1978
Sie: Wo warst Du die letzte Nacht?
Er: In der Aufsichtsrathssitzung der Diskontobank.
Sie: So, so (auf den Frack zeigend), da habt Ihr wohl in der Sitzung
Cotillon getanzt?
Hans: Ist es wahr, Lieschen, daß Du bereits über zwanzig Mark
in Deiner Sparbüchse hast?
Anna (ihrer Freundin ins Ohr): Du, ich glaub', der hat Absichten.
Unlauterer Wettbewerb.
Rosenthal: Du, Sarah, da drüben ist wieder ein Kohn eingezogen.
Das ist bereits der dritte in unserer Straße.
Sarah: Ja, ja, die Kohnkurrenz wird immer ärger.
Meine offiziöse PeeMätigkeii.
Skizze von unserem eigenen Mark Twain.
Ich hatte eigentlich die Absicht, ein Taschendieb
zu werden, allein aus einer Gerichtsverhandlung,
der ich als Kriminalstudent beiwohnte, erfuhr
ich, daß dieses Geschäft gerade sehr darniederlag,
weil die meisten Leute kein Geld in der Tasche
hatten. Deshalb beschloß ich, mein Glück als
Mitarbeiter der offiziösen Presse zu versuchen.
Nach eingehenden Erkundigungen über die Er-
fordernisse dieses Berufes ging ich ans Werk. Ich
begab mich in eine verdächtige Spelunke und be-
warb mich daselbst um die Gunst eines intelli-
genten Gauners, der wegen irgend einer Kleinig-
keit — wenn ich nicht irre, handelte es sich um
einen Raubmord — steckbrieflich verfolgt wurde.
Diesen würdigen Mann traktirte ich mit Schnaps
und Wiener Würsteln, auch log ich ihm vor, ich
hätte schon einige Verbrechen der Falschmünzerei
auf dem Gewissen. Dadurch gelang es nur, sein
Vertrauen zu erwerben, und er fälschte für mich
ein Zeugniß, laut welchem ich wegen Einbruchs
fünf Jahre im Zuchthaus gesessen haben sollte.
Dieses Zeugniß war mir Goldes werth. Am
anderen Btorgcn studirte ich mir vor dem Spiegel
eine Gaunerphysiognomie ein, setzte eine Ballon-
mütze auf und begab mich direkt zu Doktor Schnapp-
hahn, dem damaligen Abtheiluugsvorstand für Rep-
tilien-Angelegenheiten. Ich pries ihm meine literari-
schen Fähigkeiten und mein ungewöhnlich weites
Gewissen an, aber er verhielt sich zunächst kühl ab-
lehnend; erst als ich mein gefälschtes Zuchthaus-
entlassungszeugniß vorzeigte, wurde er freundlicher.
„Sie haben doch nicht etwa unschuldig ge-
sessen?" fragte er, noch immer mißtrauisch, und
fügte hinzu: „Der Chef faßt für diese Sparte
ausdrücklich Nicht-Geutlemen ins Auge."
Ich stellte mich beleidigt über diesen Verdacht
und behauptete, daß ich aus Räubcrkreiscn die besten
Empfehlungen beibriugen könnte. Als er trotzdem
nachdenklich und unentschlossen blieb, stahl ich ihm
möglichst auffällig seine silberne Tabaksdose.
Das entschied endlich zu nieinen Gunsten.
„Ich sehe, Sie haben Talent", lächelte Doktor
Schnapphahn. Er schrieb zunächst einen Check,
auf den Reptilienfonds lautend, durch welchen er
sich die verlorene silberne Dose reichlich ersetzte,
; dann bat er inich um eine Priese und weihte mich
in die Aufgaben meines neuen Amtes ein.
„Zu denken brauchen Sie bei Ihrer Preß-
thätigkeit nicht", betonte er, „das besorgen Ihre
Vorgesetzten. Die Hauptsache ist ein vornehin
überlegener Ton, der die gewöhnliche Alltagswelt
von oben herab behandelt, dainit die Leser immer
denken, der betreffende Artikel rühre aus höheren,
ganz exklusiven Kreisen her.
Ich war über die Leutseligkeit des bedeutenden
Mannes entzückt und nahm mir seine Belehrung
zu Herzen.
In den ersten Tagen meiner Berufsthätigkeit
hatte ich leider wenig Gelegenheit, mein Talent
zu bekunden. Es gab immer blos offiziöse De-
mentis zu schreiben gegen Nachrichten, die theils
von uns selbst, theils von anderen Reptilien-
blättern ausgingen.
Endlich sollte nur auch eine wirklich lohnende
Aufgabe zufallen.
Es waren Friktionen ine Schoße des Mini-
steriums entstanden und unser Bureau empfing
den geheimen Auftrag, gegen den ***-Minister,
Freiherrn von Müllerstein, unauffällig Stimmung
zu machen. Natürlich war das eine besonders
heikle Aufgabe, und ich fühlte mich daher außer-
ordentlich geehrt, als ich den Befehl erhielt, eine
Notiz in dieser Sache zu lanciren. Gleichzeitig
wuroe ich, da der Doktor Schnapphahn zufällig
eine Reise unternehmen mußte, noch beauftragt,
einen Artikel zu schreiben, durch welchen der ultra-
montanen Partei unter gewissen Vorbehalten
das Wohlwollen der leitenden Diplomatie aus-
gesprochen und um ihre Beihilfe zu bestimmten
Vorlagen geworben werden solle.
Ich fühlte die weltgeschichtliche Bedeutung des
Augenblicks, als ich mich an den Schreibtisch setzte,
um diese Aufgaben zu erfüllen. Endlich gehörte
ich zu den Herrschenden, welche die Fäden der
Völkergeschicke in den Händen halten! Ich be-
schloß, den Augenblick zu benützen und der Welt
meine Macht fühlen zu lassen.
Und so schrieb ich:
„Jenes schieläugige Individuum, welches seit
geraumer Zeit einen unserer schönsten Minister-
sessel durch seine lästige Gegenwart beschmutzt,
macht sich neuerdings wieder in geradezu übel-
riechender Weise bemerkbar. Dieses schon vierzehn
Mal wegen Pferdediebstahls abgeurtheilte Subjekt,
welches auch die Gepflogenheit, silberne Löffel
nütgehen zu heißen, noch nicht ganz abgelegt hat
und es nur durch die bedenklichsten Gaunerkniffe
fertig brachte, sich einen Ministersessel zu er-
schwindeln, hat die unerhörte Frechheit, unseren:
erhabenen Ressortchef in: Ministerium des Innern
Schwierigkeiten zu bereiten. Selbstverständlich
könnte unser erhabener Chef das Gesammt-Mini-
sterium sofort von jenem wandelnden Schmutzfleck
reinigen, indem er ihn durch einen Gendarmen
in Nummer Sicher bringen ließe, wohin er schon
längst gehört; aber aus Gründen der Humanität
und um Aufsehen zu vermeiden, haben wir Auf-
trag erhalten, jene Mißgeburt von hinten herum,
durch offiziöse Zeitungsartikel, in seiner Stellung
zu erschüttern. Das soll hiernüt geschehen, und
jenes Individuum, welches neulich bei dem großen
Sie: Wo warst Du die letzte Nacht?
Er: In der Aufsichtsrathssitzung der Diskontobank.
Sie: So, so (auf den Frack zeigend), da habt Ihr wohl in der Sitzung
Cotillon getanzt?
Hans: Ist es wahr, Lieschen, daß Du bereits über zwanzig Mark
in Deiner Sparbüchse hast?
Anna (ihrer Freundin ins Ohr): Du, ich glaub', der hat Absichten.
Unlauterer Wettbewerb.
Rosenthal: Du, Sarah, da drüben ist wieder ein Kohn eingezogen.
Das ist bereits der dritte in unserer Straße.
Sarah: Ja, ja, die Kohnkurrenz wird immer ärger.
Meine offiziöse PeeMätigkeii.
Skizze von unserem eigenen Mark Twain.
Ich hatte eigentlich die Absicht, ein Taschendieb
zu werden, allein aus einer Gerichtsverhandlung,
der ich als Kriminalstudent beiwohnte, erfuhr
ich, daß dieses Geschäft gerade sehr darniederlag,
weil die meisten Leute kein Geld in der Tasche
hatten. Deshalb beschloß ich, mein Glück als
Mitarbeiter der offiziösen Presse zu versuchen.
Nach eingehenden Erkundigungen über die Er-
fordernisse dieses Berufes ging ich ans Werk. Ich
begab mich in eine verdächtige Spelunke und be-
warb mich daselbst um die Gunst eines intelli-
genten Gauners, der wegen irgend einer Kleinig-
keit — wenn ich nicht irre, handelte es sich um
einen Raubmord — steckbrieflich verfolgt wurde.
Diesen würdigen Mann traktirte ich mit Schnaps
und Wiener Würsteln, auch log ich ihm vor, ich
hätte schon einige Verbrechen der Falschmünzerei
auf dem Gewissen. Dadurch gelang es nur, sein
Vertrauen zu erwerben, und er fälschte für mich
ein Zeugniß, laut welchem ich wegen Einbruchs
fünf Jahre im Zuchthaus gesessen haben sollte.
Dieses Zeugniß war mir Goldes werth. Am
anderen Btorgcn studirte ich mir vor dem Spiegel
eine Gaunerphysiognomie ein, setzte eine Ballon-
mütze auf und begab mich direkt zu Doktor Schnapp-
hahn, dem damaligen Abtheiluugsvorstand für Rep-
tilien-Angelegenheiten. Ich pries ihm meine literari-
schen Fähigkeiten und mein ungewöhnlich weites
Gewissen an, aber er verhielt sich zunächst kühl ab-
lehnend; erst als ich mein gefälschtes Zuchthaus-
entlassungszeugniß vorzeigte, wurde er freundlicher.
„Sie haben doch nicht etwa unschuldig ge-
sessen?" fragte er, noch immer mißtrauisch, und
fügte hinzu: „Der Chef faßt für diese Sparte
ausdrücklich Nicht-Geutlemen ins Auge."
Ich stellte mich beleidigt über diesen Verdacht
und behauptete, daß ich aus Räubcrkreiscn die besten
Empfehlungen beibriugen könnte. Als er trotzdem
nachdenklich und unentschlossen blieb, stahl ich ihm
möglichst auffällig seine silberne Tabaksdose.
Das entschied endlich zu nieinen Gunsten.
„Ich sehe, Sie haben Talent", lächelte Doktor
Schnapphahn. Er schrieb zunächst einen Check,
auf den Reptilienfonds lautend, durch welchen er
sich die verlorene silberne Dose reichlich ersetzte,
; dann bat er inich um eine Priese und weihte mich
in die Aufgaben meines neuen Amtes ein.
„Zu denken brauchen Sie bei Ihrer Preß-
thätigkeit nicht", betonte er, „das besorgen Ihre
Vorgesetzten. Die Hauptsache ist ein vornehin
überlegener Ton, der die gewöhnliche Alltagswelt
von oben herab behandelt, dainit die Leser immer
denken, der betreffende Artikel rühre aus höheren,
ganz exklusiven Kreisen her.
Ich war über die Leutseligkeit des bedeutenden
Mannes entzückt und nahm mir seine Belehrung
zu Herzen.
In den ersten Tagen meiner Berufsthätigkeit
hatte ich leider wenig Gelegenheit, mein Talent
zu bekunden. Es gab immer blos offiziöse De-
mentis zu schreiben gegen Nachrichten, die theils
von uns selbst, theils von anderen Reptilien-
blättern ausgingen.
Endlich sollte nur auch eine wirklich lohnende
Aufgabe zufallen.
Es waren Friktionen ine Schoße des Mini-
steriums entstanden und unser Bureau empfing
den geheimen Auftrag, gegen den ***-Minister,
Freiherrn von Müllerstein, unauffällig Stimmung
zu machen. Natürlich war das eine besonders
heikle Aufgabe, und ich fühlte mich daher außer-
ordentlich geehrt, als ich den Befehl erhielt, eine
Notiz in dieser Sache zu lanciren. Gleichzeitig
wuroe ich, da der Doktor Schnapphahn zufällig
eine Reise unternehmen mußte, noch beauftragt,
einen Artikel zu schreiben, durch welchen der ultra-
montanen Partei unter gewissen Vorbehalten
das Wohlwollen der leitenden Diplomatie aus-
gesprochen und um ihre Beihilfe zu bestimmten
Vorlagen geworben werden solle.
Ich fühlte die weltgeschichtliche Bedeutung des
Augenblicks, als ich mich an den Schreibtisch setzte,
um diese Aufgaben zu erfüllen. Endlich gehörte
ich zu den Herrschenden, welche die Fäden der
Völkergeschicke in den Händen halten! Ich be-
schloß, den Augenblick zu benützen und der Welt
meine Macht fühlen zu lassen.
Und so schrieb ich:
„Jenes schieläugige Individuum, welches seit
geraumer Zeit einen unserer schönsten Minister-
sessel durch seine lästige Gegenwart beschmutzt,
macht sich neuerdings wieder in geradezu übel-
riechender Weise bemerkbar. Dieses schon vierzehn
Mal wegen Pferdediebstahls abgeurtheilte Subjekt,
welches auch die Gepflogenheit, silberne Löffel
nütgehen zu heißen, noch nicht ganz abgelegt hat
und es nur durch die bedenklichsten Gaunerkniffe
fertig brachte, sich einen Ministersessel zu er-
schwindeln, hat die unerhörte Frechheit, unseren:
erhabenen Ressortchef in: Ministerium des Innern
Schwierigkeiten zu bereiten. Selbstverständlich
könnte unser erhabener Chef das Gesammt-Mini-
sterium sofort von jenem wandelnden Schmutzfleck
reinigen, indem er ihn durch einen Gendarmen
in Nummer Sicher bringen ließe, wohin er schon
längst gehört; aber aus Gründen der Humanität
und um Aufsehen zu vermeiden, haben wir Auf-
trag erhalten, jene Mißgeburt von hinten herum,
durch offiziöse Zeitungsartikel, in seiner Stellung
zu erschüttern. Das soll hiernüt geschehen, und
jenes Individuum, welches neulich bei dem großen