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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 15.1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.8184#0086
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2708 • - -

-L- Schwarzer Schacher.

Motto:

Die §totte schwimmt ins freie Meer —
Bei uns wird's ur-reaktionär.

das Zentrum ist ein „fainer" Handelsmann
And auf den Schacher hat sich's stets verstanden;
Geschäftchen macht's, mit wem es immer Kann,

Mit Freund und Feind, mit Fremden und Verwandten.
Sich selber aber steht es nie im Licht,

Denn auf den „Aeübach" war es stets erpicht.

Begehrt als ihres Wohlverhaltens Lohn
Die schwarze Garde in deu nächsten Gagen
Gin einz'ges Jesuiten-Wataillon, —

Wer hat das Herz, ihm solches abzuschlagen?
And wer die Inbrunst für die Flotte Kennt,
Der fragt sogar: „Warum Keiu Regiment?"

Es hat die Panzer willig flott gemacht
And die Marine half es neu gestalten;

Luni Opfer hat's den Intellekt gebracht.
Doch — unter stilleg, starken Vorbehalten.

Es kommt die Stunde, wo herein es schleicht
And uns die Flotten-Ouittung überreicht.

Vor Allem wirft auf die „lex Heinze" nun
Mit voller Araft sich das moralische Fieber, —
Das Zentrum wird sich eine Güte rhun
Mit seinen Mannen Gröber, Spahn und Lieber,
And Deutschland geht entgegen einer Leit
Strammster Moral und tiefster Gläubigkeit.

Es war nach immer für das Seelenheil
And für die Unschuld seiner Geistesknechte
Dem biedern Lentrum gut und gerne feil
Ein Bündelchen verbriefter Freiheitsrechte.
Die Politik ist irdisch und banal —

Ams Jenseits handelt flch's bei der Moral.

And seit es für die Panzer sich erklärt
Lrotz etlichen Geknurrs in seiner Mitte,
Wird ihm ja gerne allerlei gewährt
Auf dem Gebiet der Schule und der Sitte,
And wenn es seine Wünsche formultrt.
Heisst es gewisz: „Verlangt nur ungeuirt!"

Wohin der Eifer dieser Braven führt.

Die Aom im Herzen und vor Augen tragen.

Wenn man von oben ihn mit Schmunzeln schürt
Wer hat die Aühnheit das vorauszusagen?

Schwarz heiszt bei uns der Lrumpf, der Alles sticht.
And die Aegierung knausert sicher nicht.

Moralisch wird bei uns fortan regiert
And obenan stehn Harfe nun und Psalter;

Mit Aiesenschritteu wird zurückmarschirt
— Das Lentrum will's! — ins holde Mittelalter,
And Alles das dank Lieberschem Geschick
And römisch-schlauer Schacherpolitik!

Inhalt der Unkerhaltungs Beilage.

Wie die deutsche Polizei zu rühren ist. (Jllustrirt.) —
Eherne Maiglocken. Gedicht von R. L. — Das neue Jahr-
hundert. Gedicht von Arno Holz. — Eine Parlamentsver-
handlung. Von E. (Jllustrirt.) — Der Teufel am Vau.
Gedicht von 6. F. — Die große Seeschlange, wie sie Vielen
im Jahre 1848 erschienen ist. (Zeitbild.) — Philisters
Schmerz. Gedicht. — Sein letzter Maientag. Von W. Br.
(Jllustrirt.) — Die Arbeiterbewegung in den Niederlanden.
Von W. H. Vliegen. (Mit Porträts.) — Wettrennen. (Illu-
stration.) — Heiteres aus den Jahren 1848 und 1849: Der
Verfassungsentwurf. — Großes österreichisches Vogelschießen.
(Jllustrirt.) — An die Lobhudler des Prinzen von Preußen. —
Auch ein Revolutionär. — Aus der preußischen Nationalver-
sammlung. (Jllustrirt.) — Spießbürgers Charakteristik.

Abend.

Ruhig lenkt Apoll den Wagen
In das Gluthenmeer des Westens.
Kühler rauschen schon die Winde
In der Bäume schwanken Kronen
Und es geht ein Wohlbehagen
Durch die frühlingsjunge Schöpfung.
Tausendstimmig in den Zweigen
Tönt das Abendlied der Vögel
Und vom Dörflein aus dem Thale
Rundet sanftes Abendläuten.

Daß der Frühlingstag, der holde.
Langsam sich zum Scheiden rüstet.

Line letzte Tagesstunde,

Doch die schönste ist's von allen.
Glücklich, wer am Waldessaume,

Wo die Krillen leise zirpen.

Wo die bunten Frühlingsblumen
Aus des Rasens grünen Wogen
Lauschend ihre Köpfchen heben.

Wo die Kalter lustig gaukeln.

Und die ernsten Bienen summen —
Glücklich, wer allhier kann ruhen
Aach des Tages heißen Kämpfen,
Glücklich, wer allhier die Seele

Kann erfrischen und erlaben.

Daß die Sorgen von ihm weichen.

Wie das Abendroth verglühet
Hinter nebelfernen Bergen.

Doch warum so einsam ruhest,

Wandrer, du am grünen Raine?

Zag', wo sind sie, die ermüdet
von des Tages Last und Hitze,

Leib und Seele könnten baden
In des Frühlings Lebensquell?

Ach, sie schauen nicht den Zauber
Dieser gluthdurchflammten Stunde,

Ahnen nicht die Waldesfrische,

Und um ihre bleichen Stirnen
Weben kühle Abendwinde
Nicht den Balsamduft der Blumen
Und es dringt zu ihrem Vhre
Nicht der Vögel Abendlied.

Denn der Arbeit Lisenfessel
Hält die Armen noch im Banne;
Rädersausen, Hammerschläge,

Schwerer Staub in düstrer Werkstatt,

Und ein unermüdlich Hasten
Im gewohnten Tagewerke,

Bis die Nacht die Flügel breitet.

Aber horch — „Acht Stunden Arbeit!"
Also ist der Ruf erklungen.

Diese Losung lockt und kündet:

Auch dem Armen soll die Wonne
Lines Frühlingsabends leuchten.

Ihm auch sollen Wälder rauschen.

Ihm auch sollen Vögel singen.

Denn bevor der Tag sich neiget,

Soll die Schicht beendet sein. —

Folgt der Losung, Proletarier!

Den befreienden Gedanken
Führe Linigkeit zum Liege.

Und ihr sollt die Welt erschauen.
Prangend in des Lenzes Reizen
In der Sonne Lcheidestunde,

Die des Tages Krone ist. M. k.

Stasiserhallende

Betrachtungen über die Maifeier.

von Dr. Reptilius.

Die Begehrlichkeit der Arbeiter nimmt immer
mehr überhand. Nicht nur, daß sie Sonntags-
ruhe haben wollen — jetzt möchten sie noch einen
Feiertag extra einführen.

Und warum? Das weiß ich freilich nicht;
ich verderbe mein unschuldiges Gemüth nicht mit
revolutionären Dingen und habe keine Ahnung
davon, welche Motive dieser sogenannten Mai-
feier zu Grunde liegen.

Aber je weniger ich diese Motive kenne, desto
schärfer mißbillige ich sie. Es ist ein ganz um-
stürzlerisches Unterfangen, gerade den Mai zu
sozialistischen llmtrieben benützen zu wollen. Der
Mai ist ein aristokratischer Monat; er bringt das
warme Wetter, damit die vornehmen Damen
ihre Sommertoiletten zeigen können; er belaubt
den Wald, damit die Grundbesitzer schattige Spazier-
gänge auf ihrem Besitzthum haben, und die Maien-
sonne scheint hauptsächlich zu dem Zwecke, um sich
in dem blitzenden Waffenschmuck der Lieutenants
spiegeln zu können.

Der Mai gehört also, wie alles Schöne auf
dieser besten aller Welten, den Reichen. Und da
kommen nun plötzlich die Revolutionäre und wollen
auch einen Maitag haben. Als ob sich das für
sie schickte!

Was bietet der Mai denn auch für einen An-
laß zu einer Volksfeier? Im Mai ist doch Bis-
marck nicht geboren, die Preußen haben im Mai
keine Schlacht gewonnen, Knackfuß hat kein neues
Bild gemalt und Prinz Heinrich wird auch schwer-
 
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