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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0064
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— 2960

(Kanz famos Hab' ich gegessen, —
Auch den Mein nicht zu vergessen!
Und so schreit' ich über Land,

Die Zigarre in der Hand,

Und in Wahrheit muß ich sagen,
Mich erfüllt verdammt Behagen.
Ist's der grünen Meide Duft,

Jst's die sonnigblaue Luft?

Zst's der brennende lSlimmstengel?
Ja, die Welt ist sonder Mängel!
Kümmert mich die Aoth, der Ltreit?
Mich die Ungerechtigkeit?

Bin mit meinem Lein zufrieden,

Kühle mich sehr wohl hienieden!

Hol' der Teufel alle tristen,
Unzufried'nen Lozialisten! b.


„Ja, das ist etwas anderes! . .

Eine Geschichte aus unseren Tagen.

Bon Albert Siidrkum.

Auf dem Kasernenhof war es wirklich recht
ungemüthlich. Die Zeit der Kompagnievor-
stellung rückte näher und näher, und um so
bedenklicher wurde die Nervosität des Haupt-
manns. Er stand vor der Beförderung, und
wußte, daß eine schlechte Vorstellung seine Lauf-
bahn an der gefürchteten Majorsecke zum uner-
wünschten Abschluß bringen konnte. Deshalb
setzte er Dienst um Dienst an: aus den Knochen
der Leute sollte alles herausgeholt werden, was
nur immer darin steckte. In Korporalschaften
auseinandergezogen übten die Mannschaften
unter dem Kommando der Unteroffiziere Griffe.
Gellend klangen die lauten Rufe über den weiten
Hof: „Daas Gewehr ... über!" ... „Aaachtung
... präsentirt daas .. . Gewehr!" . . . „Daas
Gewehr . . . übber!" . . . Geweeehr . . . ab!"

Mechanisch erledigten die Leute die vorgeschrie-
benen Bewegungen; die Finger waren steif ge-
worden in der feuchtkalten Frühlingsluft, bei
jedem Griff schmerzte die mißhandelte Schulter —
aber was half's, es wurde eben weiter geschuftet.

Der Hauptmann durchwanderte die Schaaren
seiner Krieger, »eben ihm der bärbeißig drein-
schauende Feldwebel, in seinem dicken Notiz-
buch diensteifrig die Sünder anmerkend, denen
der Hauptmann zu ihrer Vervollkommnung im
königlichen Dienste später noch besondere Ge-
legenheit zu geben gedachte.

In der äußersten Ecke des Kasernenhofs
„bimste" Sergeant Fricke, der „schneidigste"
Unteroffizier der Kompagnie, wie er sich gern
nennen hörte, seine Kolonne. O, der Herr
Sergeant verstand sich auf den Dienst! Eine

Stunde unter seinem Kommando war so gut
wie drei bei einem anderen Vorgesetzten. Er
hatte so seine eigene Methode, immer einen ein-
zelnen aus seinen Leuten herauszuziehen, an
dem er dann seinen Diensteifer ausließ. Heute
hatte er sich den Rekruten Elsewein besonders
aufs Korn genommen. Nichts konnte ihm der
j Mann recht machen, obschon er offenbar den
besten Willen hatte: jetzt stand er nicht gerade,
jetzt sollte er mit den Augen gezwinkert haben,
dann war wieder ein Griff zu schlecht oder eine
Kniebeuge nicht tief genug. . . Nun ja, Else-
wein war gerade kein Licht auf militärischem
Gebiete. Als armer Leute Kind war er früh
ins Joch der Arbeit gespannt worden; während
seine glücklicheren Altersgenossen noch im Schooße
ihrer Familien ein friedliches Leben führen
konnten, schleppte er schon, dem kein glückliches
| Heim eine sorgenlose Jugend gewähren konnte,
den schweren Mörtelkasten auf den Bauten.
Harte Arbeit all' die Jahre daher hatten seinen
Rücken schon gekrümmt und den Gliedern die
Geschmeidigkeit geraubt. Aber eines auch hatte
das schwere Ringen um des Lebens Noth-
wendigstes ihm gegeben: einen festen Sinn und
das stolze Selbstbewußtsein des Mannes, der
seinen bescheidenen Platz in der Welt nach besten
Kräften ansfüllt. Er war nicht gedankenlos
freudig zum Militär gegangen, wie so viele
andere, aber doch entschlossen, auch dort seine
Pflicht redlich zu thun. Um so mehr erbitterten
ihn die häufig unberechtigten Tadel seines Vor-
gesetzten. Wenn der Sergeant Fricke so freund-
lich-höhnisch ihm seinen ehrlichen Namen um-
kehrte und ihn als „Weine-Else" dem Gespött
der Kameraden preisgab, dann krampfte sich
ihm manchmal das Herz in ohnmächtigem Zorne
zusammen. Heute war der Sergeant besonders
unangenehm, und als er ihm schließlich mit
aller Kraft seiner übermäßig ausgebildeten
Lungen zurief: „Weine-Else, Du ver-
dammter Sakramenter, wenn Du jetzt
keinebess er enGriffe mach st, dann schlage
ich Dir alle Rippen imLeibe entzwei!" —
da beschloß der Gequälte der Sache ein Ende
zu machen. Am anderen Tage zeigte er auf
dem vorgeschriebenen Dienstweg den Sergeanten
Fricke wegen Beleidigung an.

Für den Herrn Reservelieutenant Kuhlkramm,
der nach bestandenem Assessorexamen gerade eine
Reserveübung in der Konipagnie machte und
dabei eigentlich nichts anderes zu thun hatte,
als auf dem Kasernenhof anderen Leuten im
Wege zu stehen, bildete es eine angenehme Unter-
brechung des „Dienstes", daß er eines Tages
mit als Richter zum Standgericht über den
Sergeanten Fricke kommandirt wurde. Mit
der ganzen Umständlichkeit eines verzopften,
halb mittelalterlichen Verfahrens mußte die
Sache in feierlicher Sitzung behandelt werden.
Die kommandirtenOffiziere, angethan mit Helm,
Waffenrock und Schärpe, und die Unteroffiziere in
Ordonnanzuniform meldeten sich zur bestimmten
Stunde bei dem präsidirenden Hauptmann zur
Stelle. Die Sitzung wurde eröffnet und der
untersuchungsführende Offizier trug den Fall
vor. Zeugen brauchten nicht vernommen zu
werden, da der Angeklagte die Aeußerungen,
die ihm zur Last gelegt wurden, nicht bestritt.
Aber, so fügte er zu seiner Entschuldigung hinzu,
er habe die Worte nicht als Drohung ausge-
sprochen; ärgerlich über das „schlappe Exerziren"
des Rekruten Elsewein, habe er lediglich mit
einem kernigen Soldatenfluch sich Luft verschaffen
wollen; so böse, wie die Worte lauteten, habe
er sie nicht gemeint.

Ein verständnißvolles Lächeln auf dem Ge-
sichte des Vorsitzenden begleitete diese Worte.
Dann stellte der Untersuchungsführende seinen
Antrag auf Bestrafung; aber es war mehr eine
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