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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0049
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2945

Und der Ziegenbock ward sehr groß!

(Daniel 8,

8.)

Hobelspähnr.

Im jungen Frühlingswehen,

Im lichten Sonnenglanz
Weih' ich den Märzgefall'nen
Den ersten Blüthenkranz.

Ihr starbet für die Freiheit
Und Ruhm ist euer Lohn,

Vor eurem Grabe zittert
Noch heute die Reaktion.

Wer eine Zuchthausstrafe für mild hält,
sollte zur Probe eingcsperrt werden, damit er
sich über den Grad seiner eigenen Menschen-
freundlichkeit klar wird.

Es steht der Berliner Magistrat
Jetzt da wie ein Häuflein von Sündern.

Wer der Macht mit gekrümmtem Rücken naht,
Kriegt leicht einen Tritt in den Hintern.

Die Sachsen rühmen sich, „helle" zu sein. Dann sollten sie aber
auch hellere Bundesrathsbevollmächtigte in den Reichstag schicken.

Wie anders ist's in Frankreich,

Aus Lippe ein Biederer sprach,

Es kann sein Haupt sich wählen,

Hier wüchst's von selber nach.

„Es soll immer auf die unedlen Körpertheile geschossen werden",
sagte Herr v. d. Recke. Das könnte sehr gefährlich werden, da nach der
neuesten Naturgeschichte der preußische Bureaukratenkopf nicht mehr zu
den edlen Körpertheilen zu rechnen ist.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

für die Junker plagten und von ihnen dafür ge-
schuhriegelt und schlecht gehalten wurden. Der
böse Luzifer hatte die sechstausend Jahre gut be-
nützt und alle göttlichen Einrichtungen für die
Bauern zu Gunsten seiner Kreaturen, der Junker,
gründlich u ingekrempelt. Aus einem Eden war
ein Zuchthalls geworden.

„Da schlag' aber Einer lang hin!" ivettcrte
der Alte und schlug mit der Faust auf den Tisch,
daß ein grausiges Ungewitter entstand. „Michael,
die Sache muß anders werden!"

„Liber wie anpacken?"

„Mir gleich; Du hast für diesen Fall Prokura,
mach', was Du willst, aber schaffe mir die Junker
fort."

Es dauerte gar nicht lange, so zeigten sich in
den Junkergegenden die Sozialdemokraten, erst
einige, dann mehrere, uild endlich traten sie in
großer Zahl auf; sie fielen über die Junker her
und bald waren sie — wie es in der alten
Chronik heißt — von der Erde vertilgt und die
Bauern wurden wieder in ihr altes Recht ein-
gesetzt. Proteus.

Sächsisches.

Die Rädefreiheed im Reichsdag,
tzerrchehfes, is das eene Aod,

Die duhd gee Schdaadsanwald holen.
Und gee Lchandarm machd se dod.

Dord muß mer sich sagen lassen
— V, welches Aergerniß! —

Daß noch im deidschen Reiche
Rich Alles sächsisch is.

Ach, wäre der Reichsdag in Sachsen,

Da wär' die Äod zu Lnd',

Als eene verbod'ne Versammlung
Lrklärten mer's Aarlamend.

Raritätensammler.

Sonderbare Käuze haben, wie die Zeitungen
berichten, eine Suche veranstaltet nach sozial-
dcinokratischen Redakteuren, die noch nicht
bestraft sind. Obste denselben gütigst zu Strafen
verhelfen wollen oder für sie einen Tugendbund-
orden bereit halten, ist leider nicht bekannt geworden.

Wir empfehlen den Raritätensammlcrn einst-
weilen:

eine Stiche nach nationalliberalen Redakteuren,
die nietnals gegen ihre Ueberzeugung geschrieben
haben;

nach konservativen Redakteuren, die nie denun-
zirt haben;

nach antisemitischen Redakteuren, die niemals
Geld von Juden annehmen würden;

nach freisinnigen Redakteriren, die niemals zu
Gunsten einer Militärvorlage Umfallen;

nach ultramontanen Redakteuren, die den
Sozialdemokraten gegenüber die christliche Liebe
predigen. _

Dankbarkeit.

In Berlin erhielt ein Parkarbeiter, welcher
sich stets durch „gute Führung, Treue, Fleiß und
Bescheidenheit auszeichnete und trotz seiner achtzig
Lebensjahre noch immer arbeitet", ein Geschenk
von fünfzig Mark.

Der betreffende Arbeiter hat mit thränen-
erstickter Stimme gebeten, für den Fall, daß er
noch einmal auf die Welt kommen sollte, wieder
in städtische Dienste eintreten zu dürfen.

Kleine Mcinungsdifferen;.

Oeffentlichkeit — Organisation —
Geheimhaltung, diese drei Dinge weiß der
Bourgeois, wie der Arbeitsmann gleich hoch zu
schätzen. Nur wendet sie der Erstcre verkehrt
an: er wünscht die Oeffentlichkeit — der Wahlen,
die Geheimhaltung — der Gerichtsverhandlungen,
und die Organisation — der Arbeitgeber .. .!

Unsere Zukunft.

Unsere Zukunft liegt auf dem Lande,

Nicht auf dem trügerisch schwankenden Meer;
Unsere Zukunft liegt in deni Bande
Treuer Genossen, dem Arbeiterheer!

Liegt auf den Händen, liegt in den Herzen,
Derer, die nimmer genug sich thun, —

Und dieser Boden ist golden und erzen:
Darauf mag sicher und selig sie ruh'n!

Wie's noch kommen wird.

Passant: „Sagen Sie mir, weshalb grüßen
die Leute den alten Mann da so ehrerbietig?"

„Erlauben Sie mir — der hat zwanzig Jahre
Zuchthaus hinter sich ...!"

Nutzanwendung.

Ein ehrsamer Bürger äußerte einmal in einer
Gesellschaft, da man ihn fragte, wovor er sich
am meisten fürchte: „Ich habe eine entsetzliche
Angst vor dem Lebendig-begraben-werden."
Es stimmten ihm auch alle darin bei, daß es das
schauerlichste Schicksal auf der Welt wäre, wenn
ein Scheintodter im Sarge aufwacht und den
Deckel geschlossen findet...

Kurze Zeit darauf war derselbe Mann mit
noch einigen jener Gesellschaft im Geschworenen-
kollegium und alle halfen mit, daß ein paar
Arbeiter wegen einer Schlägerei auf Jahre ins
Zuchthaus gesperrt wurden...

Schnitzel.

Gerichtliche Urtheile soll nian nicht kritisiren,
besonders dann nicht, wenn sie unter aller Kritik
sind. *

Der Abrüstungsgedanke ist aller Welt sym-
pathisch. Mit derselben Einstimmigkeit wird aber
die Verwirklichung von der Hand gewiesen.

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