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2056

Gin Programm.

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ernehmet meiner Weisheit Wort
Und werdet meines Geistes Schüler:
Es müssen alle Hetzer fort
Aus unsrem Reich und alle Wühler!
Das schleicht herbei, bis es gelingt,
Dem Volke Gift ins Ohr zu tropfen!
Seht zu, daß ihr cs fertig bringt,

Der argen Brut das waul zu stopfen!

Ein Huhn in eines Jeden Topf,

Ein voller wagen einem Jeden!

Dann mag der schlauste Schwindelkopf
Den wund sich zu den Ohren rede»,
wit Frieden und Gerechtigkeit
Und in der Freiheit klarem Lichte
wacht ihr den schwersten Fluch der Zeit,
wacht die Verführer ihr zu nichte!

Futsch ist sie ohne Gegenwehr!

Sie wird mit ihren Umsturzbrockcn
Auch nicht den dümmsten Röter mehr
Aus seiner Ofenecke locken.

Das Volk, das trunken jetzt von Hast,
wird ganz von selber sich ermannen;
Es ruft: „Apage, Satanas!

Nun hebe schleunigst dich von dannen!"

Und das ist leichter, als ihr denkt,

Für ein bewußtes, ernstes Streben,
wenn ihr den Staat mit Umsicht lenkt,
wird's bald nur noch Zufriedne geben.
Die Sache kommt sofort ins Loth,
wenn ihr gewährt, was jene ivollen —
Gebt Freiheit, Frieden, Recht und Brot,
Sowird gar bald keinwensch mehr grollen!

Es ist nur eine Rleinigkeit
Und dennoch spart sie euch den Säbel
Und schließt mit voller Sicherheit
Der wühlcrschaft die kecken Schnäbel.
Nicht angenehm ist sicherlich
Das cwge Demagogenriechen —

Dann wird von selbst die Sippe sich
Ins nächste Mauseloch verkriechen.

was will der ärgste Wühler dann,
wenn ihr erhört den Schrei der Massen?
Der wahrhaft arme Schlucker kann
Sich ruhig nur begraben lassen,

Denn gründlichst auf den Sand gesetzt
wit seinen vollgestopften Brandern,
was bleibt ihm übrig denn zuletzt,

Als — zähnefletschend auszuwandern?

Dann schwiegen — welcher Hochgenuß! —
Die uns so harte Schwierigkeiten,

Die uns so nagenden Verdruß,

Die so viel Sorge uns bereiten!

Es ist so leicht, wie schon gesagt,
Doch dazu müßt ihr euch verstehen,
Denn anders, ob ihr noch so klagt,
wird es ganz sicher niemals gehen!

Vlitzdraßt-Meldungen.

Berlin. Da der Abschluß eines neuen Kartells zwischen den reaktionären Parteien
noch auf Schwierigkeiten stößt, will man einstweilen ein Schnapskartell gründen.

Friedrichsruhe. Zwischen Bötticher und Bismarck hat ein Duell stattgefunden.
Ueber den Verlauf desselben meldet man: Erst schoß Bismarck dem Bötticher etwas vor, dann
traf letzterer den Bismarck ins Herz. Die Wunde ist ganz ungefährlich, edle Theile sind
nicht verletzt, denn gerade das Herz ist Bismarcks unedelster Theil.

München. Nachdem die bayerischeKamrner in der Fuchsmühl-Affaire beschlossen

hat, daß sie nichts zu sagen habe, sind die liberalen und ultramontanen Abgeordneten
vom Hausknecht aus dem Landtagsgebäude entfernt worden, und erhielten statt weiterer
Diäten^ nur noch das übliche Ortsgeschenk zur Weiterreise.

Elsaß. Hier sind neuerdings wieder deutsche Zeitungen unterdrückt worden.
Die Leser fügten sich den Konsequenzen dieser Maßregel und lesen nun französische
Zeitungen.

Paris. Ein Mann schlug vor, zur Feier der Einnahme von Antananarivo durch
französische Truppen künftig alle Jahre eine Antananarivo-Feier zu veranstalten. Der
Mann wurde auf seinen Geisteszustand untersucht und sodann ins Irrenhaus befördert.

ve worluis nil nisi bene!

(In zeitgemäß ergänzter freier Uebersetzung: Von todten Fürsten
rede zur Vermeidung von Strafanträgen nur Gutes.)

preßmensch in Germanenland.

Willst du in Frieden leben.

Dann alle todten Fürsten mutzt
Du in den Himmel heben.

Denn schreibst von einem Herzog du.
Gewesen sei ein Wicht er.

So steigt er aus der Ahnengrust
And schleppt dich vor den Richter.

Datz Aarl der Große arg getobt.

Nutzt du dem Volk verschweigen.

Du mußt auch den Ciberius
Im besten Lichte zeigen.

And mit dem Agamemnon selbst
Darfst du's nicht böse meinen.

Ls könnte sonst aus Griechenland
Lin Strafantrag erscheinen.

Du mußt, wenn du Geschichte schreibst.

Das Publikum belügen.

Die todten Fürsten rühme nur
In ihren „edlen Zügen".

Schreib': „Aero war ein frommer Ghrist,
Und keusch war Nessalina".

Dann tritt mit einem Strafantrag
Der Staatsanwalt dir nie nah. m. K.

Pädagogisches.

Es ist in den Staatsbetrieben verschiedener
Ressorts die traurige Thatsache hervorgetreten,
daß cs Staatsarbeitcr giebt, welche der staats-
erhaltendcn Sache nicht mit Leib und Seele er-
geben sind, sondern freventlich dem Sozialismus
zuneigen.

Welchen großen Schaden ein solcher sündhafter
Zustand anrichten kann, liegt auf der Hand. Die

Staatsarbeiter in den Pulverfabriken können
sozialistische Stinnnzetiel in die Patronenhülsen
stecken; die Leute auf den Schiffswerften können
in den Räumen der Kriegsschiffe geheime Ver-
sammlungen halten oder die Torpedoboote zur
Verbreitung des „Wahren Jacob" benützen; in
den Eisenbahnwerkstätten kann es Vorkommen,
daß man konservative Wahlaufrufe in Rauch auf-
gehen läßt und mittels der Dampfpfeife auf
ministerielle Verordnungen pfeift, -kurz, der Staat
j ist permanent in großer Gefahr.

Nun ist zwar die Leitung solcher Staats-
werkstätten in aufopferungsvollster Weise bemüht,
die sozialistisch gesinnten Staatsarbeiter mittels
der Kunst des Gedankenlesens zu ermitteln und
auszumerzen. Aber was in dieser Richtung ge-
schieht, reicht bei Weitem nicht aus, um die
Staatswerkstätten vor sozialistischem Gifte völlig
zu bewahren. So lange gewöhnliche Industrie-
arbeiter in diese Werkstätten Eingang finden, wird
auch jenes Gift eingeschlcppt werden.

Man muß daher einen eigene,: Arbeiterstamm
für den Staat systematisch erziehen. Dem-
gemäß muß die Anmeldung zur Staatsarbeit
durch die Reflektanten schon im frühesten Säug-
lingsalter geschehen. Die für sülchen Zweck be-
stimmten Säuglinge werden dam: in eine mili-
tärisch bewachte Anstalt gebracht und von der
übrigen profanen Welt ganz abgeschlossen. Sie
bekommen schwarz-weiße Windeln und eine mit
dem preußischen Adler gezierte Milchflasche. In
späteren Jahren giebt's Kommisbrot und dazu
Schnaps aus den Fabriken der westpreußischen
Granden. Der Unterricht muß sich darauf
beschränken, die Größe und Vortrefflichkeit des
preußischen Staates darzuthun und muß Alles
mit Schweigen übergehen, was Zweifel, Un-
zufriedenheit, rebellische Gedanken u. s> w. erregen
könnte.

Als Geschichtsunterricht muß gelehrt werden,
daß schon im Paradiese ein strammes preußisches
Staatswesen bestanden hat, denn es war dort
verboten, vom Baume der Erkenntniß zu essen.
Die strafwürdige Agitation einer Schlange, welche
eine Art Frauenbewegung ins Leben zu rufen
suchte, wurde mit Maßregelung und sofortiger
Entlastung ans dem Paradiese bestraft. Als
später Kain seinem Bruder Abel ungehörige Vor-
schläge machte, wurde er ein Jahr auf Reisen
geschickt und mußte fremde Länder anschanen, um
daran die Herrlichkeit der preußischen Heimath
zu ermessen.

Auch die Geschichte von den Staatsarbeitern
unter Pharao in Aegypten dürfte sich als Lehr-
mittel eignen. Jene Arbeiter wurden bekanntlich
unzufrieden und erlaubten sich, zu streiken. Sie
führten dadurch den Untergang des Königthums
herbei, welches in: rothen Meere zu Wasser wurde.
Zur Strafe verloren diese Staatsarbeiter ihre
Arbeit, mußten viele Jahre in der Wüste kam-
piren, wo es weder Schnaps noch Janerschc
Würste gab, und erst als sie durch den Tanz
um das goldene Kalb den: Kapitalisn:us hul-
digten, wurden sie wieder in Gnaden aus-
genommen und im kleinasiatischen Kolonial-
dienst verwendet.

Die neuere Geschichte — vom König David
bis in unsere Zeit — soll man den künftigen
Staatsarbeitern lieber verschweigen. Insbesondere
soll man sie nicht wissen lasten, daß es eine Ver-
fassung, und daß es Parlamente giebt, denn die
Kenntniß von solchen Dingen verdirbt die besten
Arbeiter. Sie bilden sich dann ein, staatsbürger-
liche Rechte zu haben, und erdreisten sich wohl
gar, Beschwerden durch Abgeordnete zur öffent-
lichen Kenntniß bringen zu lassen.

Im Unterricht von Lesen und Schreiben soll
man sich weiser Mäßigung befleißigen. Es ge-
 
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