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2028

Die vaterlanöslose Rotte.

'Von einer Rotte Menschen hört' ich sprechen,

Die jedes Anspruchs auf den Namen „Deutsch"
Regeben sich durch niedrige Gesinnung
Und Lochverraib. „Was haben sie gethan?

Was thun sie noch?" so fragt' ich unwillkürlich,
Und eine ernste, tiefe, klare Stimme
Gab mir die Antwort. Kam sie aus der Löhe,
Kam aus der Tiefe sie? Ich weiß es nicht,

Doch unvergeßlich sind mir ihre Worte:

„Die Rotte baut den Rriestern ihre Kirchen,

Die mit den Thürmen in die Wolken greifen,

Den Reichen baut sie schimmernde Raläste,

Indeß sie selbst in dürft'gen Lütten wohnt;

Mach rothem Gold durchwühlt und bleichem Silber
Sie Tag und Nacht der Erde Eingeweide;

Sie zimmert Schiffe, die mit scharfem Kiel
Die Meerffuth pffügen und von -Land M -Land
Der Erde Schätze unermüdlich tragen;

Sie webt das -Linnen und die weiche Seide,

Indeß sie selber kaum die Rlöße deckt;

Sie schafft iin Schweiße ihres Angesichts
Im Sonnenbrände, wie in ew'ger Nacht,

Und hat doch kaum, daß sie den Lunger stille
Und frische Kraft ?u neuem Schaffen sammle;

Sie pffegt die Kranken und begräbt die Todten,
Wenn durch die Gaffen fahlen Angesichts
Die Seuche schleicht und alle Reichen fließen
Und „skrophulös-armsetiges Gesindel"

Schilt naserümpfend man sie hinterher;

Sie schlägt die Schlachten ihrer flohen Lerrn
Und ihrer Söhne starke Knochen bleichen
In allen Zonen, wo man nach der Schlacht
Wie Lunde die Gefallenen verscharrte —

Die Rotte aber hat kein Vaterland;

Äs hat an Geist und Körper die Natur
Sie gleich den Reichen freundlich ausgerüstet
Und doch soll in Äedankenknechtschaft leben
Die blinde Rotte, nimmer soll sie frei
Ihr eignes Schicksal sich gestalten dürfen,

Denn solche Areiheit soll das Vorrecht sein
Der Landvoll Glücklicher, die Vorsicht zeigten
Und feine Rasen bei der Ältern Wahl.

So war von jeher der Enterbten -Loos.

Drum nehmen sie gehorsam auch entgegen
Den Ehrentitel, der sie heute schmückt,

Das herbe „hochverrätherische Rotte",

Um ihn, wenn auch mit einem bittren -Lächeln,
Getrost Mm allem Uebrigen M legen."

-SD> „Achtung!" E<—

§ollah, der Wind weht wieder scharf
Und schneidig, wie vor Jahren!

Der ordinärste Packan darf
Uns nach den Waden fahren.

So manches stille Kämmerlein,

Ls wird demnächst bewohnet sein;

Ls putzt in aller Ztille
Der Ztaatsanwalt die Brille.

Verfahren ist man viel zu mild
Mt denen, die nur hassen;

Man hat in Bede, Zchrist und Bild
Zu vieles durchgelassen.

Mas „diese" Presse anbetrifft,
verbreitet sie ja eitel 8ift,

Aogar an ihrem 8otte
vergreift sich diese Botte.

Der greisen Heldenväter Ruhm
Wird spöttisch ausgepfiffen;

Das dreimal heil'ge Ligenthum
Wird schamlos angegriffen;

Zoll nicht Lntsetzlichstes gefchehn.

Muß man zu Leib der Presse gehn.

Man muß voll Kottvertrauen
verschneiden ihr die Ulanen.

Militärische Staatsliilse.

Das Militär ist nach konservativen Anschau-
ungen nicht nur berufen, den Adel von den Un-
annehmlichkeiten der Verfassung zu erlösen, sondern
es soll auch dazu kommandirt werden, Geld in
den ewig leeren Beutel der Agrarier zu thun.

Wie dies zu ermöglichen sei, darüber sind die
findigen Schnorrer Bärbach, Kanitz und Konsorten
nicht verlegen. Sie verlangen zum Beispiel, die
Heeresleitung solle ihnen all ihr Korn abkaufen,
gleichviel ob sie es braucht oder nicht, und soll
dafür einen Preis festsetzen, der den Marktpreis
um so viel übersteigt, wie jene Rotte von Men-

schen, welche man Agrarier nennt, gerade zum
Verlumpen brauchen kann.

Dieses bescheidene Verlangen ist zwar noch nicht
akzeptirt, aber es wird mit der Regierung und in
der Presse eifrig darüber verhandelt, und bei der
Bereitwilligkeit, mit welcher die Regierung den
Großgrundbesitzern bisher schon viele Millionen
Liebesgaben gespendet hat, ist es gar nicht unmög-
lich, daß die Steuerzahler nächstens das Brot der
Soldaten doppelt bezahlen müssen, damit der Sol-
datenmagen eine Rente für den Großgrundbesitz
ergiebt und die Agrarier in die Lage gesetzt werden,
auf die Kriegskasse Hypotheken aufzunehmcn.

Das wäre nun ganz schön, aber cs hat be-
denkliche Konsequenzen. Nicht alle Leute verkaufen
Getreide, und wenn der Kriegsminister den Ge-
treideverküufcrn als verpflichteter Aufkäufer der
Waare dienstbar wird, so können die Verkäufer
anderer Artikel die gleiche Liebenswürdigkeit von
ihni fordern.

Zum Beispiel haben die Konditoren durch
die Kundschaft der Lieutenants nur einen sehr
mäßigen Vortheil von: Militarisnius. Wenn für
den Geldsack des Kornhändlers die gesammte
Reichsarmee eintritt, so ist nicht abzusehen, ivarnnt
nur der Lieutenant Knickebein trinken soll. Es
müßten vielmehr alle Korporalschaften nach der
Konditorei kommandirt werden, und anstatt den
Stechschritt zu üben, müßten sic Knickebein
schlürfen, statt zu den Waffen, müßten sie zu
den Waffeln greifen.

Recht angenehm wäre es auch, wenn die
Regcnschirinfabrikanten die Unterstützung
der Heeresleitung in Anspruch nehmen würden.
Dann müßte die ganze Reichsarmcc mit Regen-
schirmen ausgerüstet werden; die Infanteristen
würden den Schirm vielleicht statt des Bajonetts
tragen, die Kavalleristen an den Spießen, und die
Artillerie müßte für jedes Geschütz einen großen
I rochen Familienschirm bekommen. Das würde
die Siegessicherheit im Felde bedeutend erhöhen,
denn die Feinde würden vor Lachen gar nicht
i schießen können.

Bedenklicher würde die Sache allerdings wer-
den, wenn die Spielwaarenfabrikanten an
die Heeresleitung ihre Ansprüche stellten. Dann
müßten alle Soldaten standrechtlich zum Heirathen
kommandirt werden, damit mehr Kinder in die
Welt kommen und sonnt der Bedarf an Spiel-
waaren gesteigert wird. Natürlich müßte der
Staat, ähnlich wie den Kornverkäufern, auch den
Spielwaareuhändlern Ausnahmspreise bezahlen, so
daß ihm z. B. eine Schreipuppe, welche „Achtung!
Faßt das Jewehr — an!" schreit, vielleicht auf
zehn Mark zu stehen käme.

Das ließe sich alles hören und die Sieuer-
zahler würden dagegen so wenig rebelliren, wie
sie gegen die Millionengcschenke rebelliren, welche
der Staat den Schnapsbrennern zahlt. Aber
wohin kämen wir, wenn u. A. die Bauunter-
nehmer sagen würden: „Von Kasernen-, Zucht-
haus- und Festnngsbanten allein können mir
nicht leben! Wir bauen jetzt für jeden einzelnen
Soldaten eine Villa und die Heeresleitung muß
uns alle diese Bauten znin Ausnahmspreise ab-
kanfen; sonst machen wir cs, wie die „Kreuz-
zcitung" that, als sie die Regierung mit Hannner-
steinen bewarf."

Kommen nun noch die Champagnerfabri-
kantcn, die Leimsieder, die Posamentirer,
die Häringshändler, die Lichterzieher, die
Teppichfabrikantcn, die Photographen, die
Möbelhändler, die Ofensetzer, die Glaser,
die Schornsteinfeger und andere Gewerbe und
fordern dieselbe Bevorzugung, welche gegemvürtig
die Agrarier verlangen, dann dürfte der Staats-
säckel denn doch leer werden und selbst die geniale
Miquel'sche Prämienanleihe wird ihn auf die
Dauer nicht mehr zu füllen vermögen.

Aber auch dagegen gäbe es einen Rath.

Wenn man nicht mehr weiß, ivo hinein und
wo hinaus, so rufe man Auer, Bebel und Lieb-
knecht und übertrage ihnen einstweilen die Regie-
rung. Es wird nicht lange dauern, bis allen
Darbenden, wes Standes sie auch seien, gründlich
geholfen ist.
 
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