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2009

So sprach bcr König; der Käm-
merer lief.

Und kam zurück und brachte

Herein das große Schwabenkind,

Das seinen Diener machte.

Der König sprach: „Du bist wohl
ein Schwab'?

Das ist just keine Schande."

„Gerathen!" erwidert der Schwab',
„ich bin

Geboren im Schwabenlande."

„Stammst du von den sieben
Schwaben ab?"

Frag Jener. „Ich Ihn' abstammen

Kur von einem einz'gen", er-
widert der Schwab',

„Doch nicht von allen zusammen."

Der König frng ferner: „Sind
dieses Jahr

Die Knödel in Schwaben ge-
rathen?"

„Ich danke der Nachfrag'", ant-
wortet der Schwab',

„Sie sind sehr gut gerathen."

„§ch laß nicht die Kindlein, wie Pharao,
Lrsäufen im Nilstromwasser;

Ich bin auch kein Herodestyrann,

Kein Kinderabschlachtenlasscr.

„Habt ihr noch große Männer?" frag
Der König. „Im Augenblicke
Kehlt es an großen", erwidert der Schwab',
„Mir haben jetzt nur dicke."

Der König sprach: „Ls pflegt der Schwab'
Sein Vaterland zu lieben —

Nun sage mir, was hat dich fort
Aus deiner Heimath getrieben?"

Der Schwabe antwortet: „Tagtäglich gab's
Nur Sauerkraut und Rüben;

Hält' meine Mutter Fleisch gekocht.

So wär' ich dort geblieben."

„Lrbitte dir eine Gnade", sprach
Der König. Da kniete nieder
Der Schwabe und rief: „V geben Sie, Sire,
Dem Volke die Freiheit wieder!

„Der Mensch ist frei, es hat die Natur
Ihn nicht geboren zum Knechte —

CJ> geben Sie, Sire, dem deutschen Volk
Zurück seine Menschenrechte!"

Der König stand erschüttert tief —

Ls war eine schöne Szene;

Mit seinem Rockärmel wischte sich
Der Schwab' aus dem Auge die Thräne.

DerKönig sprach endlich: „Lin schöner Traum! -
Leb' wohl, und werde gescheidter;

And da dn ein Somnambülericht,

So gcb' ich dir zwei Begleiter.

„Zwei sichre Gendarmen, die sollen dich
Bis an die Grenze führen —

Leb' wohl! ich muß zur Parade gehn.

Schon hör' ich die Trommel rühren."

„Ich will, wie einst mein Heiland that.
Am Anblick der Kinder mich laben;

Laß zu mir kommen die Kindlein, zumal
Das große Kind aus Schwaben."

Der König sprach: „Du bist nicht so dumm.
Als wie dn aussiehst, mein Holder."

„Das kommt", erwidert der Schwab', „weil mich
In der Miege vertauscht die Kobolder."

So hat die rührende Audienz
Lin rührendes Lnde genommen.

Doch ließ der König seitdem nicht mehr
Die Kindlein zu sich kommen.

Lum Lazarus."

Von H. kleine.

)Nir lodert und wogt im Hirn eine Fluth
von Wäldern, Bergen und Fluren;

Aus dem tollen Must tritt endlich hervor
Lin Bild mit festen Konturen.

Das Städtchen, das mir im Sinne schwebt.
Ist Godesberg, ich denke.

Dort wieder unter dem Lindenbaum
Sitz' ich vor der alten Schänke.

Der Hals ist mir trocken, als hätt' ich verschluckt
Die untergehende Sonne,
yerr Mirth! Herr Mirth! Line Flasche Mein
Aus Eurer besten Tonne!

Ls fließt der holde Rebensaft
Hinunter in meine Seele,

And löscht bei dieser Gelegenheit
Den Sonnenbrand der Kehle.

And noch eine Flasche, Herr Mirth! Ich trank
Die erste in schnöder Zerstreuung,

Ganz ohne Andacht! iltcin edler Mein,

Ich bitte dich drob um Verzeihung.

Ich sah hinauf nach dem Drachenfels,

Der, hochromantisch beschienen
vom Abendroth, sich spiegelt im Rhein
Mit seinen Burgruinen.

Ich horchte dem fernen Minzergesang
And dem kecken Gezwitscher der Finken —
So irank ich zerstreut, und an den Mein
Dacht' ich nicht während dem Trinke».

Jetzt aber steck' ich die Nase ins Glas,

Und ernsthaft zuvor beguck' ich

Den Mein, den ich schlucke; manchmal auch,

Ganz ohne zu gucken, schluck' ich.

Doch sonderbar! Mährend demSchlucken wird mir
Zu Sinne, als ob ich verdoppelt,

Lin andrer armer Schlucker sei
Mit mir zusammen gekoppelt.

Der sieht so krank und elend aus,

So bleich und abgemergelt.

Gar schmerzlich verhöhnend schaut er mich an.
Wodurch er mich seltsam nergelt.

Der Bursche behauptet, er sei ich selbst.

Mir wären nur Lins, wir Beide,

Mir wären ein einz'ger armer Mensch,

Der jetzt am Fieber leide.

Nicht in der Schänke von Godesberg,

In einer Krankenstube

Des fernen Paris befänden wir uns —

Du lügst, du bleicher Bube!

Du lügst, ich bin so gesund und roth
Mie eine blühende Rose,

Auch bin ich stark, nimm dich in Acht,

Daß ich mich nicht erbose!

Lr zuckte die Achseln und seufzte: „G Narr!"
Das hat meine» Zorn entzügelt;

And mit dem verdammten zweiten Ich
Hab' ich mich endlich geprügelt.

Doch sonderbar! Jedweden Puff,

Den ich dem Burschen ertheile,

Lmpfinde ich am eignen Leib,

And ich schlage mir Beule auf Beule.

Bei dieser fatalen Balgerei
Ward wieder der Hals mir trocken.

And will ich rufen nach Wein den Mirth,

Die Morte im Munde stocken.

Mir schwinden die Sinne und traumhaft hör'
Ich von Kataplasmen reden.

Auch von der Mixtur — ein Lßlöffel voll —
Zwölf Tropfen stündlich in jeden.
 
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