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skS VeilkM zum „Wahren Jacali" Lr. 245. L-r^.

Zo eine echte, rechte Weihnacht war's,

Als Zwei die Straße rüstig fürbaß schritten,
Um noch bei Zeiten in dem nächsten Dorf
Ein Abendbrot und Nachtquartier zu finden.
Fern lag das Dorf noch. Durch das Todten-

schweigen

Der weiten Flur kam matt und windverweht
Der Weihnachtsglocken feierlicher Klang,

Und zitternd brannten hoch im Blau die Sterne.

Sie schritten wortlos die verschneite Straße
Und dachten längst vergangner froher Zeit,
Wo unter lichtbesteckter duft'ger Tanne
Man die Bescherung für sie ausgebreitet.

Zu der die Eltern sich durch viele Wochen
Den Bissen Brots vom Munde abgedarbt.
Nun ruhten Vater, Mutter längst im Grabe.
O frohe Kinderzeit, wie weit, wie weit
War sie entslohn mit ihrem Glanz und

Schimmer!

Da holten Beide einen Wandrer ein.

Der müden Schritts dieselbe Straße zog.

Es war ein Greis, der schlechter noch als sie
Geschützt vor Frost und böser Wintersnoth. —

Auf Wanderschaft wird rasch man Kamerad.
Sie fragten ihn, wo seines Marsches Ziel.
„Im nächsten Dorfe!" war die müde Antwort,
Doch klang hindurch, daß es ihm unlieb nicht,
Genossen für den späten Gang zu finden.
„Wohl Handwerksburschen?" fragte freundlich

fast

Der greise Wandrer. Als sie es bejaht,
Erzählte er, daß er in ihren Jahren
Und später noch die Welt durchwandert habe;
Da sei sie ^ihm noch schauenswerth erschienen.
Jetzt sei er alt und morsch und übermüde
Des Lebens und der Welt und sehne sich
Nach irgend einem ungestörten Winkel,

Um dort die letzte lange Rast zu finden.

Sie fragten ihn, ob er denn nicht Verwandte,
Nicht Freunde habe, die ihn irgendwie
In seinem Alter unterstützen könnten.

„Verwandte, Freunde?" rief der Alte spottend.
„Ich hatte welche, als ich etwas hatte."

Die Burschen schwiegen. Eine lange Weile
War ihrer Tritte Knirschen auf dem Schnee
Der einz'ge Laut, bis endlich doch der Eine
Den Muth zur Frage fand: „Und welches Un-
glück

Hat Euch betroffen, daß in Euren Jahren
Ihr wandern müßt?"

Darauf der Alte traurig:
„Ich war Besitzer einer hübschen Werkstatt;
Nach Herzenswunsch hat mein Geschäft ge-
blüht.

Da kamen schlimme Zeiten für uns Kleine.
Die Fabrikanten warfen auf den Markt
Spottbill'ge Maaren; ganz unmöglich war es,
Das auszuhalten, ob inein Weib und ich
Auch doppelt fleißig schafften. Was ich anfing,
Um mich aufs Neue auf den grünen Zweig
Empor zu schwingen — Alles war vergeblich;
Das Glück war treulos — Alles schlug mir fehl.
Zuletzt erkrankte noch mein liebes Weib,

Das mir so fleißig war zur Hand gegangen.
Das gab den Rest mir. Schuldig mußt' ich

bleiben

Die kleinen Summen, die im Drang der Noth
Bei Jud' und Christ ich hatte borgen müssen.
Mit meiner Meisterherrlichkeit war's aus.

Zur selben Stunde, da ich bleich und düster
An meines Weibes offnem Grabe stand,

Kam untern Hammer all mein Hab und Gut
Und als ein Bettler zog ich aus dem Städtchen.
An vielen Orten bin ich dann gewesen
Und habe mich doch nirgends eingewöhnt.
Wen will das wundern? Das Gehorchen war
Nie meine Stärke; dann der karge Lohn,

Die groben Worte, die sich der Geselle
Vom Unternehmer bieten lassen muß!

Ich könnt' es nicht verwinden, und so ward ich
Zum Stromer denn. Nun ging es schnell

bergab;

Zuletzt besorgten mir die Herren Richter-
Auf lange Zeit ein gänzlich frei Quartier.

Als ich entlassen war, kam mir die Sehnsucht,
Einmal die Stadt zu sehen, wo ich einst
Mit meinem Weibe Freud' und Leid erlebt.
Ich sah die Stadt. Wie viel war da verändert,
Und meines Weibes Grab, kaum fand ich's

mehr.

Ich ging darauf zu den Verwandten, Freunden.
Sie wußten's schon, woher ich kam, und kalt
Versagten sie dem Sträfling ihre Hilfe.

In Sonnenschein und Regen, Sturm und Schnee
Wand'r ich seitdem mit wunden, müden Füßen.
Bar aller Hoffnung, durch die weite Welt."

Der Alte schwieg und in den Burschen regte
Sich tiefes Mitleid für sein herb Geschick.

Da blitzten vor den Wandrern Lichter auf
Und rechts und links vom Weg erschienen

Häuser.

Nur niedre Hütten waren's, strohgedeckt.

Und auch das Gasthaus war ein schlichtes

Haus.

Sie aber wußten schon, daß der Empfang
Fast immer güt'ger ist in armer Hütte,

Als auf des reichen Bauern stolzem Hof,
Denn wer im Glück, weiß nicht, wie's dem zu

Muth ist,

Der weder Heimat, Herd noch Eigen hat,
Und Glück und Hochmuts, sind zumeist Ge-
schwister.

Und mit dem Gasthof war es gut getroffen.
Der Wirth, ein Mann mit mächt'gem grauem

Bart,

Zur Seite ihm die mütterliche Wirthin,

Rief freundlich ein „Willkommen!" ihnen zu,
Als Zehrung sie und Nachtquartier begehrten.
Die Wirthin brachte bald ein dampfend

Mahl,

Das reichlich war und kräftig zubereitet.
Dann fragte sie, woher die Wandrer heute
So spät noch kämen? Schlimme Zeiten wären
 
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