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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0069
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2416


begründete auch auf Verlangen sein „Ja" mit
wissenschaftlichen Grund- und Lehrsätzen. Wohl
fühlend, daß sie sich des Schlimmsten von ihm
versehen könne, wenn sie seinen Zorn reize, gab
sich die Verängstete immer mehr unter seine Ge-
walt und nahm zuletzt gar Belehrungen von ihm
an. Aber nicht einmal das verschaffte ihr die
ersehnte -Gemüthsruhe; denn das Merkwürdige
mar, daß seine Tyrannei um so zudringlicher
und anmaßender wurde, je mehr sie sich nach ihm
bequemte. Wenn sie doch einmal ganz verstohlen
eine abweichende Meinung oder einen eigenen
Willen bekundete, so bemerkte Herr von Besitz
sofort mit breit emphatischer Liberalität, sic habe
ja vollkommene Freiheit, für sich zu meinen,
was sie wolle; aber in seinem Hause wolle er
dergleichen nicht sehen, und cs werde ihm wohl
Keiner verdenken können, wenn er für sein Geld
die Musik hören wolle, die ihm passe.
Wenn sie in Gesellschaften gingen, mußte sic
nut sämmtlichen Pretiosen erscheinen, die er ihr
gekauft hatte, und wenn er selbst eine Gesellschaft
gab und seine Brüder, den Rittergutsbesitzer Bums
von Klein-Kalibrowitz und den Pastor Schwall
von Biblowitz und zugleich die Schwestern seiner
Frau, die Kunst und die Wissenschaft, eiugcladen
hatte, so erhielten jene die Ehrenplätze, und diesen
reichte er die Plattmenage mit dem liebenswür-
digen Lächeln eines Großalmoseniers.
Und so kam es zuletzt dahin, daß seine Frau,
die das alles ertragen mußte, gar nicht mehr die
Bildung war; sie war jetzt die Lüge, die Prunk-
sucht, die Geziertheit, die Albernheit, die Feigheit
und Gefügigkeit geworden; aber die Bildung war
sic schon längst nicht mehr.
Jndeß seltsam genug: je brutaler ihr Gemahl
sic behandelte, je mehr er sie zu der bevorzugten
Hausthierstcllung hinabdrücktc, die gemeiniglich
das Schicksal unserer so hoch verehrten Frauen

ist, desto eifriger verwendete er sie zu Repräsen-
tationszwecken. Ueberall, allüberall, auf Bällen
und Konzerten, Ausstellungen und Soirsen, ini
Theater und beim Rennen mußte es heißen:
Bildnng und Besitz waren da; viel wichtiger aber
mar cs Herrn von Besitz, seine Frau in Gerichts-
und Parlamcntssitzungcn, in patriotischen Ver-
anstaltungen und bisweilen auch in Volksversamm-
lungen, die vom Landrath präsidirt wurden, zu
produziren. Das war nämlich so unendlich be-
deutungsvoll für das unaussprechlich werthvolle
Wahlrecht. Ans das Wahlrecht erster Klasse hatte
er zwar von vornherein, und ohne Jemand zu
fragen, die alles überschattende Hand gelegt, aber
es gab auch ein Ncichstagswahlrccht; seine Fran
erfüllte ihm nnn den vortrefflichen Zweck, den
Murrenden nud Ungläubigen plausibel zu machen,
daß Herr von Besitz mit Recht besitze.
Wie nun aber alles in der Welt höchst vernunft-
gemäß und zweckmäßig eingerichtet ist, so hat die
Vorsehung auch die weise Einrichtung getroffen, daß
derjenige, so recht viel hat, immer noch mehr haben
will nnd solchermaßen ganz nothwendig an einen
Punkt kommen muß, wo er überschnappt. Als
es Herr von Besitz fertiggebracht hatte, für sich
ganz allein einen Petroleumring zu bilden und
somit den ganzen Petroleumhandcl endgiltig und ge-
nial an sich gerissen hatte, da sprach er zur Bildung:
„Falle nieder auf deine Kniee und bete mich an!"
Da aber loderte in der Bildung der letzte
Funke von Stolz zur Hellen, hohen Flamme empor:
sie lachte ihm gell und schreiend ins Gesicht, riß
Kleider und Schmuck, mit denen er sie erkauft, vom
Leibe und verließ zur selben Stunde sein Haus, nackt
und blos auf die Straße hinaus schreitend.
Herr von Besitz blieb in grenzenloser Ver-
blüffung zurück; ihr Lachen hatte ihn erschreckt,
und als er hörte, daß sie ihn verlassen habe, wollte
cr's nicht glauben. Sie konnte ja nicht so rasend

sein, hungern zu wollen. Vor allem ließ er schnell
in die Zeitung setzen, es möge Niemand seiner
Fran auf seinen Namen etwas borgen.
Sobald das betrübende Ereigniß bekannt wurde,
wandte natürlich das bessere Publikum, das hier,
wie immer, auf Seite der Sitte stand, dem bc-
klagenswerthen Manne das aufrichtigste Mitleid
zu. Jetzt zeigte es sich so recht, wer für die
maßgebenden Kreise doch eigentlich der
Träger des guten Namens gewesen war:
denn der alleinstehende Ehemann genoß nach wie
vor die uneingeschränkte Hochachtung aller guten
und wohlanständigen Leute, während sich das
ganze Maß des Zornes und der Verachtung über
die pflichtvergessene, emanzipirte Dirne ergoß.
Obwohl man im Grunde genommen nichts eigent-
lich Schlechtes über sie hörte — sic schlug sich
irgendwo im ärmsten Winkel der Stadt recht
kümmerlich durch und opferte ihre ganze Kraft
für menschenfreundliche Bestrebungen — so blieb
sie doch die entlaufene, kontraktbrüchige Vaga-
bundin. Und sie war dessen gar bald von ganzer
Seele zufrieden; mehr und mehr fand sie sich selbst,
fand sie ihr edles, stolzes, heiteres Gemüth wieder,
und unermüdlich fuhr sie mit ihrem Missions-
werke fort, den Armen und Unwissenden aus dem
reichen Schatze ihrer Seele mitzuthcilen. Und ihr
Anhang wuchs, wuchs ins Unendliche.
Eines Tages hieß es denn auch: „Herr von
Besitz, der bekannte vieltansendfache Milliardär,
ist in seinem eigenen Fette erstickt." Da seine Ehe
mit der Fran Bildung kinderlos geblieben war,
so war diese die Universalerbin. In aller Form
Rechtens ergriff sie Besitz von ihrem Eigenthum.
Sie schenkte ihr ganzes bewegliches und unbeweg-
liches Vermögen der Gesammtheit und zerbrach
das Petrolenm-Monopol, damit alle Augen, die
danach begehrten, sich freien und reichlichen Lichtes
erfreuen konnten. stto Lrnst.

Verantwortlich siir die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von 3. tz. W. Die? in Stuttgart.
 
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