2073
■s> (Zrkscirung. -e-«-
S-Z- ÄUS der Zeit. -S-L—-
91.: Möchte nur wissen, wie ein Mensch solches Schnndblatt zwei
Stunden lang lesen kann?
B.: Der liest Reklame, — er ist ja der Redakteur.
Neuer Titel.
Das preußische Eisenbahn-Miuisterium sollte eigentlich Schneckenpost-
Ministerium heißen, weil es mit der Saumseligkeit einer Schneckenpost
hinter der modernen Zeit zurückbleibt, anstatt ihr mit Lokomotiveu-
Schnelligkeit voranzueilen.
Junger Dichter: Es freut mich ungemein, die Gemahlin meines
treuesten 9lnhängcrs kennen zu lernen!
Dame: Ach ja, mein Mann schivärmt furchtbar für Sie! Sie dürften
die größte Dummheit schreiben und er wäre doch entzückt davon!
Im Foyer.
A. : Hören Sie, der neue Rcichsschatzsekrctär hält schrecklich trockene
Reden.
B. : Ist das ein Wunder, wenn der ganze Reichsschatz auf dem
Trockenen sitzt!
Ihm selber war nichts auszureden; sic kannte
seinen Starrsinn. Darum eilte sic in aller Frühe
zu dem Oberpriester Cajus Dolabella, der ein
Freund des Hauses Rufus war. Ihm vertraute
sie sich an und bat um Rath und Hilfe.
Dolabella schüttelte bedächtig das kahle Haupt.
„Da ist guter Rath theuer!" meinte er, „die
Sache ist schon zu weit gediehen!"
Scmprouia weinte und rang die Hände.
„Du bist doch sonst so klug, würdiger Vater",
sagte sie. „Besinne Dich!"
Er saun und saun. Endlich sagte er: „Dein
Manu ist fromm und den alten Göttern ergeben.
Zu Beginn des Festes werde ich den Göttern
opfern und sie um ihren Rath befragen. Was sic
offenbaren, darnach soll sich Dein Mann richten.
Das sag' ihm!"
Senipronia ging getröstet von dannen.
Zu Tausenden und aber Tausenden strömte
das Volk auf das Kapitol. Im vergoldeten
Wagen fant Nero ungefähren und setzte sich, in
Purpur gehüllt, das Diadem um die Stirn, auf
den Thron. Um ihn gruppirten sich die Ge-
nossen und Genossinnen seiner Lüste, verkommene
Männer, freche, in ihren Prachtgemänderu halb-
entblößte Weiber. 9llles Volk fiel aufs Angesicht,
als der Herrscher den Thron bestieg; die weltbcherr-
scheude Nation lag vor dem Wüstling im Staube.
Das Nationalfest begann.
Am Altar in der Nähe des Kaisers stand
Dolabella und das feierliche Opfer ward voll-
zogen. Junge breitstiruige Rinder wurden ge-
schlachtet und ihre Gedärme sorgfältig vom
Haruspex, dcui Eingcweideschauer, studirt, während
die Opferflammc, welche die Rinder verzehrte,
hoch emporschlug und dichte Rauchwolken über
die Volksmasse sich dahimvälzteu.
Tiefes Schweigen herrschte in dem weiten
Raum.
Zur Seite des Kaisers aber stand Rufus, das
verhängnißvolle Bartmcsser, scharf geschliffen, in
der bebenden Hand. Sein Weib hatte ihn ermahnt,
heute besonders auf die Weissagung des Obcr-
pricsters zu achten, und er lauschte gespannt
hinüber.
„Die Götter verkünden", sprach langsam der
Oberpriestcr, indem er den Barbier scharf ansah,
„daß Nicumud ihren Rathschlüssen vorgreifen soll.
Wer dem Spruch entgegeuhandelt, den wird der
Zorn der Götter treffen, er wird vergehen, wie
der Rauch, der über Euren Häuptern dahinweht!"
Dem Barbier fiel vor Erregung das Bart-
messer zur Erde. Was war daS?
Nero aber sprach zu seinen Vertrauten:
„Was für ein Unsinn, den der einfältige
Priester wieder aus der Rinder Gedärmen hcraus-
gegrübelt hat!"
Sie lachten und Anccntus, einer der Tollsten,
sprach:
„Sic sollten die Zukunft aus ihren eigenen
Gedärmen lesen!"
Jetzt lachte Nero laut auf.
„Ein guter Gedanke!" meinte er. „Vielleicht
versuchen wir es einmal damit!"
Die goldene Kugel ward in feierlicher Pro-
zession wie ein Heiligthum von einem Zuge von
fünfzig weißgekleideten jungen Römerinnen hcrbei-
gebracht. Dann trat Rufus vor. Der Moment
war da. Die funkelnden Augen der Germanen
waren auf die Hand des Barbiers gerichtet.
Eine fatale Stille lag über der Masse.
9lbcr Rufus rasirte das kaiserliche Kinn zu
Ende und steckte sein Bartmesser daun ruhig ein.
Die Germanen machten enttäuschte Gesichter. Da
mußte irgend etwas dazwischen gekommen sein,
dachten sic, und verhielten sich ganz ruhig.
Das abrasirte Barthaar wurde in die Kugel
gcthau und diese auf dem 9lltar nicdcrgclcgt.
Dann warf sich das Volk wieder aufs Angesicht
und rief dreimal:
„Heil dem allmächtigen, allweiseu, allgütigcu
Cäsar!"
Darauf wurde das Volk gespeist und ihm
Spiele gegeben nach Cäsarenbrauch. Laut pries
der feile Pöbel die kaiserliche Gnade! —
Am anderen Tage kam die Kunde, daß die
Legionen in den Provinzen sich empört, einen
Gegcnkaiser gewählt und den Marsch nach der
Hauptstadt angctrctcn hätten. Die Römer zeigten
sich unruhig; sie erwarteten von dem neuen Kaiser
neue Geschenke und Spiele. Nero flüchtete; als
er seinen Verfolgern nicht mehr entrinnen konnte,
beschloß er, sich zu tobten, aber er hatte nicht den
Muth zur Ausführung und machte eine lange Todes-
qual durch, bis ihn ein Sklave aus Mitleid erstach.
Dolabella aber sprach zu Rufus: „Du siehst,
er war reif und meine Weissagung war zutreffend.
Denn die Götter haben ihn schwerer gestraft, als
Du vermocht hättest."
„Du sprichst wahr," sagte Rufus, „aber, im
Vertrauen, hast Du das wirklich a»S den Ge-
därmen der Rinder herausgelesen?"
„Das ist Amtsgehcimniß,mein Sohn!" antwor-
tete Dolabella und ging laugsaui dem Tempel zu.
■s> (Zrkscirung. -e-«-
S-Z- ÄUS der Zeit. -S-L—-
91.: Möchte nur wissen, wie ein Mensch solches Schnndblatt zwei
Stunden lang lesen kann?
B.: Der liest Reklame, — er ist ja der Redakteur.
Neuer Titel.
Das preußische Eisenbahn-Miuisterium sollte eigentlich Schneckenpost-
Ministerium heißen, weil es mit der Saumseligkeit einer Schneckenpost
hinter der modernen Zeit zurückbleibt, anstatt ihr mit Lokomotiveu-
Schnelligkeit voranzueilen.
Junger Dichter: Es freut mich ungemein, die Gemahlin meines
treuesten 9lnhängcrs kennen zu lernen!
Dame: Ach ja, mein Mann schivärmt furchtbar für Sie! Sie dürften
die größte Dummheit schreiben und er wäre doch entzückt davon!
Im Foyer.
A. : Hören Sie, der neue Rcichsschatzsekrctär hält schrecklich trockene
Reden.
B. : Ist das ein Wunder, wenn der ganze Reichsschatz auf dem
Trockenen sitzt!
Ihm selber war nichts auszureden; sic kannte
seinen Starrsinn. Darum eilte sic in aller Frühe
zu dem Oberpriester Cajus Dolabella, der ein
Freund des Hauses Rufus war. Ihm vertraute
sie sich an und bat um Rath und Hilfe.
Dolabella schüttelte bedächtig das kahle Haupt.
„Da ist guter Rath theuer!" meinte er, „die
Sache ist schon zu weit gediehen!"
Scmprouia weinte und rang die Hände.
„Du bist doch sonst so klug, würdiger Vater",
sagte sie. „Besinne Dich!"
Er saun und saun. Endlich sagte er: „Dein
Manu ist fromm und den alten Göttern ergeben.
Zu Beginn des Festes werde ich den Göttern
opfern und sie um ihren Rath befragen. Was sic
offenbaren, darnach soll sich Dein Mann richten.
Das sag' ihm!"
Senipronia ging getröstet von dannen.
Zu Tausenden und aber Tausenden strömte
das Volk auf das Kapitol. Im vergoldeten
Wagen fant Nero ungefähren und setzte sich, in
Purpur gehüllt, das Diadem um die Stirn, auf
den Thron. Um ihn gruppirten sich die Ge-
nossen und Genossinnen seiner Lüste, verkommene
Männer, freche, in ihren Prachtgemänderu halb-
entblößte Weiber. 9llles Volk fiel aufs Angesicht,
als der Herrscher den Thron bestieg; die weltbcherr-
scheude Nation lag vor dem Wüstling im Staube.
Das Nationalfest begann.
Am Altar in der Nähe des Kaisers stand
Dolabella und das feierliche Opfer ward voll-
zogen. Junge breitstiruige Rinder wurden ge-
schlachtet und ihre Gedärme sorgfältig vom
Haruspex, dcui Eingcweideschauer, studirt, während
die Opferflammc, welche die Rinder verzehrte,
hoch emporschlug und dichte Rauchwolken über
die Volksmasse sich dahimvälzteu.
Tiefes Schweigen herrschte in dem weiten
Raum.
Zur Seite des Kaisers aber stand Rufus, das
verhängnißvolle Bartmcsser, scharf geschliffen, in
der bebenden Hand. Sein Weib hatte ihn ermahnt,
heute besonders auf die Weissagung des Obcr-
pricsters zu achten, und er lauschte gespannt
hinüber.
„Die Götter verkünden", sprach langsam der
Oberpriestcr, indem er den Barbier scharf ansah,
„daß Nicumud ihren Rathschlüssen vorgreifen soll.
Wer dem Spruch entgegeuhandelt, den wird der
Zorn der Götter treffen, er wird vergehen, wie
der Rauch, der über Euren Häuptern dahinweht!"
Dem Barbier fiel vor Erregung das Bart-
messer zur Erde. Was war daS?
Nero aber sprach zu seinen Vertrauten:
„Was für ein Unsinn, den der einfältige
Priester wieder aus der Rinder Gedärmen hcraus-
gegrübelt hat!"
Sie lachten und Anccntus, einer der Tollsten,
sprach:
„Sic sollten die Zukunft aus ihren eigenen
Gedärmen lesen!"
Jetzt lachte Nero laut auf.
„Ein guter Gedanke!" meinte er. „Vielleicht
versuchen wir es einmal damit!"
Die goldene Kugel ward in feierlicher Pro-
zession wie ein Heiligthum von einem Zuge von
fünfzig weißgekleideten jungen Römerinnen hcrbei-
gebracht. Dann trat Rufus vor. Der Moment
war da. Die funkelnden Augen der Germanen
waren auf die Hand des Barbiers gerichtet.
Eine fatale Stille lag über der Masse.
9lbcr Rufus rasirte das kaiserliche Kinn zu
Ende und steckte sein Bartmesser daun ruhig ein.
Die Germanen machten enttäuschte Gesichter. Da
mußte irgend etwas dazwischen gekommen sein,
dachten sic, und verhielten sich ganz ruhig.
Das abrasirte Barthaar wurde in die Kugel
gcthau und diese auf dem 9lltar nicdcrgclcgt.
Dann warf sich das Volk wieder aufs Angesicht
und rief dreimal:
„Heil dem allmächtigen, allweiseu, allgütigcu
Cäsar!"
Darauf wurde das Volk gespeist und ihm
Spiele gegeben nach Cäsarenbrauch. Laut pries
der feile Pöbel die kaiserliche Gnade! —
Am anderen Tage kam die Kunde, daß die
Legionen in den Provinzen sich empört, einen
Gegcnkaiser gewählt und den Marsch nach der
Hauptstadt angctrctcn hätten. Die Römer zeigten
sich unruhig; sie erwarteten von dem neuen Kaiser
neue Geschenke und Spiele. Nero flüchtete; als
er seinen Verfolgern nicht mehr entrinnen konnte,
beschloß er, sich zu tobten, aber er hatte nicht den
Muth zur Ausführung und machte eine lange Todes-
qual durch, bis ihn ein Sklave aus Mitleid erstach.
Dolabella aber sprach zu Rufus: „Du siehst,
er war reif und meine Weissagung war zutreffend.
Denn die Götter haben ihn schwerer gestraft, als
Du vermocht hättest."
„Du sprichst wahr," sagte Rufus, „aber, im
Vertrauen, hast Du das wirklich a»S den Ge-
därmen der Rinder herausgelesen?"
„Das ist Amtsgehcimniß,mein Sohn!" antwor-
tete Dolabella und ging laugsaui dem Tempel zu.