die Depeschen zu korrigiren. Und wenn die
moralisch durch und durch verlumpten Franzosen
uns in der Geschichtsfälschrmg Konkurrenz machen,
dann wollen wir sie hauen, daß die Hunde das
Blut lecken, (Allgemeine Rührung und sehnsüchtiges Geheul
der Hunde,) Meine Herren, ich uehrne den Bullen-
beißer, den Sie mir geschenkt haben, für ein
Symbol. Als Hnndczüchter und Ehrenmitglied
Ihres Vereins habe ich stets auf die Rassen der
Luxushunde besondere Sorgfalt und Pflege ver-
wandt. Um alles in der Welt aber, meine Herren,
verderben Sie uns nicht das Geschäft, indem Sie
etiva einer Hebung und Veredlung der Nutz- und
Arbeitshunde die Wege ebnen! Ich mache Sie
ganz besonders aufmerksam auf die ungeheure Ge-
fahr für unser gemeines Wohl, die in einer Deino-
kratisirung des Hundevolkes, in einer Emanzipation
der unteren Hunderassen liegt. Vergessen Sie nie,
daß es den Nutz- unb Arbeitshunden gegenüber
nur ein Zuchtmittel giebt: die Ausnahmepeitsche."

(Brausende Zustimmungsrufe. Sttmmtliche 157 Luxushunde
werfen begeistert die Schwänze in die Luft.)

Die eiserne Durchlaucht hatte sich setzen müssen;
die Erinnerung an die emanzipationslüsternen
Arbeitshunde pflegt ihr noch immer in die Kniee
zu fahren. — Beim Abschied wurden die Herren
mit drei Flaschen Braunbier bewirthet; einige mit-
gcgangene Damen ließen es sich nicht nehmen,
Tyras zu küssen, — Am Nachmittag erfolgte der
gemeinsame Abrutsch.

Empfangen Sie, hochgeehrter und wahrer Herr
Jacob, die besten Grüße

Ihres ergebenen
Bolko Graf von Kanis,

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart, — Druck und Verlag von I, H, W, Dich in Stuttgart,
 
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