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Wohl überall? Denn so viel Burschen, als
Jetzt täglich Arbeit suchten, hatten früher
Sie nicht geseh'n, so lang das Wirthshaus

auch

Ihr Eigen sei, und das sei dreißig Jahre.
Indessen füllte kunstgerecht der Wirth
Für jeden Burschen einen kühlen Maßkrug,

Und weißer Schaum stand auf dem braunen

Naß.

Drauf flammten unter seiner Hand die Kerzen
An einem schönen Weihnachtsbaume auf.

Der auf dem weißgedeckten Tische stand.

„So, Handwerksburschen", rief er freundlich

ans.

„Das ist die Freude, die zur heil'gen Nacht
Seit vielen Jahren schon wir jedem Burschen

machen.

Der auf der Wanderschafr hier Einkehr hält.
Bin selber einst als Handwerksbursch gewan-
dert,

Und weiß daher, wie's Euch zu Muthe ist.

Laßt es Euch munden. Und noch eins: zu

zahlen

Hat heut', am heil'gen Abend, Keiner was,
Doch singt ein schönes Lied uns vor. Die

Wirthin

Hat ihre Freude dran, und unsre Kinder,

Die einst hier sangen, sind in weiter Ferne."

Sie nickten freudig — locker sitzt das Lied

Bei jungem Blut, und auch der arme Alte
Fiel kräftig ein, als nun im frohen Kreise
Manch gutes Lied in Ernst und Scherz erklang.

So schafft die echte, wahre Menschenliebe
Mit kleinen Mitteln um sich Glück und

Freude;

Der schlichten Gasthausstube enger Ranni
Erweitert sich zum Dom der Menschlichkeit,

Von Licht durchstrahlt, von Melodie durch fluthet,
Und alle Pracht und Ueppigkeit der Reichen
Verbleicht zu kahler Dürftigkeit daneben.

Ihr wißt, der Heiland kam aus Nazareth,
Dem ärmlichsten, verachtetsten der Flecken,
Und heute ist aufs Neue er erstanden
In unsrer Armen, unsrer Aermsten Hütten,
Um, ganz wie Jener, seinen Siegeszug
In alle Welt von hier aus anzutreten.
 
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