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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0042
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— 2940

Ein Maskenball für die Armen.

(Siehe unsere Kunstbeilage.)

Herzlos, sagt ihr, sei die Welt, in der man
sich amiisirt, gefühllos gegen die Leiden der Ar-
muth, verständnißlos für das große Zeitprobleni
— o, wie ihr sie verkennt! Seht doch, wie leiden-
schaftlich sie an der Lösung der sozialen Frage
arbeitet, im Schweiße ihres Angesichts buchstäb-
lich, sie tanzt sie aus der Welt hinaus. Wie
sinnreich, diese Verschmelzung von Lustbarkeit und
Güte, von Weltlust und Charitas! Welche an-
genehme Abwechslung in den bunten Reigen der
Saisonvergnügungen bringt dieser Wohlthätigkeits-
sport, der die schal werdende Lüderlichkeit mit
einem Extrakt von Himmelsmanna würzt. Das
Gefühl, für die Enterbten der Gesellschaft! be-
flügelt das Tanzbein mit edlerem Schwung, und
der Sekt, der zum Besten der fuseltrinkenden
Menschheit die Kehle hinabrinnt, hat eine eigen-
artig pikante Blume, wie gewiß auch Jules Simon
empfunden hat, als er beim Bankett der Berliner
Arbeiterschutzkonferenz 1890 auf das Wohl der
Arbeiterklasse sein Kelchglas erhob.

Unsere Kunstbeilage bietet uns diesmal eine
Reproduktion des Gemäldes „Ein Maskenball
für die Armen" von dem französischen Maler
Laubadöre. Das Bild zeigt uns eine bunte Ge-
sellschaft mit scharf ausgeprägten Zügen, wie sie
das Leben heute schafft, aber es zeigt uns auch
noch mehr. Die Kluft, welche zwischen den oberen
Zehntausend und den Enterbten gähnt, wird durch
die Situation am Eingang des Palastes blitzartig
erhellt. Der Künstler hat einen Armen an den
Eingang gesetzt, dessen Aeußeres allen Bckcnnern
des christlichen Glaubens nnr zn bekannt ist, ob-
wohl sie ihn in der Wirklichkeit nie gesehen haben.
Die Gestalt hält auf den Knieen eine Schale für

milde Gaben. Der Arme stört augenscheinlich die
vom „Armenball" Zurückkehrenden, — sie wollen
eben durch die Armuth in ihrer wirklichen Ge-
stalt nicht belästigt werden. Leicht kann es daher
kommen, daß ein Behelmter sich des armen Teufels
annimmt, dessen düsterer Blick deutlich spricht:
„Was Hab' ich mit euch zu schaffen!"

Derr Selirempt. M. d. R.

(Line schwäbische Ballade.)

Derr Fricdrlcb der Dicke wälzt scblummerlos
Sieb Macbts aut seine» Matratzen.

Lr wird das Zucken und ipriekeln nicht los,
Ls hilft ibm auch kein Dratzen.

Tlcb Gott, cs sind nickt irdische Flöh',

Die ibn vexirc» und jucken,

Ahn gualct eine grosse Zdce,

Lr Kat viel höhere Mucken.

Mlokl sass er lange im Dalbmondsaal*,

Dort bracbt' er Sie Feinde ins Mlanken,

Dort hielt er Ikeden ohne Labl
Llnd ohne jeden Gedanken.

Doch wird's ibm zu eng am Mcckarstraud,

Lr kann hier nicht gedeihen;

Dem ganzen deutschen Vaterland
MIM er seine Ilrrätte weiden.

Mack Morden ziebt's ihn zaubergleicb,

Dort siebt er Lorbeeren spriessen;

Dort tür den liratser und das Iketcb
Mlill er sein Fett vergiessen.

Nuskegen möcbt' er den Stall Kerlin,

Den pkubl der Laster und Frevel,

Mlie Sodom will er verderben ibn
Mit seiner 'Illede Scbwekel.

* Würitembergifcher Landtag.

Derr Friedrich scheidet am andern Dag,

Mlie ist ibm kroh zu Mutbe!

Lr reitet davon durch Feld und Daag
Auf seiner ketten Stute.

Lin Ubier so brav, wie keins man sab,
Geschallen kür diesen Illeiter:

Ls ist so kromm wie er beinah
kllnd auch nicht viel gescheiter.

lllnd in den Strassen von Kerlin
Lin Murmeln gebt durch die Menge:

„Mler ist der Deld, der stolz und kühn
Dort sprengt durch das Gedränge 7"

„)cb", ruft er und lallt vom illückcn des Gauls,
„Kin Friedrich der Dicke von Schwaben,
Znbabcr des grössten Scbwsbenmauls
And anderer Gottesgaben.

„Zcb bin der schwäbische Uranitz, wisst,
Agrarier strengster Illegcl!

Kei mir ist jeder Gedanke Mist
Lind jedes MIort ein Flegel.

,,Mun bin ich gekommen euch zu befrei'»

Vom höllischen Gelichter.

Drum seid so gut und sagt mir fein:

Mio sind Kebel und Lugen Illlebter?"

Da sprachen sie staunend: „Ldler Deld,

Du bist ein Schwab, ein ganzer,

Dock rüste dich, eb' du ziehst ins Feld —

Dir fehlt ein Lisenpanzer."

„Mlas Manzcr", rülpste der Scbwabe frech,
„Zcb trage den Danzer innen!
filMt höher» Mlallcn, mit Geistesblecb
MIcrd' ich den Dampf gewinnen."

And als der Deld gesprochen so,

Ast Alles vor Freude gesprungen:

Sic habe» in dulci jubilo
Des Schwaben Lob gesungen.

Derr Dardorll umarmt ibn mit innigem Muss —
Lin Derz und ein Gedanke!

So bat sieb der Luftige Mesenlluss
Vermahlt mit der lieblichen ipankc.

Domino.

Die Ursache des Untergangs der lateinischen Rasse. <P»ck.)

Zur freundlichen Beachtung.

Am 14. März gelangt die schon mehrfach avisirte Bernsteinsche
Streitschrift zur Versendung und zwar unter dem Titel:

Me Zorausschungm des BoZialismus
die Aufgüßen der OoMemMlie. *

von Ld. Bernstein.

Aus dem Inhalt heben wir das Nachstehende hervor:

Lrstes Aapitel. Die grundlegenden Sätze -es marxistischen
Sozialismus.

a) Die Wissenschaftselemente des Marxismus.

d) Die materialistische Geschichtsauffassung und die historische

Nothwendigkeit.

e) Die marxistische Lehre vom Alassenkampf und der Aapitals-

entwicklung.

Zweites Aapitel. Der Marxismus und die Lsegelsche Dialektik,
a) Die Fallstricke der hegelianisch-dialektischen Methode,
d) Marxismus und Blanquismus.

Drittes Aapitel. Die rvirthschaftliche Entwicklung der modernen
Gesellschaft.

a) Ltwas über die Bedeutung der Marxschen Werththeorie.

d) Die Linkommensbewegung in der modernen Gesellschaft.

e) Dir Betriebsklassen in der Produktion und Distribution

des gesellschaftlichen Neichthums.

<1) Die Arisen und die Anpassungsmöglichkeiten der modernen
wirthschaft.

viertes Aapitel. Die Aufgaben und Möglichkeiten der Sozial-
demokratie.

a) Die politischen und ökonomischen Vorbedingungen des

Sozialismus.

b) Die Leistungsfähigkeit der Wrrthfchaftsgenofsenschaften.

c) Demokratie und Sozialismus.

d) Die nächsten Ausgaben der Sozialdemokratie.

Schluß: Endziel und Bewegung.

Der Verlag hat neben der Ausgabe für den Buchhandel eine
billigere Ausgabe für diejenigen Parteigenossen erscheinen lassen,
die sich die Bernsteinsche Streitschrift anschaffen wollen.

Näheres durch die Aolporteure.

Ltwaige Bestellungen bitten wir zwecks Feststellung der Auf-
lag- baldigst aufgeben zu wollen. hochachtungsvoll

Stuttgart, im Februar Z8SS. _ „

3. L). w. Dretz Nachf.

Verantwortlich für die Redaktion Georg Baßler in Stuttgart. — Druck und Verlag von I. H. W. Dietz Nachf. (G. m. b.H.) in Stuttgart.
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