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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0166
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2241

Petition an den Reichstag.

Kein lieber Reichstag I Unter Humoristen,
Wie du und ich es sind, herrsch' Einvernehmen!
Du darfst mich nicht io grausam überlisten.
Du mußt dich meiner schwächernKraft bequemen.
Denn es gehört ein ehrbares Gesicht
Zu jedem Witz, sonst wirkt er eben nicht.

wer soll aber dabei ehrbar bleiben.

Wenn deine vornehmen und großen Herrn
Es so wie in den heißen Tagen treiben?

Von Zeit zu Zeit hör' ich sie wirklich gern.
Doch da sie solche Purzelbäume schlugen.

Da lachte ich mich fast aus allen Fugen.

Wenn dein Graf Mirbach ausführt solche
Schosen

Mit der Pistol', dann Liebermann ein Stück,
Wenn Lieber sagt: „Mein Herz fällt in die
Hosen,

Entschuld'gen Sie, ich ziehe mich zurück".

Und Schall kämpft für den alten keuschen
Hessen,

Da soll man wohl das Ehrbarsein vergessen!(

Du willst großmüthig jedes Handwerk schützen
Und schützest nicht einmal das eigne Nest.
Was sollen mir wohl die Gesetze nützen.
Wenn Einer diese Reden drucken läßt?

Ich bin ja doch gewiß kein Spielverderber,
Du aber — ein unlautrer Wettbewerber l

Goethe und Schiller wollten Hasen jagen.
Der Dioskuren Bogen war gespannt.

O, wären ihnen, als die Xenien lagen
Zum Schuß, die Hasen über'n Weg gerannt.
Dann fiel der Bogen, schrums! zu ihren Füßen.
Sie hätten sich die Seiten halten müssen.

Jetzt fühle ich erst ganz, was du mir werth bist.
Da deiner Reden schöne Zeit verronnen.

Nur hoff' ich, wenn du frisch zurückgekehrt bist.
Hast du nicht neue Schelmerei'« ersonnen.
Dagegen reiflich diesen Rath bedacht:

Gesetzt muß selbst sein, wer Gesetze macht.

Hochachtungsvoll

Der wahre Jacob.

Eine pakriotisel

„Dem theuren vaterlande.
wir weihen Tut und Blut,

Ihm schlagen unsere tzerzen
In patriotischer Tluth.
tzür deinen Ruhm, o Deutschland,

Ist uns kein Vpfer zu groß,

Rein Abenteuer zu theuer,

Aein plan zu uferlos!

Du sollst eine Flotte haben.

Die flotteste in der Welt,

Die selbst die stolze Britannia
Tief in den Schatten stellt.

Doch dieweil der Reichstag knickert.
Jedweder Begeist'rung bar.

Laßt freie Spenden uns bringen
Auf des Vaterlands Altar!"

Geschichte.

Mit tzurrah wurde beschlossen
Zu thun einen tiefen Triff
In die eigenen vollen Laschen
ßür ein mächtiges Panzerschiff,
Und auch in weitesten Kreisen,
A)o man patriotisch erglüht.

Den Ulingelbeutel zu schwingen
Mit christlich-frommem Cemüth.

Und als sie nach vielen Wochen
Erklärten der Sammlung Schluß
Und Sitzung hielten, im Seifte
Schwelgend im Ueberfluß:

Der Uassier leert uns den Beutel
Und sprach nur: „Voilü, tont!«
Zweihundertvier Mark waren«
Und fünfzig Pfennig dazu.

Hvbelspähnr. 'övs>~

„Der Schwindel muß beseitigt werden!"

Schrie Plötz mit Kraft von zwanzig Pferden.

Da der Profit ihm in die Wicken ging,

Schien unmoralisch ihm das Ding.

Doch früher war dem Mammon er nicht grain,
Er nahm ihn von der Börse ohne Scham.

In der Berliner Ausstellung ivurde vor
Kurzem eine „Dynamitpatrone" gefunden und
nach vorsichtiger Untersuchung in der Spree ver-
senkt, wo sie am tiefsten ist. Sicherin Vernehmen
nach war gar kein Dynamit in der Patrone, —
sie ivar mit dem Protokoll des Falles Kotze
gefüllt.

Es ist schon mancher Minister verschwunden
Der in der Suppe ein Haar gefunden;

Gebt Acht, es wird noch mancher verschwinden,
Der das Haar in der Suppe nicht konnte finden!

Das Bürgerthum ist einem dressirten Papagei zu vergleichen. Es
sagt allemal Ja, wenn die Regierung etwas fordert, — fordern aber
die Arbeiter etivas, so heißt cs jedesmal: Nein.

In tönenden Phrasen kündet
Manch' prahlender Redner an:
„Wir haben das Reich gegründet,
Wir brachen dem Deutschthum Bahn.'

Und eifrig daran zu erinnern
Der „Patriot" nicht vergißt:

„Jetzt gilt es dem Feinde, dem innerst,
I Und das ist der Sozialist."

Wir müssen unsern Kredit befestigen, sonst pumpt uns der verfluchte
Li-Hung-Tschang das ganze Baargeld >veg, sagte der Russe, da zeigte er
seine Kröuungsreisc nach Deutschland an.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Augen. „Ja, da muß ich sagen: Sie konnten
sich an keine richtigere Schmiede wenden, als an
die meine. Ich bin ja überhaupt genial; aber
in diesen, Punkte bin ich übergenial, als Sozial-
politiker bin ich sozusagei, ein Jahrtausendmensch."

„Um so gespannter bin ich ans den Rath Eurer
Durchlaucht. Sie können sich denken, daß die Ge-
wißheit, die Sozialdemokratie werde ui,s eines
Tages ebenso über den Kopf kommen wie den
Russen, uns keine ruhige Stunde mehr läßt

„Keine ruhige Stunde mehr? Hahahaha! Ta
wußte ich anders mit diesen Leutchen umzuspringen!
All meine jetzigen Ruhestunden verdanke ich gerade
den Sozialdemokraten! Und hätte man mich
machen lassen, dann käme die Sozialdemokratie
weder nach Rußland noch nach China, weil sic
dann eben nicht mehr cxistirte. Aber was ich
nicht inehr mache, das macht vielleicht hier mein
Herbertchen. Der will immer Politik machen!"

Li-Hung-Tschang: Kann er denn nicht?

Bismarck: Er lernt es jetzt.

Li: >L-o. Aber Sie vergessen, mir den Rath
zu geben. '

B-: Ja richtig. Nun Gott, der Gedanke iß
ebenso siinpcl, wie alle n,einc Gedanken und wi«
Alles an mir. Mein Rath ist: schießen. Erst zu,
Verzweiflung bringen, daß sie sich empören, »ul
dann schießen.

Li: Aber wenn das nun doch nicht auf bi'
Dauer hilft?

®;: Nochmal schießen.

Li: Aber wenn nun trotz alledem und allcden
'O'Edcr. sozialistische Ideen austanchcn?

Ichießen, schießen, immer schießen.
Glauben Sie, daß das wirklich hilft?

„Gegen Ideen hilft nur Schießer

Li: Aber »en ^deen hilft nur Schieße,
B.: Die ^ mit der Religion

nicht Gott.

thcil gesagt?^" ®ie nic^ früher einmal das Gegc

B.: Das war für die Nationalliberalen. Apro-
pos: Gründen Sie vor Allein eine national-
liberale Partei.

Li: Zu welchem Zweck?

B.: Zu gar keinem bestimmten Zweck. Die
sind zu Allem zu gebrauchen.

Li: Herzlichen Dank für Ihren Rath.

B.: Bitte, nicht der Rede werth. Aber wenn
Sie mir was schenken wollen, so habe ich natür-
lich nichts dagegen.

Der chinesische Gast entnahm hierauf seiner
Hosentasche eine mächtige Flasche Reisbranntwcin
und überreichte sie ehrfurchtsvoll seinem Wirthe.
Dieser nahm einen gewaltigen Säknlärschluck und
nnderlegte damit aufs Glänzendste die freche Be-
hauptung Bebels, daß er kein Verständniß für
geistige Strömungen habe.

Bald darauf fuhren die exotischen Gäste ab.

. Natas.

Unsere Bilder.

In der Beilage bringen wir ein packendes Bild von dem
italienischen Maler Luigi Bianchi: „Die Holzsammlerin". Es
spricht für sich selbst, so daß kaum etwas Erklärendes dazu
zu sagen ist. Vielen unserer Leser sind die Verhältnisse auf
der italienischen Insel Sizilien bekannt geworden durch eine
in unserem Verlage erschienene Broschüre* und kennen in Folge
dessen die uferlose Noth der dortigen Bevölkerung, die in
einem Paradies leben könnte, aber durch das Wüthen des
Kapitalismus in eine Hölle versetzt worden ist.

Kennst du das Land, wo die Cypressen ragen.

Wo die Oliven mit den schlanken Zweigen
Zum Lorbeer sich und zu der Myrthe neigen.

Das Land so reich und doch — vom Fluch geschlagen?

In hoffnungslosem, dumpfem Brüten tragen
Ihr Loos die Armen, denen nichts zu. eigen.

Und die uns stumm die Wuudenmalc zeigen.

Zu müde selbst, zu weinen und zu klagen.

Dem Druck der Frohn erliegen all' die Armen,

Vom steten Geißelhieb der Noth verwundet.

Doch weder Staat noch Kirche kennt Erbarmen.

Trotz alledem! Zertreten und verachtet, —

Durch seines Auges liefen Blick bekundet
Dies Volk, wie heiß es nach Erlösung schmachtet.

* Die Bewegung in Sizilien. Von A. Nossi. Uebersetzt
von Leopold Jacoby. 115 Seiten. Preis 25 Pf.

Wer wird nicht ein inniges Mitgefühl mit der fürsorg-
lichen Mutter haben, die dem Ortsgebrauch folgend, ihr Kind
mit zur Arbeitsstätte nimmt, um es zu pflegen und zu nähren-
Auf dem Heimweg wird jedes am Wege liegende Zwciglein
aufgelesen, da in jenen holzarmen Gegenden das Brennmaterial
ein sehr theures ist. Trotz aller Unterdrückung steht das Weib
stolz und kräftig da, in ungebrochenem Muth — ein Sinnbild
der ewigen Jugend des Volkes.

Wir können unsere Wünsche nur mit denen der Sizilianer
vereinigen: Möge das Heranwachsende Geschlecht bessere Zeiten
erleben, als das gegenwärtige. Nichts ist dauernd als der
Wechsel. Fürsten und Staatsmänner vergehen und selbst wenn
sie zu den eisernen gehören, das Volk aber bleibt und wird
sich in ansteigender Kulturarbeit seine Wege selbst bereiten.

— Unsere Titelseite bringt ein Gedenkblatt dein Herrn
von Stumm. Diesem Ritter von der traurigen Gestalt kann
man ernst nicht mehr beikommen, — das Schillingen der satyri-
schen Geißel wird eher den Zweck erreichen. — Die Rückseite
des Hauptblattes bringt einen Parlameiitarischen Rück-
blick. Der „Hasenfraß" war dem Reichstag, d. h. den staats-
erhaltenden Parteien, von größerer Wichtigkeit, als das Ver-
einsrecht und die Selbständigkeit der deutschen Frau. Der
Hase kann ohne Ersatzpflicht des Jagdinhabers den Bauern die
Obstbäume zerstören, so will es das Gesetz, während der Junker
— soweit es an ihm liegt — den jungen Baum der Freiheit
benagt. Er macht die Rechnung ohne den Wirth. Das Volk
ivird sein gemeingefährliches Thun zu hindern wissen und
wenn der Bauer wollte, so wäre es überhaupt bald mit der
Hasenjagd auf dem Felde und in der Politik ans, das sollten
sich die Bauern und die — Junker merken! — In der letzten
Session des Reichstags ist die Riesenschlange Agraria sehr
stark gefüttert worden, nur den fetten Bissen „Margarine"
konnte sie nicht überschlucken, — das Ding war durch die
eigene Dummheit der Agrarier zu stachlicht geworden. -c-Ter
kleine Scherz „Man muß sich zu helfen wissen" ist leicht ver-
ständlich. Bebel zapfte anläßlich der Berathung des bürger-
lichen Gesetzbuchs den wunderlichen Abgeordneten Schall an,
der in seiner grotesken Weise die Doppelehe Philipps von
Hessen zu vertheidigen suchte. Herr Schall schnitt dabei schlecht
ab und wurde dem Gelächter von ganz Deutschland preis-
gegeben.

Im Verlag von Auer Sc Co. in Hamburg ist soeben

Der Meue Welt-üialender

für das Fahr 1897

erschienen. Wie wir es nicht anders gewohnt sind, ist Inhalt
und Ausstattung des allgemein beliebten Kalenders wieder
vortrefflich. Auch der im vergangenen Jahre auf 40 Pf. herab-
gesetzte Preis hat sich als eine gute Neuerung erwiesen und
der weiteren Verbreitung entschieden Vorschub geleistet. Wir
können den Kalender allen unseren Lesern auss Wärmste
empfehlen.
 
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