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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0138
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2215

Die Luftflotte.

Seit dem Tode des Schah von Persien Nassr-ed-Din Muliren in der
Presse zahlreiche Geschichten von demselben. Eine der mteressantesten aber
haben wir nirgends gelesen, weshalb wir sie hier milche,len. m Häsling,

der sich bei Nassr-ed-Din in besondere Gunst bringen wollte, setzte ihin
eines Tages den Floh ins Ohr, seine Herrscherwürde erfordere cs, durch
die Eroberung einer Provinz ans dem Monde die Ruhmcsthaten
sämmtlichcr Eroberer aller Zeiten iir den schatten zii stellen. Ter über,
aus empfängliche und leicht zu entflainmende Monarch begeisterte sich so-
fort für den genialen Gedanken. Er ließ den Großvezier rufen und befahl
ihm, ohne Verzug den Plan zu einer Expedition nach dem Monde
auszuarbeiten. Der Großvezier erschrak nicht wenig über dieses Ansinnen
und erklärte sich außer Stande hiezu. Als aber der Schah seinen von
Diamanten blitzenden Säbel zog, um ihm den Kopf zu spalten, erbat er
sich drei Tage Zeit, um den Plan auszuarbeitcu. Am dritten Tage fand
sich der Grvßvezicr prompt im Rcsidcuzpalast ein, unter dein Arni ein
Aktenbündel. Der Plan war fix und fertig, sein Kern ivar der Bau
einer ßuf tf tottc, mittelst welcher das persische Heer durch die Atmosphäre
segeln und bis zum Mond gelangen sollte, ivie dereinst die alten Perser
unter Xerxes mit der Riescnflotte übers Meer nach Griechenland.

Der Schah strahlte vor Vergnügen, griff in die Tasche und schenkte
dein Großvezier eine ganze Hand voll Diamanten. Als jedoch der Groß-
vezier bemerkte, daß die Sache noch ein Aber habe, schwoll die Zoriies-
^ auf Nassr-ed-Dins Stirn mächtig an und die Hand fuhr nach dem
«-abelgrits. „Noch ein Aber, du Hund!" schnaubte er den Großvczier au, der
zitteiud am ganzen Leibe stammelte, in ganz Persien verstehe sich Nie-
* “***5 Bau einer Luftflotte, dagegen - setzte er eilig hinzli —
J re r t r un Frankenland, genannt Schwiudclmaier

m leuspiegel, der ein Spezialist im Bau von Luftflotten wäre.

SDct heiterte sich d,e Stirn des Monarchen wieder auf. Er befahl
dem Gr°,;°ez'er schleunigst ins Land der Franken zu reisen, um den Luft-
blauzeudcn Bedingungen zu eugagiren. Vom
3 'ster reichlich mit Reisegeld versehen, reiste der Großvezier nach

Paris. Mas weiter aus ihm geivorden, hat man nicht gehört. Er war
und blieb verschwunden. Der Schah Nassr-ed-Din aber wartete mit ivachsen-
der Spannung auf die Rückkehr seines Großveziers mit dem Luftflotten-
baumeister, bis die Pistolenkugel eines Fanatikers den „Herrn der Erde"
sanft in den siebenten Himincl beförderte.

Hobelspäflnr.

Ich hör' von den Christlich-Sozialen
Jetzt wieder so mancherlei;

Sie machen dem Stumm viel Qualen,

Sie sind ihm gar zu frei.

Ich kann das nicht verstehen,

Ich kann keinen Nutzen zivar,

Doch auch keinen Schadcii sehen
Bei dieser lauwarmen Schaar.

Als eine Tugend des Adels wurde von Alters
her immer die Tapferkeit gerühmt. Deshalb
thun sich noch heute unsere „Edelsten der Nation",

. die nothleidcudcn Agrarier, durch tapferes Fechten

V'-iü» hervor. * , *

i Berlin soll eine eigene Reichs-Militär-Druckerei eingerichtet
werden. Als ob der Druck, den der Militarismus auf das Reich
ausübt, nicht schon groß genug wäre.

Im !

Es ward im Staat der „Ordnung"
Die Ordnung arg verletzt.

„Wo war die Polizei wohl?"

So fragt die Welt entsetzt.

Ja, wie ein Märchen klingt es,
Was man sich heut' erzählt:

Es hat im heil'gen Rußland
An Polizei gefehlt!

als

er sch

In diplomatischen Kreisen gilt die Stellung Hohenlohes
'üttert. Im Volke findet man hierin nichts Erschütterndes.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Auch die Bestimmungen über Ehescheidung
bedürfen einer Ergänzung. Als Scheiduugsgruud
muß cs gelten, wenn der Mann sich weigert,
bopkottirtes Bier zu trinken, wenn ihm die Rcdeir
des preußischen Kriegsministers nicht imponiren,
wenn er lieber Margarine ißt als Butter, wenn
er ausländische Zigarren dem Pfälzer Kraut vor-
zicht und dadurch vaterlandslose Gesinnung doku-
mentirt, wenn er am 1. Mai nicht arbeitet, am
Sedantag zerrissene Hosen trägt, vor einem
Korporal den Hut nicht abnimmt und ähnliche
revolutionäre Schandthatcn oder Unterlassungen
sich zu Schulden kommen läßt. Von seiner Frau
kann sich der Mann scheiden lassen, wenn sie
über hohe Brotpreise klagt und dadurch den Inter-
essen der nothleidenden Landwirthschaft zuwider-
handclt, wenn sie ein rothes Fähnchen aussen

Horcht! Seht! Auf!
horcht! Horcht! Horcht!

Gesundheitspflege.

Erster Reaktionär: Ein Ausnahmegesetz
zur vollständigen Unterdrückung der Sozialdemo-
' (Ami miä Gesundheits-

Horcht! Horcht! Horcht!

Dumpfes Raunen. Dir vollständigen Umeroruauuu .

Mächtiger Stimmenklang bricht durch die Rächt, kratie wäre eigentlich schon aus Gesuudheits-

Rnö des Meeres R ran düng brüllt gen Himmel, rücksichten nöthig.

Horcht! Horcht! Horcht! ' Zweiter Reaktionär: Wie so?

Leises Dagen. Erster Reaktionär: Weil die edelsten

Don Schrecken gejagt flieht das nächt'ge Dunkel, Stützen des Staates, wie z. B. Stumm und

Der werdende Tag haucht Zwielicht in Raum. Bismarck, aus Aerger über die Arbeitcrbewe-

gung leicht das Galleufieber bekommen können.

1,1 U'tlvmvv

Schwarzgraue Streifen!

Seht! Seht! Seht!

Goldene Funken.

Dm Strahlengewande steigt sie empor,

Die Mutter des Tages, die Sonne, die Sonne.

Seht! Seht! Seht!

Glühende Wolken.

m«, .r= sSTSäSi •«?«■ 1 KtÄ- S Ä

fiiubmunncit ftatt, wenn fic das Frühstück m ^ 1 . Akkorde dacchhransr ■

oppositionelle Zeitungen wickelt und letztere sonnt' - ~ , 6fitia5(.epfietl
in Schulen und Arbeitsstätten einschmuggelt, wenn l ^ ’ - ~

sie einen Händler, der mit Bismarckbüsten hausirt, ^uf! Ruf! Ruf!
die Treppe hinunterwirst u. s. w. Geanälte Menschen!

vnoArtv* c. ^

' «. w. I Geanälte Menschen!

Von Staats wegen mutz die Ehe aufgelöst! TL cm„or das A
werden, wenn der Mann feine Fr

^nrTwiiiprftrTinft- rmfttpfmtpn Yrifrf uv

. , Hebet empor bas Antlitz ?»"> ^«ht

wecven, wenn oer wcanii zcme Mau ln eine f,,,. „oldenen Dreiheit entgegen.

Fachgewcrkfchaft aufnehmen läßt und sic über'<Slfet * -
sozialpolitische Dinge unterrichtet. Die Frau kommt
sodann ins Zuchthaus, der Mann wird erschossen.

So mutz das Eherecht aussehen, wenn es in

üo mutz oao exyerea,! nuszepen, wenn cs in
echt staatscrhaltcndem Sinne gestaltet werden soll.

Patriotismus.

O Mensch, dem Staate diene
Als treuer Patriot,

Und streiche Margarine
Statt Butter dir aufs Brot.

Gütige Fürsorge.

A. : Sogar dieManchestermänner sind gewisser-
maßen besorgt dafür, daß das Volk genügend
zu essen hat.

B. : Wie so?

«.: Wie so?

A.: Sie weigern sich, die Arbeitszeit d
Bäcker zu beschränken.

Ruf! Ruf! Aus!

Enterbte Klasse.

Entfache den Rra»d, den Mare einst geschürt,
Strecke die ruhigen Fäuste gen Himmel.
Völkerfrühling! lluian.

Im Streik.

A.: Wie geht es zu, daß während der Ncichs-
tagssitzungen das „hohe" Haus immer so leer ist?

B>: Das ist ganz natürlich; die Abgeordneten
befinden sich im Streik, weil sic keine Diäten

bekommen.

A>: Und die Gesetzgebungsmaschiuc fungirt
trotzdem weiter?

B.: Freilich; die nothwendigste Arbeit wird

von Streikbrechern gemacht.

A.: So so, von Streikbrechern! tDcshalb sind
die neuen Gcsctzcsprodukte auch von so ge-
ringer Qualität.

Die Zurlrerstcder.

Ein freies Leben führen wir.

Ein Leben süß wie Zucker.

Die Rüben kultiviren wir.

Den Zuckerpreis diktiren nur,

Die Konsumenten rasiren wir,

Millionen profitiren mir,

Wir großen Prämienschlucker.

Strafrechtliches.

^... Wann werden Soldatenmißhand-
luugcn bestraft?

B.: Wenn sic Schmerzgefühl erregen.

A. : Wann erregen sie Schmerzgefühl?

B. : Wenn sie in der Presse veröffentlicht

werden.

A. : Wer empfindet das Schmerzgefühl?

B. : Natürlich der Zeitungsredakteur,

denn der wird bestraft.

A.:

er

Freiherrliches.

i.

Den Wind der obern Regionen
Vermittelt er den untern Zonen.

Er ist der Witterungs-Trompeter,

Der offizielle Baron-Meter.

ii.

Ein Protz des Maulwerks, geldsackschwer,
Trägt er den Namen überquer.

Sag' au, o Schicksal, sag': Warum
Reimt manches Wort so prompt auf „dumm"
 
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