Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0026
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2648

Sehnsucht ttadi Lhincr. *«~

kennst öu das Land - es liegt am gelben Meer
wo jeder Fortschritt ist verachtet sehr,
wo einen Zopf trägt jeder Unterthan -
Rennst du es Wohl, du deutscher Jnnungsmann?
Die Sehnsucht locket dich - du sollst dahin
Mt deinem Jammer, deinem Elend ziehn.

Rennst du das Land, wo Presse und Verein
Niemals in Freiheit kamen zum Gedeihn,
wo von Sozialreformen Niemand weiß,
wo jede Arbeit steht gering im Preis -
Rennst du, o Hohenloh', dies Land? - dahin
Rannst du mit Ghren-Posadowskh ziehn.

Blihdraht -Meldungen.

Berlin. Der Minister v. Bülow hat für feine Verdienste um den
Umsturz in China den vornehmsten rothen Orden bekommen und darf
dieses revolutionäre Abzeichen öffentlich tragen.

— An die Berliner Schutzleute sind fünfhundert Exemplare von
Knigge's „Umgang mit Menschen" vertheilt worden.

Lsaniburg. Nachdem man behauptet hat, durch das chinesische
Abenteuer werde der Schiffsbau bedeutend gehoben, ist von den Unter-
nehmern beschlossen worden, eine Lohnerhöhung in allen dabei in Frage

Rennst du das Land, wo's nicht Verfassung giebt,
wo stets der Herrscher thut, was ihm beliebt,
wo sich der Unterthan den Bauch aufschlitzt,
wenn er des Raisers Gunst nicht mehr besitzt -
Rennst du es wohl? dahin, dahin
Zieh', Rönig Stumm, und werde Mandarin.

Rennst du das Land, o deutsche Reaktion,
wo man der Bildung und Rultur spricht Hohn,
wo noch entglommen nie der Freiheit Strahl?
Du kennst es wohl, es ist dein Ideal,

Darum dein Drang nach Ehina's fernem Port
O, ziehe hin, und bleibe ewig dort! Set 3aco6.

kommenden Branchen eintreten zu lassen, damit auch die Arbeiter an das
neue Evangelium zu glauben vermögen.

Dresden. Für die öffentliche Gesundheitspflege ist ein wichtiger
Schritt geschehen. Die Polizei hat verordnet, daß alle Tuberkelbazillen
beim Umherfliegen in der Luft Maulkörbe zu tragen haben, widrigen-
falls ihr Besitzer zu vierzehn Tagen Haft verurtheilt wird.

Belgrad. Die serbische Regierung hat einen sehr glücklichen Griff
gethan, indem sie den Exkönig Milan zum Anführer des serbischen
Heeres ernannte, denn im An führen war Milan stets groß, das können
seine Gläubiger, seine Unterthanen und zahllose Weiber bezeugen-

Inhalt der Unterhaltung«-Beilage.

Dem kommenden Manne. Gedicht. — Sonett. — Der
ewig Betrogene. Aus dem Französischen. — Ernstes und
Heiteres aus den Jahren 1848—4v. Das Münchner
„Mädchen aus der Fremde". (Jllustrirt.)

Das „befreite" Sizilien.

Europas Vorrathskammer, das blühend schöneLand,

Durch Hunger jetzt und Janimer macht sich's nur
noch der Welt bekannt.

Und als vor wen'gen Jahren die Noth das Volk
gedrängt,

Zum Bunde sich zu schaaren, hat Tyrannei den
Bund gesprengt.

Doch könnt' nicht lange dauern die Ruh', die man
gebot,

Wir sahen heimlich lauern nnt hohlem Aug' die
Hungersnoth.

Jetzt wieder sehn wir eilen die treue Polizei,

Den Hunger dort zu heileil auf's Neu' mit Pulver
und mit Blei.

Wer hat das Land, das schöne, verwüstet und
entstellt?

Wer seine armen Söhne uin's letzte Stückchen
Brot geprellt?

Das Plündern und das Rauben vollbracht mit
gier'ger Hand

Auch hier, das könnt ihr glauben, der ehrenwerthe
Junkerstand.

Nun ist von ihrem Fluche erlöst die Insel schon,

Es kam ja zum Besuche mit seiner Frau der
Königssohn.

Und wo er hingereiset, da fehlt es nicht an Brot.

Denn wo ein Kronprinz speiset, herrscht an der
Tafel keine Noth.

Wer hier beim vollen Glase von Noth was sagt,
der lügt!

Schau! Crispi's Habichtsnase, wie glänzt, wie
schnüffelt sie vergnügt!

Schutz

dem

Schutzlnann.

ist namentlich in
Berlin und den
angrenzenden
LänderndieThat-
>sache zu konsta-
tiren, daß die
Schutzleute vom
Publikum aufs
Abscheulichste
mißhandelt werden. Um dem entgegeirzutreten,
soll unter Leitung des Herrn v. Tausch folgende
Verordnung dnrchgeführt werden.

8 1. Wenn ein Bürger Abends die Straße
passirt, so hat er jeden ihm begegnenden Schntz-
mann höflichst zu grüßen, ihm unaufgefordert
seinen Geburtsschein, Taufschein, Impfschein, die
letzte Steuerquittung und ähnliche Papiere vor-
zuweisen, über die Sorte seiner Zigarren und die
Bezugsquelle seiner Hosenträger Aufschluß zu
geben, das Ziel und den Zweck seines Ausgangs zu
nennen, z. B. ob er dunkles oder helles Bier zu
trinken, Schafskopf oder Skat zu spielen beabsichtigt,
und wie lange er auszubleiben gedenkt. Werden
alle diese Angaben vom Schutzmann geglaubt, so
kann der Bürger unbehelligt seines Weges ziehen.

8 2. Begegnet dem Schutzmann Abends nach
Sonnenuntergang ein unbescholtenes Mädchen,
so steht es im Belieben des Ersteren, von einer
augenblicklichen Verhaftung abzusehen. Ist das
Mädchen verdächtig (und das ist es stets, ob es
weint oder lacht), so ist es an eine Polizeiwache
abzuliefern und einzusperren, bis durch Ermitt-
lungsverfahren festgcstellt ist, daß die Verhaftete
bei ihrem Ausgang nicht bezweckte, einen Mord
zu begehen, einen Eisenbahnzug in die Luft zu
sprengen, einen Kirchenraub zu verüben, ein

Pferd zu stehlen, das Deutsche Reich an die
Chinesen zu verrathen oder gar einen Schutzmann
zu verführen. Ist in allen diesen Punkten die
Unschuld des Mädchens nachgewiesen und ver-
zichtet der Schutzmann darauf, noch in anderen
Richtungen Verdacht zu äußern, dann tritt Frei-
lassung ein und das Mädchen kann seinen Aus-
gang unbehelligt fortsetzen.

8 3. Strengeres Verfahren ist am Platze, wenn
eine verheirathete Frau sich Abends auf der Straße
erblicken läßt. Der Ehemann ist dann unbedingt der
Mitschuld verdächtig, weshalb er gleichfalls zu ver-
haften und die Untersuchung gegen Beide zu führen ist.

Mit dieser Verordnung zun, Schutze der Schutz-
leute kann übrigens die vielbesprochene Reform
des Vereinsrechts sinnreich verbunden werden.
Man schafft die Vereinsgesetze einfach ab und
stellt cs in das Belieben jedes Schutzmanns, ob
er einen Verein weiter bestehen lassen, die Grün-
dung eines neuen Vereins dulden, die Abhaltung
einer Versammlung erlauben oder verbieten will.
Jede Appellation gegen seine Verfügung wird dann
als Widerstand gegen die Staatsgeivalt bestraft.
So wird der preußische Polizcigeist, der schon
viel Großes geleistet hat, auch diese Frage im
Handumdrehen lösen.

Nus Berlin.

In einem Leichenzuge gingen zwei Männer in
ernstem Gespräch.

„Es ist doch etwas Eigenthümliches um die
Majestät desTode s", sagte der Eine von ihnen.

„Ach was!" meinte der Andere, „was ein
rechter Mann ist, muß ihn verachten!" Sofort
hatte ihn ein Schutzmann beim Kragen. Der
Unvorsichtige erhielt sechs Monate Gefängniß
wegen Majestätsbeleidigung.

Geschichtliches.

A>: Wie ist denn eigentlich Schleswig-
Holstein an die Preußen gekommen?

B.: Wahrscheinlich haben sie es einmal ge-
pachtet.
 
Annotationen