Zweite Vellage zum „Wahren Iaeali" Lr. 231.
-L' Line Leichenrede. <r-
Äuf leisen, scheuen Sohlen schlich zur Kirche jüngst der
Staat im Dunkeln
And cs entspann ein Raunen stch, ein Flüstern und ein
zärtlich Munkeln.
And schmunzelnd, mit vergnügtem Sinn — ste lebt von so
was und vom Zettel —
Sah cs die greise Kupplerin, die national-servile Vettel,
Die da mit altbewährter Kunst, durch die sie ost Geschäfte
machte,
Der Weiden liederliche Wrunst voll Mitgefühls zusammen-
brachte.
Ihr ward ganz jugendlich zu Muth — voll Zärtlichkeit und
wie zum Segen
Sah man in Hoffnung künft'ger Wrut auf Weide ste die
chände legen.
Sic ist ja eine gute chaut, die skrupelloseste der Frauen,
Doch als das Kind das Licht erschaut, beschlich ste doch
ein tiefes Grauen.
Dem Vater ward die Vaterpflicht in diesem Falle schier ver-
drießlich,
Ihm war so recht geheuer nicht und wankelmüthig ward
er schließlich, —
Ja, selbst der Mutter Zärtlichkeit, die leicht geblendet wird
von Söhnen,
Sie brauchte hier geraume Zeit, stch an den Anblick zu gewöhnen.
Die Zahmsten haben ausgespuckt, und wo ein Mann das
Kind gesehen,
So hat's ihm in der ösand gezuckt, den Hals ihm einfach
umzudrehen.
Wald standen um das Wett herum der Weifen viele und der
Alten
And hielten ein Konsilium und legten ihre Stirn in Falten;
Die noch nicht völlig abgebrüht, die rümpften häufig ihre Aasen,
Verwandte selbst sah man bemüht, das Lebenslicht ihm
auszußlasen.
Doch wie besorgt man das geschwind? Da ratbet einer von
den Alten,
Dem bösen Fall- und Sündenkind den Spiegel plötzlich
Vorzuhalten,
Denn blicke das Geschöpf hinein und müsse eiligst nicht
erblinden,
So nrüste es auch möglich sein, sich leidlich mit ihm abzufinden.
Der Spiegel ward herbeigebracht und Keiner wird den Schrei
vergessen,
Als stch in ihm der Sohn der Aacht mit einem Wlicke selbst
gemessen:
Das klang wie der Verdammten Schrei, wenn niederfahrcn
ste zur Hölle,
And mit dem Scheusal war's vorbei, der Tod erfolgte auf
der Stelle.
Wohl uns, daß cs nicht weiter kam, daß er im Spiegel
stch entdeckte,
Daß er vor Gkcl und vor Scham in schöner Maienzeit
verreckte,
Denn was an Deutschlands Ghre er gesündigt zu der Feinde
Lachen
Durchs bloße Dasein - - nimmermehr ist diese Schande gut
zu machen!
Berlin, Mitte Mai.
Lieber Jacob!
Jott sei Dank, dct wir de Maifeier un det
Umsturzjesetz hinter uns haben un de Welt nich
unterjejangen is un
noch wenijcr unser
schcenet Vaterland.
Ja, ja, ct jcht nischt
icbcrn schlauen Mi-
nister, der uns vor
Unjlick bewahren
ivill. Man sieht den
Köllcr den Schlan-
kopp eejcntlich jar
nich an cm doch hat
er die Weisheit mit Fillkelln jcjesscn. Wat der
schon allens erfunden hat, det jeht uff keene Kuh-
haut ruff. Erstens hält er de „Weber" vor die
Arbeiter schädlich, dann schitzt er Berlin vorn
Erdbeben, indem er de Maifestzeitung konfiszirt
un nu entdeckt er, dat dct Umsturzjesetz überflüssig
is; wenn wir de Kartoffeln noch nich hätten,
dann würde er die ooch noch erfinden.
Mit de Umsturzvorlage hat sich der Reichs-
tag cejentlich inehr blamirt, als de Minister,
aber er hat et noch zur rechten Zeit injesehn,
det Mißbrauch mit seine SDximmfjett, wofür er
doch nich kann, jetrieben wird. De „Katz" is nu
todt und eene „tobte Katz" macht Kecner mch mehr
lebendig. Meinen Scjen hat se, aber zu de Nord-
Ostseekanal-Jnweihung gebe ick meinen Scjen nich.
Ick kanit't nid) insehn, warum eene Million un
siebenmalhundertdausend Märker verputzt wern
soll», wenn det Volk nich mal jeyiegend Kartoffeln
zu't Salz hat! Siehste, lieber Jacob, nu wissen
wir aber ooch, wie der Kuhmist ufft Dach kommt.
Wat sagst De zu unfern Kriegsminister, der
de soziale Frage mit de Feierspritze lösen will?
Ick bin ntit Direktor Renz janz intim bekannt,
indem ick mal als kleener Junge von seinen
Vater eene Knallschotc jekriegt habe, als ick iebern
Zaun stcijen wollte. Ick werde meinen Einfluß
bei ihm dahin jeltend machen, dat er die Feier-
spritzen-Lösung als Jlanznummer in de nächste
Sesong ufffiehrt.
Det Umsturzjesetz is denn nu jlicklich in't
Massenjrab rinjefallen un Leidtrajende jiebt et
nich ville. Wenn Miqueln un de scheene Julius
von Tobakowsky mit'n Akzang Jraf dennoch
trauernd an'n Rand stehn un de Näsen putzen,
so is det nich wejen Umsturz, sondern wejen
Tobak, der fernerhin in Jermanien ohne Fabrikat-
steier jcschnuppt, jekaut un jeroocht wern kann.
Zum Schluß theile ick Dir noch mit, det de
Siejeswagen ufft Brandenburger Thor nach links
gerutscht is. In jelehrten Kreisen is man sich
noch nich darieber klar, ob det eene Folge der
März- oder Maifeier is. Indem ick wünsche,
det alle Jemeinheiten, die an den Arbeetern voll-
fiehrt wern, ebenso konfiszirt wern, wie unsre
Maifestzeitung, verbleibe ick mit ville Jrieße Dein
Jotthilf Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Das sächsische Juwel.
A. : Weshalb nennt Graf Hohenthal das
sächsische Vereinsgesetz ein „Juwel"?
B. : Erstens wegen seiner großen Härte.
Zweitens ist es Reaktion von reinstem Wasser.
Drittens hängt es am Hals der oberen Zehntausend.
Als festgestellt der Rothen Sieg,
Freund Horn wohl aus der Urne stieg;
Er kicherte voll Spott und Hohn
Und rief: „Juwel! das kommt davon!"
ex® Epigramme.
Einem Gottes-Gelahrten.
Lr schwärmte für Darwin und Hackel,
Das Dogma war ihm zum Lkel.
- Jetzt handelt's um Amt sich und Rahrung:
Schwupp, kommt auch — die Herzenserfahrung.
Der Goethe-Renner.
Lr war ein Troddel, sein Weib war schön.
Sie strebten zusamm' nach des Lebens Höhn:
Da hat sie durch ihrer Reize prangen
Linen sehr hohen Herrn ins Retz gefangen.
Kür den Gemahl war das nicht ohne:
Titel bekam er und Adelskrone,
Und fröhlich sprach der Biedermann:
„Das ewig weibliche zieht uns hinan!"
Grundsatz-Sxort.
Schaut euch einmal den braven Meister an:
Lr drangsalirt am Alltag Jedermann;
Doch Sonntags zwingt zur Rirch' er Krau u^d Rinder
Und steigt voraus in Gehrock und Zylinder.
„Prinzip muß sein!" sagt er, „sehr rar ist's, leider!"
— G biederer prinzi pien-Sonn tagsreite r!
Mug. VeSel, Die Kau und der Zostalisuns. SLL
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-L' Line Leichenrede. <r-
Äuf leisen, scheuen Sohlen schlich zur Kirche jüngst der
Staat im Dunkeln
And cs entspann ein Raunen stch, ein Flüstern und ein
zärtlich Munkeln.
And schmunzelnd, mit vergnügtem Sinn — ste lebt von so
was und vom Zettel —
Sah cs die greise Kupplerin, die national-servile Vettel,
Die da mit altbewährter Kunst, durch die sie ost Geschäfte
machte,
Der Weiden liederliche Wrunst voll Mitgefühls zusammen-
brachte.
Ihr ward ganz jugendlich zu Muth — voll Zärtlichkeit und
wie zum Segen
Sah man in Hoffnung künft'ger Wrut auf Weide ste die
chände legen.
Sic ist ja eine gute chaut, die skrupelloseste der Frauen,
Doch als das Kind das Licht erschaut, beschlich ste doch
ein tiefes Grauen.
Dem Vater ward die Vaterpflicht in diesem Falle schier ver-
drießlich,
Ihm war so recht geheuer nicht und wankelmüthig ward
er schließlich, —
Ja, selbst der Mutter Zärtlichkeit, die leicht geblendet wird
von Söhnen,
Sie brauchte hier geraume Zeit, stch an den Anblick zu gewöhnen.
Die Zahmsten haben ausgespuckt, und wo ein Mann das
Kind gesehen,
So hat's ihm in der ösand gezuckt, den Hals ihm einfach
umzudrehen.
Wald standen um das Wett herum der Weifen viele und der
Alten
And hielten ein Konsilium und legten ihre Stirn in Falten;
Die noch nicht völlig abgebrüht, die rümpften häufig ihre Aasen,
Verwandte selbst sah man bemüht, das Lebenslicht ihm
auszußlasen.
Doch wie besorgt man das geschwind? Da ratbet einer von
den Alten,
Dem bösen Fall- und Sündenkind den Spiegel plötzlich
Vorzuhalten,
Denn blicke das Geschöpf hinein und müsse eiligst nicht
erblinden,
So nrüste es auch möglich sein, sich leidlich mit ihm abzufinden.
Der Spiegel ward herbeigebracht und Keiner wird den Schrei
vergessen,
Als stch in ihm der Sohn der Aacht mit einem Wlicke selbst
gemessen:
Das klang wie der Verdammten Schrei, wenn niederfahrcn
ste zur Hölle,
And mit dem Scheusal war's vorbei, der Tod erfolgte auf
der Stelle.
Wohl uns, daß cs nicht weiter kam, daß er im Spiegel
stch entdeckte,
Daß er vor Gkcl und vor Scham in schöner Maienzeit
verreckte,
Denn was an Deutschlands Ghre er gesündigt zu der Feinde
Lachen
Durchs bloße Dasein - - nimmermehr ist diese Schande gut
zu machen!
Berlin, Mitte Mai.
Lieber Jacob!
Jott sei Dank, dct wir de Maifeier un det
Umsturzjesetz hinter uns haben un de Welt nich
unterjejangen is un
noch wenijcr unser
schcenet Vaterland.
Ja, ja, ct jcht nischt
icbcrn schlauen Mi-
nister, der uns vor
Unjlick bewahren
ivill. Man sieht den
Köllcr den Schlan-
kopp eejcntlich jar
nich an cm doch hat
er die Weisheit mit Fillkelln jcjesscn. Wat der
schon allens erfunden hat, det jeht uff keene Kuh-
haut ruff. Erstens hält er de „Weber" vor die
Arbeiter schädlich, dann schitzt er Berlin vorn
Erdbeben, indem er de Maifestzeitung konfiszirt
un nu entdeckt er, dat dct Umsturzjesetz überflüssig
is; wenn wir de Kartoffeln noch nich hätten,
dann würde er die ooch noch erfinden.
Mit de Umsturzvorlage hat sich der Reichs-
tag cejentlich inehr blamirt, als de Minister,
aber er hat et noch zur rechten Zeit injesehn,
det Mißbrauch mit seine SDximmfjett, wofür er
doch nich kann, jetrieben wird. De „Katz" is nu
todt und eene „tobte Katz" macht Kecner mch mehr
lebendig. Meinen Scjen hat se, aber zu de Nord-
Ostseekanal-Jnweihung gebe ick meinen Scjen nich.
Ick kanit't nid) insehn, warum eene Million un
siebenmalhundertdausend Märker verputzt wern
soll», wenn det Volk nich mal jeyiegend Kartoffeln
zu't Salz hat! Siehste, lieber Jacob, nu wissen
wir aber ooch, wie der Kuhmist ufft Dach kommt.
Wat sagst De zu unfern Kriegsminister, der
de soziale Frage mit de Feierspritze lösen will?
Ick bin ntit Direktor Renz janz intim bekannt,
indem ick mal als kleener Junge von seinen
Vater eene Knallschotc jekriegt habe, als ick iebern
Zaun stcijen wollte. Ick werde meinen Einfluß
bei ihm dahin jeltend machen, dat er die Feier-
spritzen-Lösung als Jlanznummer in de nächste
Sesong ufffiehrt.
Det Umsturzjesetz is denn nu jlicklich in't
Massenjrab rinjefallen un Leidtrajende jiebt et
nich ville. Wenn Miqueln un de scheene Julius
von Tobakowsky mit'n Akzang Jraf dennoch
trauernd an'n Rand stehn un de Näsen putzen,
so is det nich wejen Umsturz, sondern wejen
Tobak, der fernerhin in Jermanien ohne Fabrikat-
steier jcschnuppt, jekaut un jeroocht wern kann.
Zum Schluß theile ick Dir noch mit, det de
Siejeswagen ufft Brandenburger Thor nach links
gerutscht is. In jelehrten Kreisen is man sich
noch nich darieber klar, ob det eene Folge der
März- oder Maifeier is. Indem ick wünsche,
det alle Jemeinheiten, die an den Arbeetern voll-
fiehrt wern, ebenso konfiszirt wern, wie unsre
Maifestzeitung, verbleibe ick mit ville Jrieße Dein
Jotthilf Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Das sächsische Juwel.
A. : Weshalb nennt Graf Hohenthal das
sächsische Vereinsgesetz ein „Juwel"?
B. : Erstens wegen seiner großen Härte.
Zweitens ist es Reaktion von reinstem Wasser.
Drittens hängt es am Hals der oberen Zehntausend.
Als festgestellt der Rothen Sieg,
Freund Horn wohl aus der Urne stieg;
Er kicherte voll Spott und Hohn
Und rief: „Juwel! das kommt davon!"
ex® Epigramme.
Einem Gottes-Gelahrten.
Lr schwärmte für Darwin und Hackel,
Das Dogma war ihm zum Lkel.
- Jetzt handelt's um Amt sich und Rahrung:
Schwupp, kommt auch — die Herzenserfahrung.
Der Goethe-Renner.
Lr war ein Troddel, sein Weib war schön.
Sie strebten zusamm' nach des Lebens Höhn:
Da hat sie durch ihrer Reize prangen
Linen sehr hohen Herrn ins Retz gefangen.
Kür den Gemahl war das nicht ohne:
Titel bekam er und Adelskrone,
Und fröhlich sprach der Biedermann:
„Das ewig weibliche zieht uns hinan!"
Grundsatz-Sxort.
Schaut euch einmal den braven Meister an:
Lr drangsalirt am Alltag Jedermann;
Doch Sonntags zwingt zur Rirch' er Krau u^d Rinder
Und steigt voraus in Gehrock und Zylinder.
„Prinzip muß sein!" sagt er, „sehr rar ist's, leider!"
— G biederer prinzi pien-Sonn tagsreite r!
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