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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 13.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8183#0219
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2293

Dir Hamburger Polizei als Fremdenführer.

Tom Mann wird verhaftet, aber nicht wie in der Bauernschenke,
sondern auf liebenswürdige, weltmännische Art. Er hat nur eine er-
zwungene Vergnügungstour durch die Stadt zu machen, deren „Sehens-
würdigkeiten" man ihm zuvorkommend zeigt und erklärt.

Tom Mann <unterweg§): Ich möchte wohl einmal die engsten Gassen
sehen, die Cholcraherde.

Geheimer: O, Sir!

T. M.: Die sind hier wohl ziemlich nahebei?

G.: No, Sir! — Sehen Sie, dies ist die Alster, hier sind die schönen
Villen der großen Kauflcutc und Rheder.

T. M.: Ihre Gefängnißordnung ist berühmt.

G.: O, Sir!

T- M.: Könnte ich nicht einmal das Gefänguiß besehen?

Sir! ~ Hier sehen Sie die schöne Kirche, deren Thurm
einer der höchsten der Welt ist.

T. M.: Das ist wohl die Elbe da, der Hafen?

G.: 0, Sir! 1

3!. M.: Ach, dahin führen Sie mich gewiß noch.

, Sir! ~ H^r zeige ich Ihnen das Rathhaus, unten lauter

deutsche Kaiser, oben der Reichsadler.

G d'o' s^> ^'senbahnarbeiter wollen sich hier jetzt auch organisiren.
m ""r gewiß noch die Rangirarbeit auf den Bahnhöfen.

»r „L'L ®le b,n ».

nirfit SieJin*\3u liebenswürdig, mein Herr. Ich möchte

mjii ,... '' Glanzende bei Ihnen bewundern. Ich bin wie geblendet.

<!>ne, vitte, nun auch emmal ein paar Schattenseiten! Sie werden nicht
wollen, daß ich Hamburg verlasse, ohne daß auch der eine Wunsch, der
mich ganz beschäftigt, erfüllt wäre. Könnte ich nicht wenigstens einen
von den vielen verhungernden Bäckermeister:: sehen?

(gl.: O, Sir!

X. M.: Scheu Sie, da, da ist ja gerade.. .
ist 'n Bäcknladen!^""° forsch und grimmig,: Augen rechts!! Links

s* Hobelspähne.

Es sei die deutsche Grenze
Gesperrt dem russischen Schwein,

Auch sollen russische Gänse
Nicht mehr zu uns herein.

Stets gegen Nahrungsuüttel
Die Grenze sei blockirt.

Nur russische Spitzel dürfen
Herein ganz ungenirt.

Ich finde es ganz in der Ordnung, daß man
den westpreußischen Schulmeistern das Skatspielen
verbietet; sie sollen sich am vaterländischen Schaf-
kopfspiel erfreuen.

Der Schaar der Arbeitslosen ist
Staatshilfe nicht beschieden, —

Hat Arbeit nur die Polizei,

So ist der Staat zufrieden.

Abwechslung muß sein! sagten die Gothaer, da präsentirten sie den:
Herzog neun sozialdenwkratischc Abgeordnete.

Könnt' der Papst binden, so trat der Verfall
Des Zentrums nicht zu Tage,

Und könnte er lösen, so löste er
Gewiß die armenische Frage.

* * * ,

In Frankreich wurde eine Sardincnbüchse gefunden. Man schließt
aus derselben auf ein Komplott der Fenier, welches zmn Zwecke hat, den
Zaren zu ermorden, worauf Rußland von Frankreich annektirt werden
soll; das vergrößerte Frankreich soll dann an England den Krieg erklären,
was zur Folge haben würde, daß Indien sich von England losreißt, sich
mit China verbündet, und als vereinigte gelbe Rasse in Mitteleuropa ein-
rückt, um daselbst den Acht-Uhr-Ladenschlnß dnrchzusetzen.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Der kranke Mann.

Den Sultan nennt man dann und wann
„Den kranken Mann".

Gebt acht, das Reich des Volks der Denker
Ist fast noch kränker!

Der Ehrcnretter.

Zu Nutz und Frommen aller derer, die c
ihrer Reputation gelitten haben, ist dieser knap
Abriß einer Ehrenrettungslchre bestimmt. U
den verehrlichen Lesern verständlich zu werde
gehen wir sofort »litten in die Dinge und zeig
an praktischen Beispielen, wie zu helfen ist.

Ehren-Ha in:» erstein. Hätte er nicht c
fälscht und unterschlagen, so hätte er tobten ui
rauben können. Er hat sich damit begnü,
Hunderttausende zu entwenden. Wenn er tu
unter die Bleichröder und Rothschild, die Band,
bilt und Jap Gould gegangen wäre, welche giga
tischen Beträge hätte er dann erworben.

Nikolai II. vom Chodiuskifelde. Seck
tausend Todte hat die Zarenkrönung von Most
gekostet. Wie genügsam doch Väterchen ist! Hä
er nicht Millionen von Untcrthanen in ein
Krieg Hetzen und eine Pyramide von Leichen bau
können? Jeder Neubau, so sagt das Sprüchwo
fordert Blut. Warum sollte der Neubau des Zar:
thums Nikolais II. davon ausgenommen sein?

Krupp, der Kanoncukönig von Essen, l
sich vor Li-Hung-Tfchang, dein Statthalter v
PetschM, tief gebeugt, und ihm ein Denk»
gestiftet! Der chinesische Vizckönig hat daher ein
guten Eindruck aus Deutschland nntgenomnu
Er konnte konstatiren, daß nicht blos die Bi
snßlcr, sondern auch die deutschen Schlotjnn
mit dem Hintern wedeln können, was ein Zeich
höchstentwickelter Zivilisation ist.

Bern st ein Monopol-Becker. Kommerzn
rath Becker, der Stumni der samländischen Kü>
berühmt sich, die höchsten preußischen Beamt

in der wohlgefüllten Tasche zu haben, er gebietet
unumschränkt im Bernsteinlande, er richtet miß-
liebige Leute zu Grunde.

Aber weshalb? Nur aus großen, patriotischen
Gesichtspunkten! Er waltet als Despot in Ost-
preußen, uni die Staatsbeamten auf ihre mora-
lische Festigkeit zu prüfen, die politische Selb-
ständigkeit und das Klassenbewußtsein der Masse
zu ivecken, und er ruinirt den Kleinbetrieb, weil
er ihn liebt. Wen Becker liebt, den züchtigt er.

Kolonial-Peters. Er läßt ein Weib, das
seine Geliebte war, wegen einer Lappalie auf-
hängeu. — Er hat gut daran gethan; denn für
die Arnie wäre es qualvoller gewesen, noch lange
an der Seite dieses afrikanischen Henkers zu leben.

Nord und Süd.

Berliner: Sind Sie nicht auch für den
Acht.Uhr-Ladenschluß?

Münchener: Durchaus nicht! Wäre bei
uns gar nicht empfehlenswerth.

Berliner: Warum nicht?

Münchener: Weil bei uns in München die
Läden uni siebeii Uhr geschlossen werden.

Splitter.

Post kommt aus dem Lateinischen und heißt
als Präposition „hinten", „nach". Kein Wunder
daher, daß unser Postmeseu immer hinter den
Anforderungen dpr Zeit zurückbleibt.

Neuer Nuflöfiingsgrund.

In Zwickau ist Volksversammlung in einem
großen Saal. Angemeldet, wird überwacht, alles
in Ordnung. Während des Referates schlägt ein
Gigerl von draußen mit dem Stock eine Scheibe
! ein. Hierauf etwas Zugwind, auch an der Helm-
spitze des Polizisten. Dieser springt in die Höhe
und löst auf, da eine Versammlung unter
freiem Himmel nicht angemeldet sei!

Guste, goch mer Fliederdee
Denn mir duhd -er Gobb so weh!
Unser scheenes Sachsenland
Rungenierd der Unverschdand,

An in Hause, armes Lamm,

Kammer dicken rohden Schwamm,

Der de ooch zu dieser Frist
Uich mehr auszurodden ist.

Somit gehd's direkdemana
Los uff unfern Undergang.

Guste, goch Gamillenöee,

Denn mir duhd das Greize weh!
Siehste dich im Lande um,
werschde balde eefach dumm,

Denn es feixd aus jeden Haus
So ä rohder Deisel 'raus,

Der in srevelhafden LNuhd
Sich vor gar nischd färchden duhd.
Dabei genn mer nich beschdehn —
Sachsen muff da undergehn.

Goch mer Lindenblieöenöee,

Denn mir duhd der Bauch so weh?

In der heid'gen Menschheed schdeckd
(Voch vor gar nischd mehr Rehschbekd,
Alles — o du schwere Nohd! —
Scheind jetzö balde feierrohd,

Un an Bleiffeschdrand sogar
Schdeigd de Hochfluhd jedes Jahr.

's saust un braust mer vor der» Mhrn.
Unser Sachsen is verlorn!
 
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