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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0012
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-. 2912

Kampfesfreuöigkeit. -sh

Änd wieder schwand ein Jahr von hinnen,
Ein neues bricht sich seine Wahn
Es ruft Min Kampf uns auf die Zinnen!
AL' unser Wirken, unser Zinnen
Gehör' der Arbeit Zache an.

Heraus aus Gr)- und Kohtenschächten,

Aus der Fabriken dunklem Wau,
heraus M Tausenden! nicht ächten
Faßt (Luch, gleich einem Volk von Knechten,
Erscheint )ur großen ööeeresschau!

Auf dem erprobten festen Walle
Vereinigt (Luch als Areiheitshort,
(Lin Wille nur beseele Alle,

And laut )um Parlamente schalle
Des Volkes machtgebietend Wort.

(Ls soll der Deutschen (Lhre wahren
Durch seinen Mrnenden Vrotest,

(Ls soll beschuhen vor Gefahren
Die Wechte, die unwandelbaren,

Der deutschen Freiheit letzten West.

Wenn so in ihren Wruderpflichten
Zieh eint der Proletarier Schaar,

Wird sie der Feinde Werk vernichten,
And hell im Worgengtan), im lichten,
Erscheint ein glücklich neues Jahr.

Inhalt der Unterhaltung«-Beilage.

Moloch. Illustration von Rata Langa. — Steckbrief gegen
Unbekannt. — Die Gegensätze berühren sich. Illustration von
R. Frank. — Rauch. Von Marie Konopnicka. (Jllustrirt.) —
Aus der Zeit. Illustration. — Briefkasten. — Inserat, die
Agrarfrage betreffend.

Als besondere Beilage: Kunde von Nirgendwo. Von
W. Morris. 1. Bogen.

Kn unsere Leser.

Dieser Nummer liegt der erste Bogen des Romans „Kunde
von Nirgendwo" von William Morris bei. Der
Roman wird eingeleilet von Wilhelm Liebknecht, der
auch die Herausgabe besorgt hat. Ein früherer Abdruck in
der „Neuen Zeit" fand in der Partei einen ganz geringen
Leserkreis. Der Roman erhebt aber den Anspruch, von vielen
Tausenden gelesen zu werden, da er für Tausende, für-Mil-
lionen, für die Klasse der Enterbten geschrieben worden ist.
Wir bieten ihn im 1899 er Jahrgang den Lesern des „Wahren
Jacob" dar und zwar in einer reich illustrirten Ausgabe. Die
Fortsetzungen, die zwanglos, aber während des Jahres 1899
erscheinen werden, sind sämmtlich auf besondere Bogen gedruckt,
sie bilden nach Fertigstellung ein Ganzes für sich und können
auch apart geheftet werden.

Drr Zukünftige.

Cs walket Einer mit Geschick
— Sein Schild ist nur von Nickel —
Im Wirrwarr unsrer Politik,

Das ist drr Herr von Miguel.

Der Miguel fest und sicher steht,

Der Miguel fächelt munter,

Wenn'« auch im Zickzack-Kurse geht,
Bald drüber oder drunter.

Wenn die Regierung hat Begehr
Nach neuen Bataillonen,

Der Miguel aus den Steuern schwer
Beschafft die Millionen,

Und herrscht nach Flotten Appetit,
Er wird die Ford'rung decken,

Das allergrößte Defizit
Vermag ihn nicht zu schrecken.

Dem „Umsturz" gegenüber ist
Cr ohne Furcht und Zagen —

Er war ja selbst rin Nihilist
In alten, schönen Tagen.

Als Kanzler Mancher ihn gern sah',
Wär' nicht der rinz'gr Tadel:

Der Herr von Miguel ist, v weh!
Vonwiel zu jungem Adel!

Kr stlMtseGiltende Kßgeordnete.

Soeben beginnt die Reichstagssession wieder
und viele neu gewählte Parlamentsschäflein stehen
bang und zagend da, denn sie wissen noch nicht
recht, wie sie sich auf dem gefährlichen Boden der
Politik zu bewegen haben, um nirgends anzustoßen.

Da dürften folgende zweckmäßige Winke, die
uns ein alter Parlamentskarpfen zur Verfügung
stellt, den Abgeordneten gewiß willkommen sein: >

Bevor mau sich ins Parlament begiebt, wasche
man sorgfältig die Hände, denn es ist ein Haupt-
erforderniß, daß die Volksvertreter reine Hände
haben.

Die Bescheidenheit, welche den Volksvertreter
vor Allem zieren muß, erfordert, daß man den
Sitzungen des Reichstags möglichst fern bleibt; will
man ausnahnisweise doch eine Sitzung besuchen, so
erscheint man eine Stunde nach Beginn derselben.
Hut und Mantel giebt man in der Garderobe
ab; die Hüte sind daselbst zur Feststellung der
Beschlußfähigkeit des hohen Hauses nothwendig;
die Behauptung, daß der Mantel nach dem Winde
zu hängen ist, darf man nur symbolisch auffassm,
es genügt, ihn so zu hängen, daß das schadhafte
Futter nicht sichtbar ist.

Bevor der Abgeordnete sich auf seine parla-
mentarische Thätigkeit einläßt, hat er sich daran
zu erinnern, daß im Reichstag eine Restauration
vorhanden ist, die er zu besuchen hat. Einige
Schnäpse nebst Bier und Braten erzeugen balb
eine kouragirte Stimmung, er ist in kurzer Zeit
ganz Volksvertreter und dürstet nach parlamen-
tarischen Lorbeeren. Mit gewichtigen Schritten
geht er zuni Sitzungssaal, allwo die Haupt- und
Staatsaktionen vor sich gehen.

Beim Betreten des Saales schlängle man sich
unauffällig in die Nähe des Regierungstisches,

um womöglich von einem Staatssekretär einen
Händedruck zu erhaschen; das giebt nicht nur dem
Abgeordneten selbst, sondern auch seiner Partei
ein erhöhtes Ansehen.

Es ist nicht gerade nothwendig, aber immer-
hin angenehm, wenn man sich darüber unter-
richtet, welcher Gegenstand auf der Tagesordnnng
steht; nian kann sogar, da man doch im Saale
nichts Besseres zu thun hat, dem Redner zuhören
und die Pausen, die er macht, durch Zwischenrufe
ausfüllen helfen. Bei einem Redner der eigenen
Partei ruft man „Bravo!" „Hört, hört!" oder
„Sehr gut!", während man den Oppositionsredner
mit „Oho!" oder „Aha!" in die Enge zu treiben
sucht. Wenn Gelächter erschallt, so stimme man
kräftig ein, ohne seinen Nachbar nach der Ursache
zu fragen.

Lautlose Stille und Aufmerksamkeit geziemt
dem staatserhaltenden Abgeordneten, wenn ein
Regierungsvertreter spricht. Sollte derselbe dein
Parlament Grobheiten sagen, so darf man sich
dadurch nicht verletzt fühlen, sondern muß be-
denken, daß ein Volksvertreter unter allen Um-
ständen unverletzlich ist.

Die Parlamentsdiener haben ditz-Angcwohn-
heit, den Abgeordneten allerlei Drucksachen in die
Wohnung zu schleppen. Es kann vor dem Lesen
dieser Drucksachen gar nicht genug gewarnt werden.
Denn erstens wird damit viel kostbare Zeit ver-
säumt, und zweitens schickt es sich nicht, daß ein
Abgeordneter sich eigenmächtig über die Berathungs-
gegenstände informirt. Er hat dies den Fraktions-
führern zu überlassen und abzuwarten, ob ihm
eine Vorlage als annehmbar oder verwerflich
bezeichnet wird.

Eine wichtige Funktion im parlamentarischen
Leben ist das Abstimmen. Die gute Absicht,
immer mit der Regierung stimmen zu wollen,
genügt dazu nicht allein. Man müßte sonst
wenigstens wissen, ivas die Regierung will, und
das weiß sie zuweilen selbst nicht. Auch giebt es
Vorlagen, die man in der zweiten Lesung ablehnt
und erst in der dritten annimmt, oder Anträge,
für welche die Partei zwar eintritt, aber sie doch
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