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2076

^ Gruh in den Kerker. ^

I^un sinkst du nieder in der Dämmrung Schleier,
Du Tust der Kinder, deren Auge lacht.

Du wundersame, zarte Tiedech'eier,

Die deutscher Sinn in grauer Bett erdacht,

Und Lei de^ Waldes Grün, Leim Schein der Kerzen,
Der märchenhaft den LannenLanm verschönt,

Liegt es, sich seltsam auch in jenen Kerzen,

Die sonst der weichen Stimmung sich entwöhnt.

Mur dasz ihr Geist, ihr starker Tieüesglanve
De^ Festes enge« Nahmen üLerfliegt,

Mur dasz ihr Grützen sich wie eine GanLe
Anö Gitter eines Kerkerfensters schmiegt.

Und dasz es denen, die das Antlitz pressen
An Gisenstaüe, Krastesworte beut:

„Ähr Lrerien, Gapfern, ihr seid nicht vergessen.
Vergessen niemals weniger als heut!

„Ähr kühnen Mreiheitsstreiter, heut' kein Grauer»,
Venn euer Auge sich auch feuchten mag
Gs sucht euch auf auch hinter Kerkermauern
Des Volkes TieLe an der Tiebe Mag,

And eure nackte, engLegrenzte Lelle
Durchzieht des Madelduftes linder Strom;

Sie füllt sich an mit wunderbarer Kelle
And weiter sich zu einem hohen Dom.

„And Sphärenklänge hört ans Ohr ihr schlagen.
Es wogt heran der süszen (Lüne Meer,

Denn die der Freiheit heilig Banner tragen,
Vergiszt das Volk, das treue, nimmermehr.

Es neigt zum Weibe sich und zu den Kleinen,

Die traurig starren in den Kerzenschein

And spricht zu ihnen sanft: „Ihr sollt nicht weinen.

Denn ihr dürft stolz auf euren Vater sein!"

So war's von je: die für die Freiheit stritten.

Die ausgesprochen, was sie kühn gedacht.

Sie haben Schwerstes, Härtestes gelitten.

Denn nur zu gern hat man sie stumm gemacht.
Doch hatten sie mit reiner Hand die Funken,

Die glimmenden, zur Flamme nicht entfacht
Wir wären noch in Knechtschaft tief versunken
And auf dem Volke lastete die Macht.

„Drum hebt die Köpfe hoch und hoch die Kerzen,
Denn wie ein Adler rauscht zu euch das Wort:

Es fühlen mit euch tausend treue Kerzen
And euer Kerker ist ein heilger Grt;

Mag auch der Katz der Mächtigen verdammen
Den freien Mann zur Käst im engsten Kaum
Ähr seid und bleibt die Kerzen doch, die flammen
An unserm stolzen Freiheits-Weihnachtsbaum!"

Wrihnachtshoffeu.

Linst sollt' vom hohen Himmelszelt
Herniedersteigen, sanft und mild.

Auf diese leidenvolle Welt

Lin göttlich strahlend Himmelsbild.

Auf goldnen Molken schwebt es nieder.

Die Kriedenspalme in der Hand.

Und rings ertönen Iubellieder,

Und Glück erfüllet alles Land.

Die Menschen, glaubensvoll vereint.
Lobsingend preisen ihren Herrn.

Der wieder nun der Welt erscheint.

Und kraftlos sinkt des Unheils Stern.

Der böse Feind. er unterliegt.

Und Neid und Haß und Rache schweigen.

Der Ldle. Göttliche, er siegt.

vor ihm muß alle Welt sich beugen. —

— So träumte wohl manch' kindlich Herz
Und seinem Glauben hofft's Gewährung.
Das Aug' gerichtet himmelwärts
Demüthig duldet's Roth. Lntbehrung.

Doch sieh, der Ainderträume Zeit
Entschwand! durch keines Himmels Macht
Wird je in aller Ewigkeit
Dir, Volk, das Heil der Welt gebracht!

Durch eigne Araft nur kannst du kühn
Den bösen Feind, die Tyrannei
Au Boden werfen in den Staub,

Durch eigne Uraft nur wirst du frei!

Und wenn du selbst empor dich raffst.
Abwirsst des blöden Duldens Bann.

Mit eigner Hand das Glück dir schaffst.
Dann wirst du frei und glücklich! Dann!

Die Friedensbotschaft.

Wenn die holde Weihnachtszeit herannaht, dann
thun die ärgsten Sünder Buße, und so erleben
wir das schöne Schauspiel, daß die Preßorgane der
herrschenden Gesellschaft plötzlich aufhören, gegen
„innere imb äußere Feinde" zu Hetzen, und daß
sie in lieblichen Tönen das Thema „Friede auf
Erden" variiren.

Der „Wahre Jacob" kann diese Bekehrung der
verstockten Krakehler und Friedensstörer nur mit
Freuden begrüßen; wir erwarten nun aber auch,
daß die Bekehrten ihrem neuen Motto „Friede ans
Erden" treu bleiben und darnach handeln werden.

Wie angenehm sich dadurch unser öffentliches
Leben gestalten wird, davon kann man sich leicht
ein Bild machen.

Wenn in Zukunft wieder ein General oder
Kricgsminister im Reichstage oder anderwärts
mit dein Säbel rasselt und drohend von dein
„deutschen Schwerte" spricht, so wird er in den
Zeitungen aller Parteien zu lesen bekommen, daß
seine Plempe, die er prahlend das „deutsche Schwert"
nennt, weit geringeren Werth habe, wie der erste
beste Bratspieß, weil Friede auf Erden herr-
schen soll und der Bratspieß für fricdlicke Zwecke
bestimmt ist, während die Plempe nur zum Raufen
tangt.

Wenn sich gar Leute int Bundesrath fänden,
die eine neue Militärvorlagc einbringen wollen,
so wird sich gewiß ein Sturm der Entrüstung
erheben, denn wozu braucht man Soldaten, wenn
Friede nuf Erden herrscht. Und Friede soll herr-
schen, darüber sind ja alle Parteien und alle
zivilisirtcn Nationen einig, mir lesen es ja am
ersten Weihnachtsfeiertag in allen ihren Zeitungen!

Also fort mit neuen Rüstungen, fort auch mit
dein vorhandenen Militär. In allen Kirchen wird
es gepredigt: „Friede auf Erden". So ge-
horcht doch der Stimme des Priesters, ihr Ge-
nerale; ihr seid ja sonst so fromm. Gehorcht,

und schickt eure Soldaten heim zu Muttern; sie
werden es euch danken, imb die Nation erspart
dabei so viel Geld, daß unzähligen Armen und
Elenden geholfen werden kann.

Wenn aber Friede auf Erden walten soll,
so wird man vor allen Dingen die Hetze gegen
die sozialen Bestrebungen der Arbeiterklasse cin-
stellen, denn diese Hetze stört den Frieden der
Bevölkerungsklassen ganz ungemein. Man darf
keinen Arbeiter mehr maßregeln, weil er für das
Wohl seiner Kameraden ivirkt, und keinen Re-
dakteur mehr einsperren, der die Wahrheit sagt.
„Friede ans Erden", das heißt auch, daß man
seine Mitmenschen mit Strafanträgen und ähn-
lichen Anfeindungen in. Frieden laßt; wenn Friede
herrscht, so müssen vor allem die Kriegsgefangenen
des Klassenkampscs, die politisch Verurtheil-
ten, in Freiheit gesetzt werden, denn das wäre
ein netter Friede, ivo Kriegsgefangene festgehalten
werden.

Allerdings — wer feierlich verkündet, daß er
mit der ganzen Menschheit Frieden schließen will,
der muß seinen Mitmenschen auch Gerechtigkeit
widerfahren lassen, denn zwischen dem Ausbeuter
und dem Ausgebeuteten, zwischen dem Räuber und
dem Beraubten, zwischen dem Büttel und dem Ge-
fangenen ist doch nur ein fauler Friede möglich.

Also, ihr Wortführer der herrschenden Klassen,
die ihr Friede auf Erden in euren Blättern,
wie von Kanzeln und Kirchthürmen herab ver-
kündigt — ihr seid selbstverständlich keine Heuchler,
es ist euch ernst mit dein, was ihr so feierlich
proklamirt; so handelt denn auch darnach.

Es ist ja nicht viel, was die Konsequenz eurer
Friedensbotschaft erfordert. Ihr müßt nur dem
arbeitenden Volke seine Rechte und Freiheiten zu-
rückgeben, die ihr ihm bisher so abscheulich ver-
kümmert habt; ihr müßt dem Arbeiter ein men-
schenwürdiges Dasein ermöglichen, auf welches er
durch seine Arbeit Anspruch hat; ihr müßt eurer
eitlen Selbstüberhebung entsagen und den Arbeiter
 
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