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2088

Schöne Aussichten.

'Was folgt auf Neujahr? Nafching, glaub' ich. Nicht?
Nun wohl, als eine große Narrenbude,

In der der Unßnn herzerfreuend blüht
Und feine tollen Nurzelbäume schlagt,

Erscheint Europa mir in dieser Stunde.

Zn Ar an kr ei eh streckt nach Jahren die Juki)

Den fanggewalt'gen Arm nach Arton aus,

Dem Gaunerkönig, und die Nanamisten,

Die sich schon längst in Sicherheit gewähnt,

Sind außer sich und fühlen tief und tiefer
Das L>er) hinab in ihre Koten sinken,

Denn diesmal fcheint's, als wolle man im Ernst
Der ganzen Rande an den Kragen gehn.

Der kranke Mann in Stambul wird behandelt
Nom juchtenduft'gen Arzt in Netersburg,

Der ihm die Wahl läßt, ob gebraten er
Verspeist will fein, ob das Gesottenwerden
Er netter findet und manierlicher.

In Desterreich find heute obenauf
„Die aus Galizien", Nolens Adel,

Dem übermüthig auf dem linken Dhr
Die kecke Ezapka siht — fein Weyen blüht!

Dazu der erste Rürger Wiens, — der Lueger,

Als zweite Nerle in dem Diadem

Des Donaustaates, mir genügen sie,

Denn diese beiden raren Größen sind
Mehr, als der zehnte Mensch vertragen kann.

Italia ist still und regungslos,

Erschöpft zum Tode, denn der Namppr Erispi
Saugt ihm das Herzblut aus mit durst'gem Mund,
Und nimmer wieder wird cs sich erholen,

Wenn es dein Unhold nicht den Laufpaß giebt.

Am allerfaubersten bist du, John Null!

„Wenn Alles schwindelt", hast du dir gedacht,

„Rleib' ich ein Ehrenmann!" Als solcher aber
Käst du die Welt mit zwei Millionen Nfund
Werthloser Gold-shares grimmig angeschmiert! -

Rleibst du noch, Deutschland, reich an Ehren
Und klugen Leuten, wohnt doch Rothschild,
Rteichröder, Rismarck, Stöcker und Konsorten
In deinen Gau'n. Doch solche Männer
Giebt es zur Moth in andern Staaten auch.

Wer aber zeigt uns einen Ernst Matthias,

Wer einen Kötter zu Kammin in Nommern?

Die große Narrenfragc ist, gottlob, gelöst:

Der tolle Kötter wird Nrinz Karneval,

Und ganz Europa lacht aus vollem Kaffe.

Der wahre Iacob.

Der Schneider von Nürnberg.

Ritter- Ballade.

Rach Nürnberg an der Pegnitz
Lenkt eure Blicke hin!

Dort gab es viele Schneider
Und manche Schneiderin.

Zie schufen schöne Rleider
Nit Line und Lleganz,

Ls mehrte ihre Arbeit
Der alten Roris Glanz.

Doch nebenbei begingen
Sie grause Krevelthat:

Zie hielten als Gewerkschaft
Gar oft gemeinsam Rath.

Da war ein kühner Ritter,

Das war der Herr von Zchuh,
Der konnte solchem Zrevel
Nicht müßig schauen zu.

Zein Zchlachtenroß bestieg er
Und zog mit Heldensinn
Zu gelbe gegen Schneider
Und gegen Schneiderin.

Lr hat sie all' geschlagen
Und aufgelöst im Au!

® Noris, Lorbeer schmücke
Nun deinen Heldenschuh!

Der Slaatsrekler.

Tragische Posse in einem Akt.

(Im Reichskanzleramt.)

König Stumm: Meine Herren! Karthago
inuß zerstört werden. Wir müssen endlich einmal
die sozialdemokratische Partei aus der Welt schaffen.
Alle Staatsretter: Bravo! Sehr gut!
Der Reichskanzler: Bitte um geeignete
Vorschläge.

Der Justizminister: Vielleicht könnte man
die ganze Partei wegen eventtieller Majestäts-
beleidigung einsperren?

Der Finanzminister: Aber woher soll ich
das viele Geld für die dazu nöthigen Gefängniß-
bauten nehmen?

Der Kriegsminister: Es muß ja nicht ein-
gcsperrt sein. Man kann die revolutionäre Gluth
auch mit der Feuerspritze dämpfen. Ich verweise
auf meine früheren Vorschläge in dieser Hinsicht,
welche große Erfolge hatten.

(Ein unheimliches Gelächter ertönt hinter der Szene.)

Der Reichskanzler: Ich bitte, diese ernsten
Verhandlungen nicht zu unterbrechen. Ich frage
die anwesenden Schutzleute, welche Wirkung ein
Vorgehen mittels der Feuerspritze auf die Sozial-
demokraten haben würde?

Erster Schutzmann: Sie würden Regen-
schirme aufspannen.

Der Reichskanzler: Dann bitte ich den
Herrn Justizminister um ein juristisches Gutachten
darüber, ob das Aufspannen von Regenschirmen
von der Schärfe uifferer heutigen Gesetze getroffen
werden kann?

Der Justizminister: Ein Reichsgerichts-
-erkenntniß liegt darüber noch nicht vor. Aber
wenn staatliche Feuerspritzen in Thätigkeit treten,
so könnte man die Benützung eines Regenschirms
als Widerstand gegen die Staatsgewalt ansehen.
Das gäbe dann eine hübsche Anzahl Prozesse.

Der Minister des Innern (Bittet »msWort
und erhält es): Aber lneine Herren — die Sozial-
demokratie wollen Sie abschaffen? Wenn Sie
weiter nichts wollen — so etivas nrache ich ja im
Handumdrehen.

Der Reichskanzler: Auf dem Boden des
Gesetzes?

Der Minister des Innern: Gewiß —
sogar auf dem Boden des preußischen Vercins-
gesetzes, auf dein zu stehen wir hier das Vergnügen

haben. Also merken Sie auf: Uns gefällt die
Sozialdemokratie nicht — gut, erklären wir sie
für einen politischen Verein. Sie hat einen Vor-
stand, den erklären mir auch für einen politischen
Verein. Die Partei steht mit ihrem Vorstand
in Verbindung, was durch Haussuchungen leicht
zu beweisen ist. So haben mir die im Gesetze
verbotene Verbindung politischer Vereine mit
einander und die Handhabe zu ihrer Auflösung
ist gegeben, schrumm!

König Stumm: Das Ei des Kolumbus!
Dieser Köller ist wirklich beinahe so klug wie Ich
selbst.

Der Reichskanzler: Ich kann noch nicht
recht begreifen, daß damit die Sozialdemokraten
aus der Welt geschafft sind. Sie sitzen doch z. B.
im Reichstage.

Der Minister des Innern: O, das wer-
den wir gleich haben. Jede einzelne Reichstags-
fraktion ist unstreitig ein politischer Verein. Im
Plenum treten diese politischen Vereine miteinander
in Verbindung, wir können sie daher auflösen
uild so sind wir auch den Reichstag los, der uns
ja schon lange lästig ist.

König Stumm: Die konservative Fraktion
bitte ich aber auszunehmen.

Der Minister des Innern: Gewiß — sie
ist zur Zeit durch die Abwesenheit des Freiherrn
v. Hammerstein führerlos, wir brauchen sie des-
halb nicht als Verein zu erachten. -

Graf v. Mirbach: Und der Bund der Land-
wirthe?

Der Minister des Innern: Ist kein poli-
tischer Verein, da sich kein einziger Politiker darin
befindet; ich weiß das genau, da ich selbst Mit-
glied bin.

Der Justizminister: Aber, meine Herren,
Sie werden doch durch die Annahme des Antrags
meines Kollegen vom Innern nicht unsere ganze
Arbeit zerstören wollen. Wir haben ein schönes
 
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