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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0157
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2232

h# Dur Hallenser Aeichstagsivahl. ^

(grci nach Bürger.)

^lun ist bas vierte Dutzend voll,

Trotz Staatsanwalt und Köllerei,

Wir fordern ruhig unfern Zoll
And heimsen ein ganz frank und frei;
Schon nahet wieder der Umsturz stch,

D Staatsanwalt, Staatsanwalt zeige dich.

Und immer höher steigt die Kraft
Und immer größer wird die Zahl,

Trotz Staatsanwalt und aller Wacht,
Trotz Kerkerhaft und aller Dual;

Die Wärmer um Veket ste mehren stch,

T Staatsanwalt, Staatsanwalt zeige dich.

So wachsen wir rrrit jedem Tag,

Wit jedem Wonat, jeöein Jahr,

Trotz Volizei urrö aller Vlag',

Trotz alledem und der Gefahr;

D Staatsanwalt, Staatsanwalt zeige dich,
Schon naht das „Verderben" stch fürchterlich.

Und weiter ras'L im deutschen -Land,

Trotz Staatsarrrvalt und Volizei,

Der große Sozialistenbrand
Verbrennt den ganzen Drönungsbrei;

Wo solches Teuer flackert auf,

Da geht der beste „Schöne" drauf.

Urin fängt das fünfte Dutzend an,

Trotz Staatsanwalt rrnd Kerkerzwang,

Wer solcher Kraft stch rühmen kann,

Dem wird nicht angst, dem wird nicht bang.
Stumm! — höre diesen klingenden Ton,
Vack' deinen Vünöet, und lauf' davon!

An die russischen Arbeiter.

Vom ungestümen Rachedrang

Bis hin zum still entschloff'nen Ringen,

Der weite, mühevolle Tang,

Wie tonnt' er euch so bald gelingen?

Ähr habt den schwersten Kampf gekämpft
Än Lchmach und Trübsal ohne Wanken,
Und während ihr den Zorn gedämpft,
Vertraut dem siegenden Tedanken.

Run haltet ihr den Feind gepackt,

Den wüthenden, mit sicherm Erifse,
Daß ihm's im ganzen Leibe knackt;
Ähn retten nicht Tewalt noch Kniffe.

Zum Angriff bei der Kriegeshatz,
Lagt man, der Russe niemals eile,
Doch halt' er standhaft seinen Platz
Und stehe fest wie eine Läule.

Hier gilt es edleren Gewinn.

Laßt euch nicht reizen, steht wie Mauern!
Was brüten mag des Feindes Linn,
Ähr werdet's tapfer überdauern.

Die Brüder, die im Kampfe stehn,

Lie ließen einen Platz euch offen.

Lo bald ihn ausgefüllt zu sehn.

Das freilich konnten sie nicht hoffen!

E

Szene aus dem Reichstag.

(Aus der heißen Zeit.)

Freiherr Scharf v. Schleifstein (R.-P.):
Ich schlage vor, dag wir über die noch zu er-
ledigenden Paragraphen des bürgerlichen Gesetz-
buches dutzendweise abstimmen.

Nr. Schunckel (Nl.): Im Namen meiner
Freunde beantrage ich, daß immer hundert Para-
graphen zusammen zur Abstimmung gebracht
werden.

Nr. Flieder (Z.): Da ich mit beiden Vor-
rednern vollkommen einverstanden bin, so be-
antrage ich, daß über die nächsten zwölfhundert
Paragraphen des bürgerlichen Gesetzbuches ab-
gestimmt wird und zugleich über die Gewerbe-
ordnungsnovelle und die Margarinevorlage.

Schwall (K.): Ich beantrage zu dem Ab-
schnitt über das Eherecht einen Paragraphen, daß
für die allerhöchst-, höchst-, sehr hoch- und hoch-
geborenen Herren die Trauung zur rechten und
linken Hand eingeführt wird. Ebenso wie beim
Duell sage ich auch hier: es muß nur christlich
dabei zugehen, und die Kirche muß ihren Segen
dazu geben. Die Reformation ... (Zuruf links:
Philipp von Hessen I, Ja, Philipp von Hesse,: hatte
ein abgesteinpeltes Attest von seinem Leibarzt...
(Große Heiterkeit.) Ja, meine Herren, ich bin doch
kein Leibarzt. lSehr gut, rechts.)

Bundesrathskommissar Dunckelmann:
Meine Herren! Die linke Seite des Hauses ist
gegen die Hasen. Warum? Weil die Herren nichts
von Naturwissenschaft verstehen. (Sehr richtig, rechts.)
Der Hase ist ein Wirbelthier, das schon Goethe
so treffend besungen hat:

Du hast zwei Ohren, vier Beine
Und nur einen Mund.

Was sollte das niedliche Thier mit dem einen
kleinen Mund für Schaden anrichten? Aber leben
will es auch. Ich sage: gleiches Recht für Alle,
und jedem Thierchen sein Plaisirchen!

Graf Mir was (K.): Ich bin ein Freund
der Bauern. Die Bauern haben im Winter
Langeweile. Da können sie nichts Besseres thun

als die Hasen füttern. Ich beantrage, daß die
Bauern für jeden Hasen, der int Winter ver-
hungert, dem Jagdherrn Schadenersatz zu leisten
haben. Im klebrigen bin ich natürlich für sämmt-
liche Regierungsvorlagen, schon aus dem Grunde,
weil früher vr. Bimbam, wenn er gegen die Vor-
lagen der Regierung sprach, immer entsetzlich
inauschelte. (vr. Brandt ruft: Sie greisen eine» Ab-
wesenden an,) So? das werd'ich Ihnen zeigen. (Er
zieht eine riesige Pistol- hervor.) Mein Freund v. Knarr-
dorff überreicht Ihnen auch eine Pistole. Legen
Sie an! Der Präsident wird zählen: Eins, zwei,
drei, los!

Präsident: Ich werde erst Nachsehen, ob
etwas über diesen Fall in der Geschäftsordnung
steht.

Silbermann von Rosenberg (Antisemit)
brüllt: vr. Brandt kneift! Der Präsident hat
kruinme Beine! Juden raus!!

Eisbein (Antisemit): Haut sie!

(Der Präsident ordnet an, daß ein Fuder Eis in den
Keller des Hauses gebracht, der Spritzenschlauch an den Noth-
hahn geschraubt und das Rohr auf den Bundesrathstisch zur
Rechten des Kriegsministers gelegt wird.)

Ein Mirakel.

Man sagt, daß keine Wunder mehr geschehen.
Daß unversöhnlich Feuer sind und Wasser
Und daß zusammen nun und nimmer gehen
Gesunde, tapfre, resolute Hasser.

Doch auch der stärkste Zweifler muß gestehen,
Daß Alles zwingt des wahren Fortschritts Hebel —
Das Recht der Frau hat Arm in Arm gesehen
Die starren Widersacher Stumm und Bebel.

Unsichere Zustände.

A.: Die Unsicherheit in Berlin nimmt immer
mehr überhand!

B>: Wie so?

A>: Jetzt fallen die Minister auch schon
außerhalb der Jagdsaison.
 
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