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2765 . -

Blihdrahl -Meldungen.

Berlin. Die sozialdemokratische Parteileitung hat dem Minister Posadowsky für
seine wirksame Wahlagitation den rothen Vorwärts-Orden mit dem wahren Jakobsbande
verliehen.

Dresden. Einige hervorragende Führer der Gesellschaft, welche das Stehlen von
Landtags- und Neichstas.swahlrechten berufsmäßig betreibt, sind vor Schreck über die hohen
Stimmenzahlen der sächsischen Sozialdemokratie in Ohnmacht gefallen. Wiederbelebungs-
versuche waren bisher erfolglos.

Gstelbien. Die Agrarier haben, wie die Thomasmehl-Afsaire beweist, endlich eines
^kr „großen Mittel" entdeckt, mit denen sie sich aus der Nolh helfen wollen — es ist dieses
Mittel der Betrug; als weiteres großes Mittel dürfte der Diebstahl folgen und schließlich
wird die Junkerschaft bei der glorreichen Erwerbsquelle ihrer Ahnen, dem Straßenraub,

ankommen.

w,;r- Schnitzel. -k<~-

„Geld riecht nicht", sagen die Agrarier, da bezog der Bund der
Landwirthe seine Einkünfte durch Mogelei beim Düngerhandel.

„Die Sozialdemokratie ist keine Partei wie andere Par-
teien", sagen die Bismarck-Organe, und da haben sie ausnahmsweise
Recht, denn die anderen Parteien belügen das Volk und die Sozial-
demokratie sagt ihm die Wahrheit.

„Volksstimme ist Gottesstimme" — deshalb sollten wenigstens
die Klerikalen nicht gegen das allgemeine Wahlrecht intriguiren.

„Was halten Sie wohl für die größte Leistung des Fürsten
Bismarck?" so wurde einst Graf Herbert Bismarck in einer Gesell-
schaft gefragt. Seine Antivort lautete: „Mich!"

Hobelfpähne.

Die Wogen glätten sich wieder,

Verhallt ist des Donners Ton,

Es schüttelt sein Gefieder
Der Geier der Reaktion.

Er grollet: „Fast ging es ans Leben,

Ja, die Gefahr war schwer —

Ach, hätt' man dem Volke gegeben
Das Wahlrecht nimmermehr!"

Alte Bäume pflegen keine guten Früchte
mehr zu tragen. Diese landivirthschaftliche Er-
fahrung machen die ostelbischen Junker heut-
zutage an ihren Stammbäumen.

Die Pracht der unverhüllten Glieder
Ist Pfaffen und Pfäfflingen zuividcr.

Und wie sie gegen das Nackte eifern,

So gegen die nackte Wahrheit sie geifern.

Das Nackte sei ihnen verhaßt? Wie dumm!

Fragt nur bei Pfarrersköchinnen um.

Sie gönnen es nur Andern nicht,

Wie auch der Wahrheit reines Licht.

Nach den neuesten Forschungen gehören zu den im Aus-
sterben begriffenen Thicren namentlich das agrarische Stimmvieh,
sowie jene Hunde-Art, welche durch nationale Phrasen noch hinterm
Dfcn hervorgelockt werden kann."

Es ist ein großer Optimismus, wenn man glaubt, mit Panzer-
schiffen ließe sich der verfahrene Reichskarren flott machen.

Ihr getreuer

Säge, Schreiner.

Ein „Gokkesurkheil".

Baron von Geiersklau kam in Streit

Mit Graf von Eulenschnabel, wegen einer Maid.

Kamee! titulirte den Baron der Graf,

Den Grasen hieß der Baron ein Schaf.

Das forderte blutige Satisfaktion,

Duelliren mußten sich Graf und Baron.

Der Graf erhielt einen Stich in den Bauch,

Der Baron am Arm ward verwundet auch.

Die Maid den Doktor fragt um die Deutung:
»Wie ist nun des Gottesnrtheils Entscheidung?"

Der sprach: „Entschieden hat der Krakeel:

Der Baron ist ein Schaf, der Graf ein Kameel."

Nus der Schule der Zukunft.

Zeitungsnotiz: In Preußen sollen fortan
k’e Eltern bestraft werden, die ihre Kinder von
°er Sedanfeier fernhalten.

Unteroffizier Knuffki: Ick habe Eich
"eilich erzählt von eenen Kaiser un Keenig, wo
o"i Kriege janz alleene als Friedensfirst jeivonnen
Mt, wo janz alleene bet janze Deitschc Reich
lisrindet hat un wo janz alleene bet sozijahlc
Reformwerk jemacht hat mit alle Schikanen un
ollcns, wat daran bimmelt un bammelt. Wer
war denn bet, Kulickc?

Der kleine Kulicke: Det war Willem der
Erste.

Unteroffizier Knuffki: Paß uff, Du ver-
dammte Aaskräte: wenn Du noch 'n cenzigcs
R>al „Willem der Erste" statt „Willem der Jroße"
sagst, denn tret' ick Dir in'n Bauch, dat Dir die
Pellkartoffeln wie Leuchtkugeln aus'm Hals fliegen!

will Dir patriotische Jeschichte beibringen,
^"der verfluchtes!

Lolvniulpolitifchcs.

A. : Reflektirt Deutschland wirklich auf einen
Anthcil an den Philippinen-Jnseln?

B. : Keineswegs; diese Inseln sind viel zu
fruchtbar und haben zu wenig Sandwüsten.

Sächsische Gemükhlrchkeik.

Schulze: Sie sind für Abschaffung der ge-
heimen Stimmabgabe — Sie wollen also das
allgemeine Wahlrecht antasten?

Bliemchen: Ei nu nee, das grade nich, ich
bin Sie blos so ncigierig, wen nie! Nachbar
wählen duhd.

Nun riste dich mit Sottverdraun
In deinen biddern Schmerze,

Un such de N)ahlen zu verbann.

Du schwergegrangdes Herze!

Das is ä bidderbeeses Ding.

Ü Unglick, gaum zu drageu;
was mer derbei mid Srunbeis ging,
Schenier ich mich zu sagen.

Ich hadde mersch ja glei gedachd,

's ging schlecht mid unsrer Sache,
Denn feixen dahd voll Niederdrachd
Das rohde Sohr der Nache;

Doch daß mid solchen Ungeschdiem
De uffgeregten Massen
Uns unsre Bibis angedriem.

Das gann ich noch nich fassen!

wohin mer ooch verzweifeld guckd
In deiern vaderlande —

Ls ward een uffen Sobb gcschbuckd
von der Verbrecherbande.

Ls wehn de Fahnen dunkelrohd
Uff wegen un uff Schdegen —

Mer mechde glei sich in den Dod
Bei so an Lchauschbiel legen!

was nutzd uns nu de Bohlezei,
was nutzen de Serichde?

Ich färchde, bei der wehlerei
Schdehn se uns nur in Lichde.

Se gosten uns än Batzen Moos
Un fuchdeln mid der Datze,

Doch geht nachher das Wehlen los.
Dann sein se ser de Satze.

Bei so was laffense in Schdich
Mid Weiwern uns un Sindern —

De rohden Wahlen genn se nich
vereideln un verhindern.

Mir is, als heerd ich bleich un schdumm
Des weldgerichds Bosaunen —

Ls drehd sich Ulles um un um
Bei mir in den Saldaunen!

Briefkasten.

(Unverlangte Manuskripte werden nicht zurückgesandt.)

B. K. in 21. Ihr „röthlich schimmernder Gruß" hat
uns viel Vergnügen gemacht. Wir schließen uns Ihrem
Wunsche, „König Stumm möchte sich seinen eigenen Schleif-
stein um den Hals binden und damit hingehen, wo das Wasser
am tiefsten ist", aber nicht an. Wir haben an Stumm ein
großes Interesse und wünschen ihm ein langes Leben, damit
er noch recht häufig die Leser des „Wahren Jacob" belustigen
kann.

H. in D. „Damit fein Wähler sich unterm freien Himmel
blicken lasse, sollte man den „sächsischen freien Himmel kon-
fisziren". Das wäre eine würdige Aufgabe für Herrn Metzsch.

<£. H. und G. v. in B. Der Eine will die Zigarren-
düten zum Aufbewahren der Kanitzbrötchen verwenden, während
bei dem Anderen sie schon so klein sind, daß der Bäckerjunge
sie durchs Schlüsselloch pustet.

3. 2t. in G. „In einer antisemitischen Versammlung
krakehlte ein starkes Dutzend Judenfresser über die Gefährlich-
keit dtr Juden. Plötzlich wurde eine mit Stroh ausgestopste
Puppe in den Saal gebracht, auf einen Stuhl gesetzt und von
ihrem Ueberbringer, einem Sozialdemokraten, wie folgt an-
geredet: „Strohkopp, paß'auf, damit du von deinen Kollegen
was lernst." Der Sozialdemokrat sprach's und verschwand,
die Antisemiten mit dem „Strohkopp" zurücklassend."

Argis. „Die konservative Fraktion hat hier in der Um-
gegend Berlins eine wahre Fluth von schmutzigen Pamphleten
gegen die Sozialdemokratie verbreitet. Sie hat sich aber damit
ins eigene Fleisch geschnitten, denn es steht zu befürchten,
daß in Folge dessen mehrere große Klosetpapierfabriken Pleite
machen." ,

Kl. in £. „Eine Weberfamilie" (abgedruckt in Nr. 310
und 311 unseres Blattes) scheint auch uns als Grundlage zu
dem bekannten Hauptmann'schen Drama gedient zu haben.

Nicht verwendbar: H. A. SdK. 0). in H., O.
in w.. Ph. K. in €., K. in w.. G. w. in B..
21. w. in B.. Fr. in N.. L. in L.

Nachdruck sämmtlicher Artikel rc. verboten.
 
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