« I960 ->
-s« Schnüffler:. 0Z-
Line Zpitzelgeschichte aus dem Jahre H886.
Polizeioffiziant Schnüffler, der den Spitz-
,das Leiden Christi" führte, hatte er-
fahren, daß das sozialdemokratische Landeskomite
des Königreichs iE. eine geheime Sitzung ab-
halten wollte, und als die beste Gelegenheit
dazu hatten die Schlauberger einen Ball aus-
crsehen, auf dein sie ohne aufznfallcn sich berath-
schlagen konnten.
Daß Schnüffler
auf dem Balle an-
wesend war, machte den Parteigenossen einen
Strich durch die Rechnung. Der Geheimpolizist
»rußte unter allen Uniständen entfernt werden
und schnell entschlossen wurde das Nöthige
verabredet.
Schnüffler saß in der Nähe des Buffets
beim Glase Bier und betrachtete mit seinen
listigen Augen aufmerksam die Anwesenden.
Plötzlich fiel — ohne daß er bemerkte, woher
cs kam — ein Zettel auf sein Knie. Schnüffler
nahm ihn und ging darnit hinaus. Der Zettel
enthielt die wenigen Worte: „Im Garderobc-
zimmer ist Sitzung."
„Aha", dachte Schnüffler, „da ist gewiß
ein Fang zu machen." Und hohe Zeit war es,
daß er sich wieder mal hcrvorthat, da ihm seit
lange kein ordentlicher Coup nrehr geglückt war.
Er schlich sich zur Garderobe, öffnete leise
die Thür und steckte vorsichtig seinen Kopf
durch die Spalte. Als er sah, daß ihn Niemand
bemerkte, glitt er hurtig wie ein Wiesel ins
Zimmer rind versteckte sich hinter einem großen Schranke.
Richtig, vom Kleiderständer her ließen sich Stimmen vernehmen.
Leider sprachen die Redner zu leise, als daß er mehr als einzelne Worte
hören konnte, aber er unterschied deutlich folgende Aeußerungen:
„— Sitzung des Geheimbundes —"
„— heute Nacht 12 Uhr —"
wie gewöhnlich am halbverfallenen Winzerhaus am Traubenberg
bei Kleeberg."
Schnüffler jubelte inner-
lich. Das war eine Entdeckung,
die großes Aufsehen erregen,
ihn zum berühmten Manne
machen würde. Das Billet
hatte ihn also nicht getäuscht.
Und ebenso leise wie er ge-
kommen, schlich er davon, uni
sich sofort auf den Weg nach
dem Winzerhäuschen bei Klce-
bcrg zu begeben.
Die Nacht war stockfinster
und bald nach seinem Auf-
bruche begann es in Strömen
zu regnen.
„Angenehm ist das nicht",
brummte Schnüffler ärgerlich
in sich hinein, „aber eigentlich
ist cs ganz gilt, es niacht die
Verschwörer sicherer lind schützt
inich vor dem Geschenwerden."
Bald waren die Häuser
der Stadt seinen Blicken ent-
schwunden; tiefe, undurch-
dringliche Finsterniß umhüllte
ihn und ließ ihn nicht ein-
mal die nahen Berge erkennen. Aber nichts beirrte ihn, er war sich seines
Zieles bewußt und eilte vorwärts — nur noch kurze Zeit, so war der
Berg erreicht und das Schlimmste lag hinter ihm.
Das sogenannte Winzerhäuschen war nur etwa ziveihnndert Schritte
von dem Fuße des Berges entfernt, mitten auf einem Kartoffelacker.
Das Häuschen war dein Zahn der Zeit preisgegeben. Nieniand beniitzte
cs, höchstens suchten dann und wann einmal Landleute oder Holzhauer
gegen Regen und Sturm darin Schutz; Nie-
mand gab sich daher auch Mühe, es wieder
auszubessern, eS war in Folge dessen in eine»
Zustand des Verfalls gerathen, der schwerlich
noch eine lange Dauer seiner Existenz garantirte.
Um das Land auf dem flachen Abhang nicht
ganz unbenutzt jit lassen, hatte der Eigenthümer
cs mit Kartoffeln bestellt.
Schnüffler hatte den Kartoffelacker erreicht,
an dessen Ende die Baracke stand; rasch ent-
schlossen ließ er sich auf die Kniee nieder und
kroch leise und vorsichtig in einer der Furchen
entlang. Am Hause angelangt, richtete er sich
langsam auf, legte sein Ohr dicht an die Wand
des Häuschens und richtig, die Verschworenen
waren schon da. Durch die dünnen Bretter
hindurch drang ein leises Geflüster an sein Ohr.
Er beniühte sich, die einzelnen Worte zu ver-
nehmen und er kletterte zur Erreichung dieses
Zwecks auf einen etwas hervorspringenden Bal-
ken, auf dcni er Posto faßte. Schnüffler befand
sich in einer keineswegs angenehmen Sitnatioii,
aber er hatte wenigstens die Genugthuung, die
Worte deutlich unterscheiden zu können.
„Bemerkst Du nichts Verdächtiges?" hörte er halblaut eine Stimme
sagen.
„Nein", erwiderte ebenso eine zweite, die von der Thür herzukommcn
schien. „Es ist auch zu dunkel, um sehen zu können."
„Eine Nacht wie geschaffen zu Frevclthaten", bemerkte eine dritte
Stimme.
„Und dieser Platz hier", sagte die erste wieder, „die reinste Ver-
schwörechöhle."
Schnüffler frohlockte inner-
lich, — diese Aeußerungen
klaiigen recht ermuthigend.
Prüfend schaute er um sich,
um womöglich einen begucmc-
ren Platz auszuspähcn, da
plötzlich — ein Krach, das
morsche Holz unter feinem
Fuße brach und er siel un-
sanft auf den Boden.
Im Hause wurde es jetzt
lebendig.
„Der Kartoffeldicb!" rief
eine kräftige Stillinie, „vor-
wärts, Freunde, hinaus, daß
er uns nicht entgeht."
Das ziini Tode erschrockene
„Leiden Christi" hatte sich
bereits wieder aufgerafft.
„Flucht, schleunigste. Flucht,
Schnüffler", sagte er zähne-
klappernd vor Furcht zu sich
selbst, „denn die Verschwörer
dürften ivenig Umstände mit
dir inachen." llnb eilig nahm
er, wie man zu sagen pflegt,
„Erbarmen", winselte er, „ich bin ja der Polizeioffiziant Schnüffler aus der Stadt/
-s« Schnüffler:. 0Z-
Line Zpitzelgeschichte aus dem Jahre H886.
Polizeioffiziant Schnüffler, der den Spitz-
,das Leiden Christi" führte, hatte er-
fahren, daß das sozialdemokratische Landeskomite
des Königreichs iE. eine geheime Sitzung ab-
halten wollte, und als die beste Gelegenheit
dazu hatten die Schlauberger einen Ball aus-
crsehen, auf dein sie ohne aufznfallcn sich berath-
schlagen konnten.
Daß Schnüffler
auf dem Balle an-
wesend war, machte den Parteigenossen einen
Strich durch die Rechnung. Der Geheimpolizist
»rußte unter allen Uniständen entfernt werden
und schnell entschlossen wurde das Nöthige
verabredet.
Schnüffler saß in der Nähe des Buffets
beim Glase Bier und betrachtete mit seinen
listigen Augen aufmerksam die Anwesenden.
Plötzlich fiel — ohne daß er bemerkte, woher
cs kam — ein Zettel auf sein Knie. Schnüffler
nahm ihn und ging darnit hinaus. Der Zettel
enthielt die wenigen Worte: „Im Garderobc-
zimmer ist Sitzung."
„Aha", dachte Schnüffler, „da ist gewiß
ein Fang zu machen." Und hohe Zeit war es,
daß er sich wieder mal hcrvorthat, da ihm seit
lange kein ordentlicher Coup nrehr geglückt war.
Er schlich sich zur Garderobe, öffnete leise
die Thür und steckte vorsichtig seinen Kopf
durch die Spalte. Als er sah, daß ihn Niemand
bemerkte, glitt er hurtig wie ein Wiesel ins
Zimmer rind versteckte sich hinter einem großen Schranke.
Richtig, vom Kleiderständer her ließen sich Stimmen vernehmen.
Leider sprachen die Redner zu leise, als daß er mehr als einzelne Worte
hören konnte, aber er unterschied deutlich folgende Aeußerungen:
„— Sitzung des Geheimbundes —"
„— heute Nacht 12 Uhr —"
wie gewöhnlich am halbverfallenen Winzerhaus am Traubenberg
bei Kleeberg."
Schnüffler jubelte inner-
lich. Das war eine Entdeckung,
die großes Aufsehen erregen,
ihn zum berühmten Manne
machen würde. Das Billet
hatte ihn also nicht getäuscht.
Und ebenso leise wie er ge-
kommen, schlich er davon, uni
sich sofort auf den Weg nach
dem Winzerhäuschen bei Klce-
bcrg zu begeben.
Die Nacht war stockfinster
und bald nach seinem Auf-
bruche begann es in Strömen
zu regnen.
„Angenehm ist das nicht",
brummte Schnüffler ärgerlich
in sich hinein, „aber eigentlich
ist cs ganz gilt, es niacht die
Verschwörer sicherer lind schützt
inich vor dem Geschenwerden."
Bald waren die Häuser
der Stadt seinen Blicken ent-
schwunden; tiefe, undurch-
dringliche Finsterniß umhüllte
ihn und ließ ihn nicht ein-
mal die nahen Berge erkennen. Aber nichts beirrte ihn, er war sich seines
Zieles bewußt und eilte vorwärts — nur noch kurze Zeit, so war der
Berg erreicht und das Schlimmste lag hinter ihm.
Das sogenannte Winzerhäuschen war nur etwa ziveihnndert Schritte
von dem Fuße des Berges entfernt, mitten auf einem Kartoffelacker.
Das Häuschen war dein Zahn der Zeit preisgegeben. Nieniand beniitzte
cs, höchstens suchten dann und wann einmal Landleute oder Holzhauer
gegen Regen und Sturm darin Schutz; Nie-
mand gab sich daher auch Mühe, es wieder
auszubessern, eS war in Folge dessen in eine»
Zustand des Verfalls gerathen, der schwerlich
noch eine lange Dauer seiner Existenz garantirte.
Um das Land auf dem flachen Abhang nicht
ganz unbenutzt jit lassen, hatte der Eigenthümer
cs mit Kartoffeln bestellt.
Schnüffler hatte den Kartoffelacker erreicht,
an dessen Ende die Baracke stand; rasch ent-
schlossen ließ er sich auf die Kniee nieder und
kroch leise und vorsichtig in einer der Furchen
entlang. Am Hause angelangt, richtete er sich
langsam auf, legte sein Ohr dicht an die Wand
des Häuschens und richtig, die Verschworenen
waren schon da. Durch die dünnen Bretter
hindurch drang ein leises Geflüster an sein Ohr.
Er beniühte sich, die einzelnen Worte zu ver-
nehmen und er kletterte zur Erreichung dieses
Zwecks auf einen etwas hervorspringenden Bal-
ken, auf dcni er Posto faßte. Schnüffler befand
sich in einer keineswegs angenehmen Sitnatioii,
aber er hatte wenigstens die Genugthuung, die
Worte deutlich unterscheiden zu können.
„Bemerkst Du nichts Verdächtiges?" hörte er halblaut eine Stimme
sagen.
„Nein", erwiderte ebenso eine zweite, die von der Thür herzukommcn
schien. „Es ist auch zu dunkel, um sehen zu können."
„Eine Nacht wie geschaffen zu Frevclthaten", bemerkte eine dritte
Stimme.
„Und dieser Platz hier", sagte die erste wieder, „die reinste Ver-
schwörechöhle."
Schnüffler frohlockte inner-
lich, — diese Aeußerungen
klaiigen recht ermuthigend.
Prüfend schaute er um sich,
um womöglich einen begucmc-
ren Platz auszuspähcn, da
plötzlich — ein Krach, das
morsche Holz unter feinem
Fuße brach und er siel un-
sanft auf den Boden.
Im Hause wurde es jetzt
lebendig.
„Der Kartoffeldicb!" rief
eine kräftige Stillinie, „vor-
wärts, Freunde, hinaus, daß
er uns nicht entgeht."
Das ziini Tode erschrockene
„Leiden Christi" hatte sich
bereits wieder aufgerafft.
„Flucht, schleunigste. Flucht,
Schnüffler", sagte er zähne-
klappernd vor Furcht zu sich
selbst, „denn die Verschwörer
dürften ivenig Umstände mit
dir inachen." llnb eilig nahm
er, wie man zu sagen pflegt,
„Erbarmen", winselte er, „ich bin ja der Polizeioffiziant Schnüffler aus der Stadt/