2759
Eine Wrbrrsamilie.
Line schlesische Dorfgeschichte.
Es war Sonnabend Abend. Bleich und
angegriffen saß Hanna am Tische, vor sich das
Dellicht, denn der Webstuhl zu ihrer Seite
war leer. Sie hatte ihre Nähterei in den
Schoß sinken lassen und den Kopf in die Hand
gestützt, bei jedem Tritte aber, der von außer-
halb zu hören war, fuhr sie auf und schien ge-
spannt zu horchen, immer aber wieder getäuscht
und mit wachsender Besorgniß in ihre frühere
Stellung zurücksinkend. Auf dem Bette schlief
bereits die kleine Liesel, Heinerle, am Spulrade
auf dem Boden sitzend, hatte den Kops auf das
Aermchen gelegt, verzehrte ein Stückchen Brot
»nd schien mit seinen klugen Augen die Schwester
zu beobachten. „Kommt der Vater und a Wilm
noch nicht?" fragte er nach einer Weile, als
vorübergehende Schritte die Harrende von
Neuem getäuscht hatten.
„Ach, weiß a lieber Gott, wo sie bleiben!"
seufzte Hanna, „der Vater noch gar nicht daheim
gewesen und a Wilm schon seit 'm Mittag weg!"
Da knarrte die Hausthür auf, mit langsamen
Schritten trat Wilhelm in die Stube. Er bot
einen guten Abend und fiel, ohne ein Wort zu
sage», auf den leerstehenden Schemel und schlug
beide Hände vor das Gesicht. Hannas tief-
aufsteigendes „Gottlob!" erstickte im Schrecken.
--Wilm!" rief sie, am ganzen Körper zitternd
und ihre Arbeit glitt vom Schoße zur Erde,
„Wilm, was ist denn g'schehn? Antworte doch,
Jemersch, was hast D' denn!? wo ist denn der
Vater?"
Wilhelm ließ die Hände sinken und sein
todtblasses, gänzlich erschlafftes Gesicht ließ es
ihr eiskalt durchs Herz rieseln, „'s alle!" sagte
er tonlos und lehnte den Kopf mit geschlossenen
Augen an die Wand, „geh' wieder zu Deiner
Herrschaft nach Breslau, Hannel, so lange Du
noch fort kannst, thu' die Kinderle ins Waisen-
haus, wir sind nun bald Alle todt!"
„Aber lieber, guter Will»!" rief das Mädchen,
»ch mühsam von ihrem Sitze erhebend, mit einer
Allgst, die ihr fast die Stimme versagen ließ,
„so red' doch nur, was ist denn g'schehn? red'
doch nur ein Wörtel, ein klein Mörtel! Haben
sw euch denn wieder vom Lohne abgezogen,
suchen sie euch denn keine Arbeit mehr geben?
Wilm", rief sie, und faßte seine beiden eis-
kalten Hände, „Wilm, Jeses, Jeses, willst D'
be»u nicht reden?!" Und Wilhelm drückte ihre
Hände in den seinigen, er richtete den Kopf
uuf und sah ihr lange mit todttrübem Blicke
s" das angstvolle Gesicht. „Setz' Dich hin,
Hannel", sagte er endlich matt, „ich will Dir's
uorzählen." Er stützte den Kopf auf den Arm
Und begann, in das Licht starrend, mit leiser,
elntöniger Stimme:
/-Ich Hab' vorhin oben gelegen im Walde,
werß nicht wie lange und Hab' gedacht, wo nur
der Herrgott sein müßte, und 's ist mir ein-
gefallen, was der Pfarrer verzählt hat, wie ich
stoch ein klein Jungel gewesen bin, und da Hab'
rs nu’ 'rausgekriegt. Wie a Adam mit seiner
, ua gesündigt hat, hat der Herrgott Einen mit
u> feurigen Schwerte geschickt und das ist der
Teufel gewesen. Dem hat er die Herrschaft
Lsgeben und hat sich nicht mehr um die Men-
bekümmert. Und da hat der Teirfel die
Elchen gemacht, weil kein Reicher in den Himmel
01tW' Und er hat 'n allsammt 's Herz aus-
dr.6 doß ste die Armen ädern müssen und
,,ap sie kein Erbarme» haben, bis sie sich in
nrem Elende versündigen oder bis sie sich ein
oids anthun, daß er sie dernach auch hat. Ja,
>o fft's!" Er starrte fort in das trübe Licht,
sein Auge glänzte jetzt fast, wie das eines Irr-
sinnigen.
„Aber, Wilm", rief das Mädchen bebend,
„was hast D' denn im Walde gemacht, warum
bist D' denn nicht hierher gekommen?"
Wilhelm antwortete nicht sogleich, als müsse
er erst über die Frage Nachdenken.
„Kannst Du Heu essen, Hannel?" erwiderte
er dann. Das Mädchen starrte ihn an, es
überlief sie fast ein Grauen vor seiner tonlosen,
verwirrten Rede.
„Nicht? nu sieh!" sagte er und sah, den Kopf
sinken lassend, vor sich hin. „Ich Hab' oben
im Walde gelegen, ach 's ist ein Wunder, daß
ich wieder da bin. Ich will Dir Alles sagen.
„Wir gingen mit unser'r Leinwand, Dein
Vater und ich, 'nunter in die Fabrik. Da stand
nu schon Alles voll und wart'te auf den jungen
Herrn. Die Leute waren Dir gar erbärmlich
anzusehn, Hunger im Gesichte, Hunger in den
dürren Armen und Beinen, Hunger im ganzen
Leibe, ich hatt's noch gar nicht so betracht'!,
wie heute. Und wie Dein Vater d'runter stand
und sich an die Wand lehnen mußte, weil er's
lange Stehen nicht gewöhnt ist, da sah er auch
nicht anders aus und ich wohl auch nicht —!
„Wilm, Jeses, Jeses, willst D' denn nicht reden?"
Da war Einer, der verzählte, daß seine Frau
elendig krank derheime läge und daß er für
seine fünf Kinderl seit drei Tagen kein Brinkel
zu beißen gehabt, und Andere verzählten, und
's war eben so viel Jammer und Elend und
bei Manchem noch mehr, und ich dachte daran,
daß sie Euch aus ’m Hause werfen wollten,
und ich kriegte eine Wuth —! Da kam der
junge Herr mit den Anderen und sie fingen an
mit ihren Gläsern die Leinwand zu beschauen,
und wie der Mann d'ran kam mit den fünf
Kindern, da fanden sie ein klein Fehlerl, machten
den Stempel auf das Stück, daß es nichts taugt
und warfen 's zurück. Da zitterte der Mann
und fiel um, nu hatte er für die derheime noch
immer nichts zu essen. Und Dein Vater neben
mir zitterte auch und ich krallte die Fäuste zu-
sammen. Nu kamen sie zu uns und beschauten
und maßen die Leinwand. Sieh, Hannel, wir
habe» doch Jeder vierzehn Tage d'ran gearbeit't,
und nu gaben sie uns Jedem zwölf Silber-
groschen. Hannel, für vierzehn Tage, von
früh bis in die Nacht, zwölf Silber-
groschen! Und wie ich noch nicht wußte, was
ich machen sollte, und neben mich sah und hinter
mich, da mar noch Keiner mit seinem Gelde
fortgegangen und Viele waren noch blässer ge-
worden, und Viele hatten auch die Hände zu
Fäusten gemacht; und ich stellte mich gerade
vor den jungen Herrn hin und sagte: Lieber
Herr, sollen wir denn mit dem Gelde wieder
vierzehn Tage leben, wir müssen doch halt uns're
Zuthat bezahlen und darnach reicht's ja nicht
halb zum lieben Brote! Hannel, da hat er mich
angesehn und sein Gesicht hat sich verzogen,
daß ich verschrocken gewesen bin.
„Denkt Er wieder was zu erzwingen? hat
er geschrieen, und ihr dahinter wohl auch?
Freßt Heu, wenn's Brot so theuer ist, das
ist billiger! Geduld nur, für vier Quark-
schnitten sollt ihr noch arbeiten müssen,
statt für zwölf Groschen! Hannel, dawar's
als wär'n wir Alle darniedergeschlagen, wir
gingen stille weg und den Alaun mit den fünf
Kindern und der kranken Frau trugen sie weg;
ich dachte aber, ich müßte mich gleich auf die
Erde legen und sterben. Wie ich nu Deinen
Vater sah, der kaum auf den Beinen stehen
konnte, da dacht' ich d'ran, was mir vergangene
Nacht eingefallen war. Rake, sagt' ich und
that einen großen Schwur, kein Schlag wird
mehr gethan, wenn's nicht besser wird! Dein
Vater nickte traurig mit 'm Kopfe, als war'
ihm Alles recht. Rake, sagt' ich, jetzt geht Ihr
hin und eßt und trinkt einen Schnaps, daß Ihr
Kräfte kriegt und ich trage für a Hannel der-
weile mein Geld hin, dernach suchen wir andere
Arbeit.
„Und so machten wir's und gingen zusammen
zu a reichen Meier. Dem sagt' ich nu unser
ganzes Elend, wie wir bei der Weberei alle-
sammt verhungern müßten und bat ihn, uns
andere Arbeit zu geben, wenn sie auch noch
so geringe wär'. Aber a Meier lachte und
sagte, wenn wir Weber wären, müßten wir
auch weben bis ans Ende, was anders wär'
mit uns nicht anznfange»; so ließ er uns stehen.
Ich dachte: a Meier ist ein donnersch schlechter
Kerl, der uns in unserm Jammer noch aus-
huzt, und wir gingen weiter, Hannel, zum Einen,
zum Anderen, zum Dritten, zum Vierte», und
Niemand wollte von dem Webervolke Einen zur
Arbeit. Nu kamen wir zu a Bartlik, das war
der Letzte. Wie uns der nu auch fortschicken
wollte, da dacht' ich, 's Herz müßte mir steh'n
bleiben und ich sagte: Bartlik, helf mir Gott,
ich muß mich halt 'rumsiedeln, wenn Ihr uns
nicht nehmt! und verzählt' ihm, wie sie 's heute
in der Fabrik gespielt. Da sah er Deinen
Vater an und mich, und sagte: Probirt's!
Nu schickte er uns 'nauf in den Wald, da sollten
wir mit den Anderen Holz machen.
„Wir fingen an, 's war schwere Arbeit;
ich ließ mir's aber nicht merken, wie sauer
mir's wurde. Wie nun ein Viertelstündel vor-
bei ist, dreh' ich mich nach Deinem Vater um,
da steht er mit der Axt in der Hand und zittert
am ganzen Leibe, und wie er sie wieder nuf-
heben will, kann er's nicht, 's geht nicht,
Wilm, sagt er, und muß sich auf die Erde
setzen. Wie's die Anderen sahen, schickten sie
ihn fort, und ich arbeitete alleine weiter. —
Aber 's dauert nicht lange, da muß ich aus-
ruh'n, und wie ich dernach wieder losschlage,
daß 's die Anderen nicht merken sollen, wird
mir's grün und schwarz vor den Augen und
die Axt fällt mir aus den Händen und ich
muß mich an'n Baum halten, daß ich nicht nm-
falle. Da wollten sie mich auch fortschicken,
aber ich meint's mit Gemalt zu zwingen, und
ich fange wieder an, und — Hannel, wie ich
drei Schläge gethan habe, lieg' ich aus dem Erd-
boden und weiß von mir selber nichts. Dernach
bin ich fortgegangen, und wie ich 's nu gemerkt
habe, daß das 's Letzte gewesen ist und wie ich
nu an Dich gedacht und an den Schulzen,
habe ich mich hingeworfen und den Kopf vor
die Erde geschlagen und ins Gras gebissen und
's ist über mich gekommen, immer weiter und
immer weiter und ich habe mich dervor ge-
fürcht't und ich habe doch nicht gewußt, was
es ist. Nu weiß ich's, Hannel, — 's war die
Eine Wrbrrsamilie.
Line schlesische Dorfgeschichte.
Es war Sonnabend Abend. Bleich und
angegriffen saß Hanna am Tische, vor sich das
Dellicht, denn der Webstuhl zu ihrer Seite
war leer. Sie hatte ihre Nähterei in den
Schoß sinken lassen und den Kopf in die Hand
gestützt, bei jedem Tritte aber, der von außer-
halb zu hören war, fuhr sie auf und schien ge-
spannt zu horchen, immer aber wieder getäuscht
und mit wachsender Besorgniß in ihre frühere
Stellung zurücksinkend. Auf dem Bette schlief
bereits die kleine Liesel, Heinerle, am Spulrade
auf dem Boden sitzend, hatte den Kops auf das
Aermchen gelegt, verzehrte ein Stückchen Brot
»nd schien mit seinen klugen Augen die Schwester
zu beobachten. „Kommt der Vater und a Wilm
noch nicht?" fragte er nach einer Weile, als
vorübergehende Schritte die Harrende von
Neuem getäuscht hatten.
„Ach, weiß a lieber Gott, wo sie bleiben!"
seufzte Hanna, „der Vater noch gar nicht daheim
gewesen und a Wilm schon seit 'm Mittag weg!"
Da knarrte die Hausthür auf, mit langsamen
Schritten trat Wilhelm in die Stube. Er bot
einen guten Abend und fiel, ohne ein Wort zu
sage», auf den leerstehenden Schemel und schlug
beide Hände vor das Gesicht. Hannas tief-
aufsteigendes „Gottlob!" erstickte im Schrecken.
--Wilm!" rief sie, am ganzen Körper zitternd
und ihre Arbeit glitt vom Schoße zur Erde,
„Wilm, was ist denn g'schehn? Antworte doch,
Jemersch, was hast D' denn!? wo ist denn der
Vater?"
Wilhelm ließ die Hände sinken und sein
todtblasses, gänzlich erschlafftes Gesicht ließ es
ihr eiskalt durchs Herz rieseln, „'s alle!" sagte
er tonlos und lehnte den Kopf mit geschlossenen
Augen an die Wand, „geh' wieder zu Deiner
Herrschaft nach Breslau, Hannel, so lange Du
noch fort kannst, thu' die Kinderle ins Waisen-
haus, wir sind nun bald Alle todt!"
„Aber lieber, guter Will»!" rief das Mädchen,
»ch mühsam von ihrem Sitze erhebend, mit einer
Allgst, die ihr fast die Stimme versagen ließ,
„so red' doch nur, was ist denn g'schehn? red'
doch nur ein Wörtel, ein klein Mörtel! Haben
sw euch denn wieder vom Lohne abgezogen,
suchen sie euch denn keine Arbeit mehr geben?
Wilm", rief sie, und faßte seine beiden eis-
kalten Hände, „Wilm, Jeses, Jeses, willst D'
be»u nicht reden?!" Und Wilhelm drückte ihre
Hände in den seinigen, er richtete den Kopf
uuf und sah ihr lange mit todttrübem Blicke
s" das angstvolle Gesicht. „Setz' Dich hin,
Hannel", sagte er endlich matt, „ich will Dir's
uorzählen." Er stützte den Kopf auf den Arm
Und begann, in das Licht starrend, mit leiser,
elntöniger Stimme:
/-Ich Hab' vorhin oben gelegen im Walde,
werß nicht wie lange und Hab' gedacht, wo nur
der Herrgott sein müßte, und 's ist mir ein-
gefallen, was der Pfarrer verzählt hat, wie ich
stoch ein klein Jungel gewesen bin, und da Hab'
rs nu’ 'rausgekriegt. Wie a Adam mit seiner
, ua gesündigt hat, hat der Herrgott Einen mit
u> feurigen Schwerte geschickt und das ist der
Teufel gewesen. Dem hat er die Herrschaft
Lsgeben und hat sich nicht mehr um die Men-
bekümmert. Und da hat der Teirfel die
Elchen gemacht, weil kein Reicher in den Himmel
01tW' Und er hat 'n allsammt 's Herz aus-
dr.6 doß ste die Armen ädern müssen und
,,ap sie kein Erbarme» haben, bis sie sich in
nrem Elende versündigen oder bis sie sich ein
oids anthun, daß er sie dernach auch hat. Ja,
>o fft's!" Er starrte fort in das trübe Licht,
sein Auge glänzte jetzt fast, wie das eines Irr-
sinnigen.
„Aber, Wilm", rief das Mädchen bebend,
„was hast D' denn im Walde gemacht, warum
bist D' denn nicht hierher gekommen?"
Wilhelm antwortete nicht sogleich, als müsse
er erst über die Frage Nachdenken.
„Kannst Du Heu essen, Hannel?" erwiderte
er dann. Das Mädchen starrte ihn an, es
überlief sie fast ein Grauen vor seiner tonlosen,
verwirrten Rede.
„Nicht? nu sieh!" sagte er und sah, den Kopf
sinken lassend, vor sich hin. „Ich Hab' oben
im Walde gelegen, ach 's ist ein Wunder, daß
ich wieder da bin. Ich will Dir Alles sagen.
„Wir gingen mit unser'r Leinwand, Dein
Vater und ich, 'nunter in die Fabrik. Da stand
nu schon Alles voll und wart'te auf den jungen
Herrn. Die Leute waren Dir gar erbärmlich
anzusehn, Hunger im Gesichte, Hunger in den
dürren Armen und Beinen, Hunger im ganzen
Leibe, ich hatt's noch gar nicht so betracht'!,
wie heute. Und wie Dein Vater d'runter stand
und sich an die Wand lehnen mußte, weil er's
lange Stehen nicht gewöhnt ist, da sah er auch
nicht anders aus und ich wohl auch nicht —!
„Wilm, Jeses, Jeses, willst D' denn nicht reden?"
Da war Einer, der verzählte, daß seine Frau
elendig krank derheime läge und daß er für
seine fünf Kinderl seit drei Tagen kein Brinkel
zu beißen gehabt, und Andere verzählten, und
's war eben so viel Jammer und Elend und
bei Manchem noch mehr, und ich dachte daran,
daß sie Euch aus ’m Hause werfen wollten,
und ich kriegte eine Wuth —! Da kam der
junge Herr mit den Anderen und sie fingen an
mit ihren Gläsern die Leinwand zu beschauen,
und wie der Mann d'ran kam mit den fünf
Kindern, da fanden sie ein klein Fehlerl, machten
den Stempel auf das Stück, daß es nichts taugt
und warfen 's zurück. Da zitterte der Mann
und fiel um, nu hatte er für die derheime noch
immer nichts zu essen. Und Dein Vater neben
mir zitterte auch und ich krallte die Fäuste zu-
sammen. Nu kamen sie zu uns und beschauten
und maßen die Leinwand. Sieh, Hannel, wir
habe» doch Jeder vierzehn Tage d'ran gearbeit't,
und nu gaben sie uns Jedem zwölf Silber-
groschen. Hannel, für vierzehn Tage, von
früh bis in die Nacht, zwölf Silber-
groschen! Und wie ich noch nicht wußte, was
ich machen sollte, und neben mich sah und hinter
mich, da mar noch Keiner mit seinem Gelde
fortgegangen und Viele waren noch blässer ge-
worden, und Viele hatten auch die Hände zu
Fäusten gemacht; und ich stellte mich gerade
vor den jungen Herrn hin und sagte: Lieber
Herr, sollen wir denn mit dem Gelde wieder
vierzehn Tage leben, wir müssen doch halt uns're
Zuthat bezahlen und darnach reicht's ja nicht
halb zum lieben Brote! Hannel, da hat er mich
angesehn und sein Gesicht hat sich verzogen,
daß ich verschrocken gewesen bin.
„Denkt Er wieder was zu erzwingen? hat
er geschrieen, und ihr dahinter wohl auch?
Freßt Heu, wenn's Brot so theuer ist, das
ist billiger! Geduld nur, für vier Quark-
schnitten sollt ihr noch arbeiten müssen,
statt für zwölf Groschen! Hannel, dawar's
als wär'n wir Alle darniedergeschlagen, wir
gingen stille weg und den Alaun mit den fünf
Kindern und der kranken Frau trugen sie weg;
ich dachte aber, ich müßte mich gleich auf die
Erde legen und sterben. Wie ich nu Deinen
Vater sah, der kaum auf den Beinen stehen
konnte, da dacht' ich d'ran, was mir vergangene
Nacht eingefallen war. Rake, sagt' ich und
that einen großen Schwur, kein Schlag wird
mehr gethan, wenn's nicht besser wird! Dein
Vater nickte traurig mit 'm Kopfe, als war'
ihm Alles recht. Rake, sagt' ich, jetzt geht Ihr
hin und eßt und trinkt einen Schnaps, daß Ihr
Kräfte kriegt und ich trage für a Hannel der-
weile mein Geld hin, dernach suchen wir andere
Arbeit.
„Und so machten wir's und gingen zusammen
zu a reichen Meier. Dem sagt' ich nu unser
ganzes Elend, wie wir bei der Weberei alle-
sammt verhungern müßten und bat ihn, uns
andere Arbeit zu geben, wenn sie auch noch
so geringe wär'. Aber a Meier lachte und
sagte, wenn wir Weber wären, müßten wir
auch weben bis ans Ende, was anders wär'
mit uns nicht anznfange»; so ließ er uns stehen.
Ich dachte: a Meier ist ein donnersch schlechter
Kerl, der uns in unserm Jammer noch aus-
huzt, und wir gingen weiter, Hannel, zum Einen,
zum Anderen, zum Dritten, zum Vierte», und
Niemand wollte von dem Webervolke Einen zur
Arbeit. Nu kamen wir zu a Bartlik, das war
der Letzte. Wie uns der nu auch fortschicken
wollte, da dacht' ich, 's Herz müßte mir steh'n
bleiben und ich sagte: Bartlik, helf mir Gott,
ich muß mich halt 'rumsiedeln, wenn Ihr uns
nicht nehmt! und verzählt' ihm, wie sie 's heute
in der Fabrik gespielt. Da sah er Deinen
Vater an und mich, und sagte: Probirt's!
Nu schickte er uns 'nauf in den Wald, da sollten
wir mit den Anderen Holz machen.
„Wir fingen an, 's war schwere Arbeit;
ich ließ mir's aber nicht merken, wie sauer
mir's wurde. Wie nun ein Viertelstündel vor-
bei ist, dreh' ich mich nach Deinem Vater um,
da steht er mit der Axt in der Hand und zittert
am ganzen Leibe, und wie er sie wieder nuf-
heben will, kann er's nicht, 's geht nicht,
Wilm, sagt er, und muß sich auf die Erde
setzen. Wie's die Anderen sahen, schickten sie
ihn fort, und ich arbeitete alleine weiter. —
Aber 's dauert nicht lange, da muß ich aus-
ruh'n, und wie ich dernach wieder losschlage,
daß 's die Anderen nicht merken sollen, wird
mir's grün und schwarz vor den Augen und
die Axt fällt mir aus den Händen und ich
muß mich an'n Baum halten, daß ich nicht nm-
falle. Da wollten sie mich auch fortschicken,
aber ich meint's mit Gemalt zu zwingen, und
ich fange wieder an, und — Hannel, wie ich
drei Schläge gethan habe, lieg' ich aus dem Erd-
boden und weiß von mir selber nichts. Dernach
bin ich fortgegangen, und wie ich 's nu gemerkt
habe, daß das 's Letzte gewesen ist und wie ich
nu an Dich gedacht und an den Schulzen,
habe ich mich hingeworfen und den Kopf vor
die Erde geschlagen und ins Gras gebissen und
's ist über mich gekommen, immer weiter und
immer weiter und ich habe mich dervor ge-
fürcht't und ich habe doch nicht gewußt, was
es ist. Nu weiß ich's, Hannel, — 's war die