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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 14.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.6610#0257
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2599


kantone ergaben sich verzagt, und Wallis kroch
ebenfalls zu Kreuze. Nur fünfundzwanzig Tage
hatte die Kampagne gewährt, manierlicher war
kaum jemals zuvor ein Bürgerkrieg erledigt morden;
der humane Dufour hatte das übliche „Schlachten"
mit Umsicht vermieden. Und es imponirte doch
jetzt weit herum, wie prompt und brav das Miliz-
heer seine Schuldigkeit gethan. „Wir waren ge-
wohnt", schrieb damals ein Deutscher in den
„Grenzboten", „auf die Schweizer als einseitige
Spießer hinunterzublicken, wie in Beschränktheit
verrottete. Nun hat sich gezeigt, daß ein Länd-
chen ohne allen genialen Anflug, durch die bloße
Willenskraft, von der die Gesammtheit durch-
drungen ist, nicht nur seine Angelegenheiten solid
unter Dach bringt, sondern auch den Großen
fröhlich trotzt, sich gar nicht um dieselben kümmert."
Ja, die „Großen" fühlten sich deshalb auch
höllisch geärgert. In den Denkwürdigkeiten des
preußischen Generals von Gerlach ist zu lesen,
daß König Friedrich Wilhelm IV. am 25. November
bereits von ernsten Maßregeln sprach und die Be-
sorgniß ausdrückte — „du ahnungsvoller Engel
du!" — die Funken würden nach Baden fliegen
und dort die Rebellion entfachen. Zahlreiche
deutsche Städte, vornehmlich die des Südens,
doch auch das ferne Königsberg war darunter,
sandten ihre Grüße und Gratulationen über den
Rhein; die Leipziger Adresse war unterzeichnet von
Robert Blum, und das Schreiben aus Freiburg
im Breisgau jubilirte: „Der Firne ewig reiner
Hauch weht nun auch in den Sumpf mattherzigen
Bölkerlebens; das Alphorn widerhallt in fremden
Bergen, — es sei die Posaune zum Auferstehungs-
tag schlummernder Nationen!"
Von ihrem Laster konnte natürlich die Diplo-
matie nicht lassen. Die englische, welche der

Schweiz gewogen, im kritischen Moment ihr auch
sehr nützlich gewesen war, schwieg und lachte; die-
jenige Frankreichs und Oesterreichs erhob dagegen
wiederum Einspruch gegen jede Revision des Ver-
fassungsbalgs von 1815, sofern nicht alle Kan-
tone dieselbe billigen. Preußens Repräsentant
hinkte mit seinem „Zetterl im Goscherl" hinter-
drein. Da die Tagsatzung sich alle Mühe rundweg
verbat, flatterten drei neue Noten auf ihren Akten-
tisch nieder und in Paris ward zwischen den
Mächten ein Kontrakt vereinbart, welcher am
15. März 1848 ratifizirt werden sollte. ...
Die Botschaft war schlimm, allein die Sterne
lenktens hübsch.
Am 15. März 1848 hatte Louis Philipp wohl
seinen Regenschirm, doch keine Krone mehr; die
Pariser hatten ihn spedirt. Am 15. März 1848
purzelte Metternich und ging auf die Walz; die
Wiener Gemüthlichkeit war zum Teufel. Am
15. März 1848 wars auch an der Spree nicht
mehr wie sonst; die lieben Berliner nahmen sich
vor, rabiat zu werden.
Wer mochte da ratifiziren!
Die Eidgenossenschaft hatte Luft; sie freute sich
der warmen Frühlingssonne. Und Neuenburg,
bisher preußisches Fürstenthum und eidgenössisches
Land, ein politischer Zwitter, löste sich ab von
der Monarchie und ward ein ehrlicher Schweizer-
kanton. Auf dem Schlosse sank die schwarz-weiße
Fahne, verjagt durchs roth und weiße Banner,
und aus Potsdam meldete der König seinen ge-
treuen „Nefschatellern", der Zustand Europas
erlaube ihm nicht, für sie etwas zu thun.
Ein heißer Schmerz für Neuenburgs Aristokratie; sie
war monarchisch gewesen bis auf die Knochen. Nach
einem Tagsatzungs-Diner war ein Lebehoch ans
Wilhelm Tell anrgcbracht worden. Der Neuen-

burger Herr de Chambrier ließ stolz sein Glas
unberührt. „Ich trinke nie auf das Wohl von
Meuchelmördern", sagte er zu seinem Nachbar.
Und was mußte er jetzt erleben!
Die Ritter und Knappen der alten Zeit hatten
schon Recht: Es war ein tolles Jahr. r>. 6.
Zwei Bilder aus unseren Tagen.
I.
Äs war an einem Sommernachmittag.
Die Sonne strahlte hell vom blauen Himmel,
Als durch der Großstadt rußgeschwärzte Straßen
Sich feierlich ein Crauerzug bewegte.
An allen Ecken standen feile Gaffer,
Die des Konduktes stolze Pracht anstaunten. -
Lin höhrer Vffizier, den Neister Hain
Nit scharfem Schwertstreich plötzlich abgerufen
—Man sprach viel von Duell und Ehrenhändeln!—
Befand sich auf dem Weg zur ew'gen Ruh.
Und glanzvoll, wie sein ganzes Leben war,
Mar auch sein Abschied aus der schönen Welt.
In gleichem Schritt marschirten an der Spitze
Des Zugs ein ganzes Bataillon Soldaten;
Dumpfwirbelten die Trommeln durch die Reih'n,
Kanfaren schmetterten die Trauerweisen.
Auf Lammetkissen trugen Sffiziere
Die Vrden und die Sterne des verblichnen.
Die er als Dank für jahrelange Dienste
Huldvoll von Serenissimus empfangen.
In langen Reihen folgten die Karossen
In welchen die Leidtragenden sich zierten.
Und Dntzende von schwarzbefrackten Dienern
Begleiteten den Zug mit Palmenzweigen.-
In der Familiengruft, wo die Gebeine
Der Väter und Urväter moderten.
Dort ward auch dieser Edle beigesetzt.
Der Priester rühmte laut die hohe Tugend,
 
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