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2054

•^r Nus Schwaben.


Michel: Die Angscht um mein Karle bringt mi schier um. Heut
morgc ischt er wieder mit dem Regiment ausmarschirt bei dera Hitz.
Er wird mer doch uin Gotteswillen kein Hitzschlag kriaga.

Schultcs: Brauchscht gar koi Angscht z'han; der Hitzschlag ischt vom
kommandircnde General vcrbota.

Zwei Kreuzspinnen.

Der Stödcv und der ksammerstein,

Die spannen still, die spannen fein,
Die Fliegen zu berücken;

Sie waren Spinnen, schlau und dreist,
Sie trugen, beide rund und feist,

Das ICreuzbild auf dem Rücken.

Der Stöcker und der Hammerstein,

Die hatten einstens Glück und Schwein,
Jetzt sitzen sie in Rümmer:

Obgleich sich in ihr Netz verfitzt,

Der heut in Friedrichsruhe fitzt,

Der große blaue Brummer.

Der Stöcker und der Hammerstein,
Die schauen Beide mürrisch drein,

Irr diesen bösen Tagen.

Ihr Renommee ist abgeschabt —
was haben sie denn nun gehabt
Don allen ihren Klagen?

Der Stöcker und der Hammerstein,
Die sehen das wohl selber ein —

Gs will halt nichts mehr glücken.
Ihr beiden biedern Söhne Teut's,
was hilft euch nun das schöne Kreuz
Auf eurem breiten Rücken?

Briefkasten.

(Manuskripte werden nicht zurückgesandt.)

Die Behauptung des „Soz. Akadem.", daß
der „Wahre Jacob" ein „Witz"blatt ohne Witz
sei, ist so alt, wie der „Wahre Jacob" selbst.
Alle „guten Freunde" behaupten das. Eigent-
lich will der „Wahre Jacob" gar kein Witz-
blatt im landläufigen Sinne sein, sondern ein
Kampfblatt für die Genossen. Daß er dabei
in seinen Beilagen der Kunst und der Unter-
haltung einen großen Platz einräumt, ist ihm
noch von keinem vernünftigen Genossen ver-
dacht worden. Aber gar so stiefmütterlich
wird der „Witz" doch auch nicht behandelt.
Lassen wir darüber einen Unparteiischen reden.
In der „Jll. Staats-Zeitung" findet sich ein
Aufsatz über die sozialdemokratische Presse, der
von einem bekannten Leipziger Schriftsteller
verfaßt worden ist. Freund Hepner sandte uns
das Blatt kurz vor seinem Tode zu. Es
heißt darin u. A.: „Der »Wahre Jacob' ....
übertrifft an Geist und Schlagfertigkeit alle
humoristisch-satirischen Wochenschriften unserer
Ordnungsparteien. Bor dem Frontgedicht z. B.
»Eine Verbeugung nach Friedrichsruh' ver-
schwindet alles, was ein Trojan, ein Stetten-
heim oder ein Siegmund Haber bisher zu
leisten vermochten." — Wir sind nicht von der
Reklame erbaut, es genügt uns, mit unfern
Lesern auf gutem Fuß zu stehen, aber obiges
Urtheil, dem wir noch zahlreiche ähnlich lautende
Urtheile hinzufügen könnten, glaubten wir doch
im Interesse unserer Mitarbeiter bringen zu
müssen. — Im Uebrigen gestatten wir Allen,
die ein Bedürfniß dazu fühlen, nach Herzens-
lust über uns zu schelten.

Gen Mäkelbörger. „Reakschonär un
olle Hunn, wie reimt fick dat tosamm? De
Reakschonär willn uns dat Wahlrecht nich laten,
— un olle Hunn bieten keine Knaaken —,
so reimt sick dat tosamm." — Die Gedichte
riechen gar zu sehr nach dem Stall.

I. M. in B. Das Gute ist nicht neu,
und das Reue ist nicht gut. — Der Brief ist
als unbestellbar zurückgekommen.

M. G. Solche Verslein senden Sie nur
des Oefteren ein:

„Derweilen die Marine
Wird glänzend ausstaffirt.

Wird auch die deutsche Freiheit
Wie 'n Häring marinirt."

? „Wer aus öffentlichen Mitteln Unter-
stützungen bezieht, ist von der Wahl aus-
geschlossen. Demnach müssen die „Liebesgaben"
empfangenden Junker u. A. von dem passiven
und aktiven Wahlrecht ausgeschlossen und ins
Armenhaus gesperrt werden." Merken Sie
denn nicht, daß die Junker deshalb das
Wahlrecht abschaffen wollen und dazu die
schlagendsten Gründe haben!

,,Primäre Verrücktheit" mit ,,total
verrückten parallelstellen". Beim Lesen
Ihrer Einsendung ist uns ganz „schwummerig"
geworden.

p. H. in B. Den Sitzungssaal des deut-
schen Reichstags sollen wir in farbiger Aus-
führung bringen? Das müssen wir uns recht
reiflich überlegen.

H. D. in H. Das Lied: „Schon dämmert
in der Ferne das Morgenroth" ist von einem
deutschen Gericht inkriminirt und verboten
worden. Wenn Sie dafür singen wollen:

! „Rach Juchten riecht es im Nordosten gar
sehr", so dürfte kein Staatsanwalt etwas
dagegen einwenden können.

R. in S. Die Strophe ist so klangvoll, daß
wir sie den Lesern nicht vorenthalten wollen:,
„Des Sozialismus glänzender Sieg!"

So tönt es siegestrunken.

Die Molche-Strolche stöhnen im Sumpf,

Es heulen die Unken-Hallunken.

Desgleichen drucken wir noch drei Strophen
aus dem „Jmmortellenkranz" ab:

Verstummt sein Mund! — Jedoch sein Wort
Ist fern in alle Welt gedrungen.

Das Arbeitsvolk wird fort und fort
„Reden mit Engelszungen".

Dem Krebs ist er erlegen.

Der Denker der Revolution,

Der traf mit tödtlichen Schlägen
Den Krebs der Reaktion.

Dem Geisteshelden, der verblich,
Erob'rern nicht geziemen Apotheosen.
Wir haben einen Karl den Großen
Und einen großen Friederich.

Darum.

A. : Warum beschäftigen sich konservative Blätter so häufig
mit den inneren Angelegenheiten der sozialdemokratischen Partei?

B. : Weil das eine viel sauberere Arbeit ist. als wenn sic sich mit

den inneren Angelegenheiten der konservativen Partei beschäftigen
müßten. --

Unsicherer Aufenthalt.

v. L.: Nun, Kamerad! Gar nicht in Sommerfrische,?

v. U.: Nee! Hatte keen Jeld.

v. £.: Geld? Duell anstiften, auf Festung kommen. Festung
schneidige Sommerfrische.

v. A.: Ja, wenn Begnadigung nicht wäre!

Vom Exerzierplätze.

Korporal: He, Müller, schweben Sie man nicht so gespenstisch
daher; Sie sehen ja aus, wie der reine clotus sventualis!

A. R. in D. Bereits Gedrucktes können
wir nicht noch einmal bringen.

H. Wenn die Fragekasten in den sozial-
demokratischen Vereinen als Geldschrank für
das Vereinsvermögen benutzt werden, dann
darf man sich über häufige Konfiskationen
der Fragekasten nicht wundern.

G. in B. Die Affaire Rumpel mit dem
Raubmörder Sobczik können wir nicht illu-
striren.

R. G. „Welches sind die besten Kasernen-
hofblüthen? Die Reden des Kriegsministers
Bronsart v. Schellendorf im Reichstag."

S. I. in München. „Aus der Schule.
Lehrer: Wer kann mir eine berühmte Schlacht
nennen, in welcher sich die bayerischen Sol-
daten mit Ruhm bedeckten? Der kleine Pepi:
In der Schlacht von Fuchs müh l."

K. Sch. in B. Beides ist schon in ähn-
licher Form von uns gebracht worden.

R. w. in B. Wir haben uns viele Mühe
gegeben, um Ihren vier Quartseiten langen
Brief zu verstehen, — es ist uns nicht gelungen.

Hamburg - Gilbeck. Die Gerechtigkeit
ist noch nicht korrigirt, sie ist fehlerhaft, die
Gerechtigkeit ist erst halb fertig, die Gerechtig-
keit ist von der Polizei konsiszirt, sie ist beim
Transport verloren gegangen, die Gerechtig-
keit leidet an einem chronischen Defizit, —
alle diese Scherze sind uns schon zugegangen;
daß aber die Genossen im Essener Prozeß
verurtheilt wurden, weil die Gerechtigkeit
ein gegangen, ist neu. — Wir veröffent-
lichen hiermit zur Befriedigung aller Ein-
sender die ganze Liste, und bemerken dazu,
daß die „Gerechtigkeit" das Organ der Werft-
arbeiter war und vor einiger Zeit aus Mangel
an Abonnenten sanft entschlafen ist. — Jetzt
wird wohl die liebe Seele Ruhe haben und
die Gerechtigkeit weiter schlafen.

p. M. in Vr. Wird sich schon wieder
einstellen.

p. R. in G. Hier eine Strophe Ihres
Gesangs:

Der Zukunft sein Leben will er nur noch weihn.
Der Gedanke allein sich bei ihm Bahn bricht!
Eine denkende Zukunft soll es ihm sein.

Er erkannte durch Sinnen der Wahrheit Licht.
Im heutigen Leben voll Frohsinn und Freud',
Erkennt er den Ruin der anbrechenden Zeit!

Das ist eine Poesie nicht nur zum Bahn,
brechen, sondern zum Brechen überhaupt.

Wir erklären wiederholt, daß wir Urtheile
über eingesandte Gedichte nicht abgeben. —
Abgelehnt: Ls. G. in U., w. B. in B..
Ls. K. in B.. M. O. in F.. F. M. in Ls..
L. Ls. G., Ls. in H.. F. w- in B.. B. ff.
in B., L. w. in £., Ls. Ls. in Ls.. G. Ls.
in Ls.. A. S. 1. Rotte, w. IC. in L., O. S.
in L., M. Sch. in F.. Ls. N. in Fr. a. M.,
L. M. in B.. Ls. F. in Ls., A. S. 2. Rotte.

Zum Kampf gegen den Umsturz

durch Polizeimittel schlügt ein guter Freund
von Ordnung, Religion und Sitte folgende
Polizeiverordnung vor.

Polirriverordnung.

Gegeben zu Rappelskirchen am 2. 9. 1971.

Da das Licht der Aufklärung die Fleder-
mäuse und Eulen schmerzhaft berührt, so wird
hiermit verordnet:

1. Alle öffentlichen Gebäude sind gräulich
anzustreichen.

2. Rothe Nasen sind an öffentlichen
yrten ebenso geheim zu halten, wie die
Nase, die mein Herr Chef mir noch schuldet.

3. Der Regenbogen hat fortan nur
unter Fortlassung des Roth zu erscheinen.

4. Aurora wird verboten, ums Morgen-
roth aus dunklen Träumen emporzufahren:
sie hat liegen zu bleiben.

5. Abendroth und Morgenroth
haben sich in unserem Polizeigebäude, das
die Ueberschrift trägt:

„Nach Freiheit strebt der Mann,
das Weib nach Sitte"
innerhalb 24 Stunden einzufinden und sich
dort in den Dienst der Blauen zu begeben.

6. Das rothe Blut wird von morgen
Mittag ab auf dem Polizeigebäude gratis
grün gefärbt.

7. Jedes Aufsteigen von Schamröthe,
insbesondere bei Lesen behördlicher Anord-
nungen, wird hiermit verboten.

Wer gegen diese Polizeiverordnung han-
deln oder in anderer Weise die rothe Farbe
verbreiten sollte, wird konfiSzirt und muß so
lange sitzen, bis er schwarz wird.

verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz in Stuttgart.
 
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