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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0086
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2431

Lieber Jacob!
Feierdage, nischt wie Feierbage! Erst die jroße, acht Dage lange
Zentralfeier un nu schon wieder mal Maifest. Et wird aber immer
feste weiter jefeiert, mein lieber Jacob, nn 'ne
März-Weiße in'n jricn anjestrichenen Zarten
extra jetrunken. Schade is et blos, dct bei
det Feiern so'n janz jewaltiger Unterschied is.
Wenn et sich um wat Patriotisches, Mille-
tärisches handelt, denn sagt Dir Dein Mccster,
et derf die nächsten Dage nich jearbeetet wer-
den, un wen dct nich in'n Kram passen dhut,
der braucht überhaupt nich mehr wiederzu-
kommen, denn een rechter un echter Prozent- j
patriote feist uff jesetzlichen Lohn. Is et aber
mal een Arbeeterfest, denn steht ooch jleich
der Ukas an die Dhüre: Wer Heike wat von't Feiern sagt, der wird
sojlcich von'n Bau jejagt!
Wechte Jacob, det Beste wär' doch ieberhaupt, der Mai würde janz
jestrichen. Na, ick habe schon sowat munkeln jehört, det die staatscrhal-
tenden Parteien zusammen een Antrag in Rcichsdag inbring'n woll'n,
det der rothe Monat doch wenigstens 'n andern Namen kriegt. Sie sind
sich bloß noch nich janz einig, wie er Heeßen soll. Die Antisemiten woll'n
ihn „Ahlwardt" nennen, die nothlcidenden Millioncnbauern sagen, er muß
„Hungerduch" Heeßen, un Eijeen Richter mecnt, „Kotze" wär' ooch 'n janz
scheener Name. Davon will aber wieder Stumm nischt wissen. Er will ihn
„Schleifsteen" taufen, — denn „den ersten Schleifsteen" feiert keen Rother.
So sind de Meinungen verschieden un blos de Arbeeter haben eene
Meinung: wir feiern den ersten Mai! Ick habe mir schon meine
Angströhre wieder neu uffjewienert. Un amüsirn woll'n wir uns wieder
mal, det der Antcsemiten-Förstcr jleich sagen soll, for die Millionen, die
det Volk da wieder hinter de Binde jicßt, soll'n lieber 'n paar Schiffe
jekooft werden. Weeßte, Jacob, der Jedanke is ja nich so ohne! Von
den Branntwein jeht man denn ooch uff andere Sachen, als Knobländer,
Limburger un Ziehjarrn ieber, un so wer'n de Knöppe alle. Jesetzt der
Fall, et wirde jesagt, et derf keener mehr Stiebel drag'n un jeder muß
barftbcenig jehn. Wieville Schiffe da for dct ieberflissige Jeld wohl
jekooft werden kennten? Die Schusterjeselln kennten denn alle Marine-


soldaten wer'n un dann kennten se ooch keen'n ersten Mai mehr feiern!
Siehste, Jacob, det mär 'n Fall, der ne dodte Kuh wieder lebendig machen
kennte, womit ick verbleibe mit ville Jrieße Dein jetreier
Jotthilf Naucke.
An'n Jörlitzer Bahnhof jleich links.
Hobelspähne.
Der zweiundzwanzigste Heinerich
Haßt bitter die preußischen Fahnen,
Er wahrt die Würde des Hauses stolz
Der einundzwanzig Ahnen.
Sein Vetter in Gera dagegen ist
Den Preußen schon ganz ergeben,
Der siebenundzwanzigste Heinerich
Kann ohne Preußen nicht leben.
Der zweiundzwanzigste Heinerich
Entrüstet darüber sich weidlich, —
Ein Krieg mit dem Siebenundzwanzigsten
Von Gera scheint unvermeidlich.
Manche Sozialpolitiker händigen dem Hungrigen ein Kochbuch cin, —
statt ihm Wurst und Brot vorzuselzen.
Sie schwätzten im deutschen Reichstag
Vom Konfessions-Eid viel —
Gescheitelte und Geschorne,
Sie priesen ihr christlich Gefühl.
Ach, Stöcker hatt' leider kein Plätzchen,
Leuß, Hammerstein haben gefehlt;
Sie hätten gewiß nns recht gerne
Von ihren Eiden erzählt.
Der Saarbrückener Scheercnschleifer soll bei der nächsten Marine-
vorlage auf höheren Befehl eiugespcrrt werden; Herr v. Stumm ist dann
nicht in der Lage, die Regierung zu blamiren; auf diese Weise hofft man doch
noch, einige Kreuzer zu erfechten. Ihr getreuer Säge, Schreiner.


Ein Handwerksmeister: Haben Sie echten
Nordhäuser Befähigungs-Schnaps?
Bötticher: Bedaure, Meister, bedaure sehr.
Aber diesen freiwilligen Zwangsinnungs-Liqucur
kann ich sehr empfehlen.
Handwerksmeister (spuckt aus): Ne, ist mir
zu süßlich. Adieu.
Ein Arbeiter: Haben Sie haltbare Arbeiter-
schutz-Handschuhe? Die letzten waren gleich durch-
gescheuert.
Bötticher (steht ganz Ms): Führen wir über-
haupt nicht mehr.
Der Arbeiter: Kann ich denn ein grobes
Sozialreform-Hemd bekommen?
Bötticher: Is ja Unsinn! Die Firma, die
so'n Zeugs lieferte, ist läugst pleite.
Bötticher (allem): Das ist ja'ne tolle Hetze.
Ja, der Olle, der schläft, der hat's gut. Mir thun
die Beine höllisch weh. Ich werde doch nächstens
mal'n bischen für'n Achtuhr-Ladenschluß ngi-
tiren.
Line öemitleidenswertZe Nmschenllaffe.
Während die Arbeiter in ihrem Uebermuthe
für den Achtstundentag demonstriren und so die
reiche Fülle von Arbeit, mit der sie beglückt sind,
vermindern wollen, gicbt es noch viele armselige
Lebewesen, die ohne jede Arbeit sind und nie-
mals das erhebende Gefühl kennen lernen, welches
in dem Bewußtsein liegt, etwas Nützliches ge-
leistet zu haben.
Es sind dies die Aktionäre der verschiedenen
Aktiengesellschaften, die — ähnlich wie die Thiere
im zoologischen Garten — ihr Futter bekommen,
ohne daß an ihre Intelligenz, Geschicklichkeit oder
Körperkraft irgendwelche Anforderungen gestellt
werden.
Ein Aktionär Z. B. der Hamburg-Ameri-
kanischen Packetfahrt-Aktiengesellschaft, muß seine

zehn Prozent Dividende einstecken mit dem be-
schämenden Bewußtsein, daß dieses Geld nicht
von ihm, sondern von armen Hafenarbeitern
verdient worden ist, welche sich vergeblich be-
mühten, im heißen Kampfe des großen Streiks
einen Theil ihres Eigenthums den Müßiggängern
wieder abzuringen.
Ein anderer Aktionär, welcher aus einer
Spinnerei, Strumpfwirkerei oder Nähfadenfabrik
seine zwanzig bis dreißig Prozent Dividende be-
zieht, muß mit auschen, wie die Frauen und
Kinder, die diesen Gewinn durch ihre Arbeit er-
zielen, in Noch und Elend verkommen und ent-
arten.
Wie erbärmlich, wie überflüssig, ja wie ge-
meingefährlich muß sich ein solcher Schmarotzer
vorkommen!
Da bekanntlich der Müßiggang aller Laster
Anfang ist, so findet man es häufig, daß sich
jene überflüssigen Geschöpfe noch über ihre arbei-
tenden Mitmenschen erheben, daß sie sich zu den
„besseren" Ständen zählen und obendrein für die
Beschränkung der Rechte des arbeitenden Volkes
eintreten. Es ist sogar vorgckommen, daß solche
Müßiggänger, die 365 Tage im Jahre faullenzen,
es den Arbeitern wehren wollten, einen einzigen
Tag, den ersten Mai, zu feiern!
Hier muß entschieden etwas geschehen! Die
Gesellschaft muß die unglücklichen Dividenden-
schlucker zur Arbeit anhalten. Allzu hohe An-
forderungen darf man an diese Menschenklasse
freilich nicht stellen; cs wird sich aber vorerst
auch nur darum handeln, sie an eine geregelte
Thätigkeit zu gewöhnen, damit sie nicht mehr den
ganzen Tag frühstücken und die halbe Nacht
Skat spielen.
Man kann sie z. B. zu leichten Dienstleistungen
im Betrieb des Unternehmens oder wenigstens zum
Frühstückholen verwenden, damit ihnen die Schmach
erspart wird, ganz umsonst ernährt zu werden.

Dadurch wird sich ihr moralisches Gefühl viel-
leicht um so viel heben, und sie werden den Werth
der Arbeit so weit schätzen lernen, daß sie den
Bestrebungen der Arbeiter nach Erhöhung des
Lohnes und Verkürzung der Arbeitszeit nicht
mehr feindselig in den Weg treten.
Kommt es dann aber doch wieder zu einem
Streik, so könnte uns wenigstens das lächerliche
Schauspiel erspart werden, daß die Einstellung
der Arbeit am meisten von denen verurtheilt
wird, die überhaupt niemals arbeiten.

Neues aus den Neichslanden.
In Mülhausen ist ein Vortrag über das
Thema „Spiele nicht mit Schießgewehren"
polizeilich verboten worden. Die hiegegen einge-
legte Beschwerde wurde abgewiesen. Die Be-
gründung führt aus, der Vortrag sei geeignet,
dem Umsturz Vorschub zu leisten, indem die An-
nahme gerechtfertigt erscheint, daß das Thema
eine verhüllte Spitze gegen den Militarismus
enthält. Dasselbe läßt ferner auch eine anti-
monarchische Auffassung zu, da es dahin ge-
deutet werden kann, daß das Militärwesen ein
Spielzeug für die regierenden Fürsten sei.
Bismarck in „Ungnade".
A. : Der alte Bismarck sängt auf seine alten
Tage noch an, gewissenhaft zu werden.
B. : Unglaublich! Woraus ginge das hervor?
A.: Er quittirt sogar über diejenigen Gratu-
lationen und Geschenke, die er nicht empfangen hat.
Begreiflicher Irrkhum.
Kunde: Was haben Sie denn da für eine
Sorte neuer Hosenknöpfe?
Militärschncider: Aber ich bitte Sie —
das sind ja die neuen Reichskokarden.

Durch unsere Expedition ist zu beziehen: Wahlgesetz für den Drnlsrhrn Nrirhsiag nebst Vcglrmrul zur Ausführung des Wahlgesetze«. Mit Anhang: Programm
der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Preis pro wo Exemplare Mt. 2.—, pro 1000 Exemplare Mk. IS.-
 
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