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2012

-s° Das kranke Kindlein, -s-

kenn' ein Kindtein so zart und so schwach,
Das stöhnet nur leise ein Weh und ein Ach,
Und oft, wenn es Frösteln und Fiebern kriegt,

Da glaubt man schon, daß es im Sterben liegt.

Die beste Wahrung, die nur eXistirt,

Wird überreichlich ihm ^geführt,

Wan päppelt es auf mit Völkermark,

Und doch kann das Kindlein nicht werden stark.

Von Millionen wänden gepflegt
Wird es und von starken Armen gehegt,

Und dennoch ob dem schwachen Geschöpfe
Schütteln die Aerfle bedenklich die Köpfe.

Sowie vom Valkan ein rauher Wind

Herab weht, dann schüttelt ein Husten das Kind,

Als wollt' aus dein Munde, dem todesßleichen,

Der letzte Lebensodem entweichen.

Und weht der Sirokko aus Afrika,

So ist gleich wieder das Fieber da,

Und schüttelt das Körperlein wild umher,

Als ob es Matthäi am Letzten wär'.

(Ls gaben die seltensten Ar^enei'n
Die Äerfle schon dem Valienten ein,

Sie haben leider keine gefunden,

Davon das Kindlein könnte gesunden.

Nenn eines Tages bei Kriegsgefahren
Man bläst statt „Ähanraden" wieder „Fanfaren",
So fürcht' ich, das Kindlein stirbt davon
Aus Schreck und schwacher Konstitution.

Ihr denkt wohl, daß ihr jetzt fragen könnt:

Wer ist dieser schwächliche Vatient? —

Das Kindtcin, es wird im Deutschen Land
Der europäische Friede genannt!

Vlihdratzt-Meldungen.

Berlin. Nach Ablauf der Sommerferien stehen einige Veränderungen
im preußischen Ministerium in Aussicht. Offiziöse Quellen versichern,
Stöcker werde Kultusminister, Ahlmardt Finanzininister und der jetzt
wieder vielgenannte Füsilier Kutschke Kriegsminister; Herr v. Koller
bleibt im Amte.

Sachsen. Ein Mann wurde wegen groben Unfugs angezeigt, weil
er sich an keiner einzigen Schlachtfeier bethciligte. Da jene Feierlichkeiten
theiliveisc von Behörden angeordnet worden sind, so droht dem Manne viel-
leicht noch eine Denunziation wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt.

Paris. Die Franzosen sind Heuer zum ersten Male froh darüber,
daß sie 1870 geschlagen wurden; sie brauchen jetzt nicht den ganzen
Sommer Hurrah zu schreien.

Zum Sedanfeft.

i.

Huf die gelben Fluren nieder taumelt welk der
Schmuck der Bäume;

Herbstlich öde und verlassen ruh'n des Friedhofs
stille Räume.

Rur in einer kleinen Lcke, drüber rankt die
Trauerweide,

Kniet ein Weib mit bleichen Zügen und in
ärmlich dunklem Kleide.

Ihre Hände sind gefaltet, ihre Lippen beben
leise.

Und von ihren Wimpern tropfen reiche Thränen,
bitt're, heiße.

Denn vor ihr im kleinen Hügel, eng für immer
eingeschlossen.

Ruht ihr Sohn, der einz'ge liebe: in der Schlacht
ward er erschossen.

Ruht der Sohn, der Mutter Wonne und ihr
Stolz in alten Tagen,

Der mit seiner starken Schulter half ihr alle
Lasten tragen.

Der mit frischer Kraft geschritten an die Arbeit
jeden Morgen,

Der von seiner Mutter Seele fern das Kümmern
hielt und Sorgen.

In derLchlacht ward er erschossen, schläft
jetzt stumm in kühler Truhe,

Und die Mutter betet leise: „Herr, gieb' ihm
die ew'ge Ruhe!"

Horch! Da klingt von fern ein Brausen wie
von wilden Meereswogen,

Wie wenn dichteMenschenschaaren lautvoll durch
die Kassen zogen;

Kränze weh'n und von den Kiebeln bunte
Fahnenwimpel wallen,

Langgezog'ne Klockenklänge und Keschützes-
donner Hallen.

vor dem Rathhaus auf dem Markte drängt
sich Kopf an Kopf die Menge.

Auf der Bühne spricht ein Redner, spricht mit
Feuer, Lrnst und Strenge,

Spricht vom großen Sedansiege und von Voltes
gnäd'ger Führung,

von der Herrlichkeit des Reiches, von des
Kampfesfeuers Lchürung,

Spricht, daß all' der Tapfer» Name sei im
Heldenbuch zu lesen.

Daß für König und für Heimath sei so süß der
Tod gewesen;

Spricht von Pflicht und Volkesfreude, von des
Zweiflerschwarms Femeinheit,

Spricht vom großem deutschen Keiste, von der
großen deutschen Linheit.

Sprichts — und aus viel tausend Kehlen bricht
ein Sturm von Beifallstönen,

Daß ins Land die Widerhalle und hinauf zum
Himmel dröhnen.

In des Friedhofs stiller Lcke, an des kleinen
Krabes Rande,

Kniet die Mutter noch in Thränen, noch in
dunklem Klaggewande,

Betet noch und betet wieder: „Herr! gieb' ihm
die ewige Ruhe!"

Ferner braust der Jubel weiter, — ach, der
Lärm von tausend Ziegen

Kann den Jammer einer Mutter um ihr Kind
nicht überwiegen.

[ Sr- Stolze.

II.

An' Anfrag'.

H Bauer hat drei Buabn im Feld,

Sie lassen gar nix hör'n.

Jetzt is er halt nach Münka nein
Zum Fragen in d' Käfern.

„Wie geht's mein Toni?" hat er gf'ragt,
Den mag er halt vor Allen,

Da schaugen's nach und sagen's ihm:

„Der is bei Wörth drin g'fallen."

„V mein 8ott, nei'! — und unser Hans?"

„Der is mit siebezig Mann
Bei Sedan g'fallen." — „And der Sepp?"
„Der liegt bei Vrleans!"

Der Alte sagt koa Wort und geht.

Lr hebt sich an am Kasten,

Am Stuhl, am Thür'gschloß, an der Stieg'n —
Lr muß a weni rasten.

Drunt auf der Staffel vor'm Haus,

Da is er niederg'seffen;

Lr halt sein Hut no' in der Hand,

Lr hat auf All's vergessen.

Ls gengant wohl viel tausend Leut,
viel hundert Wag'n vorbei.

Der vader sitzt no allweil dort. . <

„Drei Buabn und — alle drei!"

Karl Stieler.
 
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