Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0069
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2965

Blitzdraht-Meldungen.

Berlin. Der Reichstag hat zu seiner Rettung aus dringender Auflösungsgefahr
zahlreiche Glückwünsche erhalten. Der heilige Paasche hielt einen Dankgottesdienst ab. An
Lukanus wurde ein Begnadigungsgesuch für den Kriegsminister eingereicht, mit der Bitte,
man solle ihn für das glücklich abgewandte Unglück nicht büßen lassen.

Hamburg. Ein gemaßregelter braunschweigischer Postschaffner hat in Hamburg gegen-
über der Oberpostdirektion einen Bierhandel etablirt. Der Gemaßregelte wird vom General
Podbielski belagert. Das Ende des Kampfes ist nicht abzusehen.

Schleswig. Die Köller'sche Polizei hielt einen Eisenbahnzug an, um nach Landes-- !
verräthern zu fahnden. Die Maßregel war von großem Erfolg gekrönt, denn unter den !
Passagieren entdeckte man fünf Damen und einen Herrn, welche dänische Handschuhe
trugen, und deshalb natürlich sofort landesverwiesen wurden.

Monte Carlo. Das Fürstenthum Monaco verlangt einen chinesischen Hafen,
um daselbst eine Spielhölle zu errichten.

St. Petersburg. Ein Redakteur wurde wegen Schmähung von Staatseinrichtllngen i
verurtheilt. Er hatte behauptet, daß in Sibirien sächsische Zustände herrschten.

Samoa. König Mataafa beabsichtigt, alle Blätter, die Ungünstiges über ihn ge-
äußert haben, wegen Majestätsbeleidigung zu verfolgen. Die Verhandlungen finden
nach Maßgabe des ambulanten Preß-Gerichtsstandes auf Samoa statt.

Ostafrika. Die Schwarzen sind in hellster Aufregung. Sie glauben, daß die vielen
Telegraphenstangen, diss für die Linie vom Kap der guten Hoffnung bis nach Alexandrien
aufgerichtet werden, dazu dienen sollen, um Eingeborene daran aufzuhängen.

Krieger und Kriecher.

Iller einstmals einen Kubfuss trug,
Und wer in der Kaserne
Die Knöpfe täglich blank geputzt,
Der nennt sich „Krieger“ gerne.

Tßit JTndern, die den Kubfuss auch
Cinst pflichtgetreu getragen,
pflegt er sodann im „Kriegerverein“
ßar würdevoll zu tagen.

Und Jeder wird dem braven wann
Die stille Sreude gönnen,
man wird ihn „Krieger“ allenfalls,
Und niemals „Kriecher“ nennen.

Doch wenn Gesinnungsriecberei
Die „Krieger“ inszeniren,
lüenn einen Kameraden sie
JUs „Staatsfeind“ denunziren,

UJenn sie als tapfre Helden ziebn
mit Tabuen durch die Lassen,

Und doch als Stimmvieh der Reaktion
Sich feig benützen lassen,

Dann — ob im Reichstag Klinckowströtn
Ob solcher Schmach auch greine —
Dann sind sie eben Kriecher nur,
Uersammelt im Kriechervereine.

-«vS' Hobelspätznr. 'snar

Gerettet ist das Vaterland,

Gesichert sind die Grenzen,

Denn es gelang, den Heeresstand
'mal wieder zu ergänzen.

Ob innerhalb der Grenzen auch
Viel Noth und Willkür Hausen —

Was kümmert's uns, es thnt nicht weh,
Sind wir geschützt nach Außen!

Mit den Filipinos kommt man nicht recht
ins Klare. Die Spanier hielten sie für amerika-
freundlich, und den Amerikanern kommt ihr
Widerstand spanisch vor.

Beißt dir ein Hund jetzt in die Waden,

So murre nicht.

Man schützt sich so vor schlimmem Schaden,

Wenn Recke spricht.

Der Zentrums-Abgeordnete Lieber soll verschwunden sein; man
glaubt, er sei aus Eitelkeit — zerflossen.

Seit Themis mit den Mächtigen stark kokettirt,

Ist Ruf und Ansehn ihr fast gänzlich ramponirt.

Ist der Sitzungssaal des Reichstags einmal stark gefüllt, so werden
die Taschen der Steuerzahler in der Regel gründlich geleert.

Ihr getreuer Säge, Schreiner.

Ueberkrumpft.

Unter dieser Ueberschrift bringen die „Bomben
und Granaten des Wahren Jacob für 1899"
einige Beispiele von Hundeklugheit, nach denen
ein Zweifel am höheren Verstand des Hundes
einfach ausgeschlossen erscheinen muß und deren
Kcnntniß selbst dem seligen Darwin gänzlich über-
raschend gewesen sein würde.

Gelegentlich eines Besuchs überreichte ich das
Heft der „Bomben und Granaten" dem alten
Privatförster K. in S. bei Jerichow, der anfangs
schüchtern, dann aber mit hohem Interesse darin
las, und zwar keineswegs nur die Huudegeschichten.
Daß er die letzteren jedoch bei der nächsten Zu-
sammenkunft im G.'schen Gasthof zu Jerichow
seinen Kollegen zum Besten gab, ist ebenso selbst-
verständlich, als daß er einen tiefen Eindruck
damit hervorrief.

Der alte Oberförster Flausenberg saß eine
Weile in tiefen Gedanken, stopfte sich eine neue
Pfeife und meinte:

„Gewiß ist die Intelligenz des Hnndes eine
außergewöhnliche, aber daß mein Dackel mir neu-
lich bewies, wie ein Hund sich auch durch die
Blumensprache verständlich zu machen weiß, ist
schließlich auch nicht ohne. Sitze ich da unter

l der großen Eiche am Gamsterberge. Meine Alte
hatte mir eine hübsche Kollektion Jauerscher mit-
gegeben und ich frühstückte mit bedeutendem
Appetit. Mein Dackel sitzt neben mir. Ich nehme
einen Schluck aus der Flasche und sage: „Na,
Dackel, möchtest auch wohl eine Wurst?" Und j
was meinen Sie wohl, meine Herren, was der
Hund thnt? Er lacht mich förmlich an, rennt j
dann auf die nahe Wiese und kommt bald mit j
einer Blume im Maule zurück, um sie mir zu
präsentiren. Ich betrachte nur diese genauer und,
Gott straf' mich, da wurde mir die Sache klar!
Mit der Blume wollte er mir die Antwort auf
meine Frage geben, ob er eine Wurst möchte.
Die Blume war nämlich eine „Je länger je
lieber"!

Der Förster Reimer war schon lange unruhig
ans seinem Stuhle hin- und hergerutscht. Nach
einem kräftigen Zug aus feinem Bierglas räusperte
er sich und sagte: „Die Klugheit der Hunde ist
nur wenigen auserwählten Menschen bekannt.
Auch ich kenne einen merkwürdigen Fall. Es
handelt sich um ein Seitenstück zu dem Erlebniß
meines Kollegen Flausenberg. Sie kennen ja
meinen Bello. Wenn der vor einem Gegenstand
stehen bleibt, es mag sein, welcher es will, so hat
er Grund dazu, man muß eben nur der Sache
auch auf den Grund gehen. Als ich neulich im
Walde nach Wust zu gehe, begegnet mir ein alter
Jude mit einem Sack über der Schulter. Mein
Bello bleibt stramm vor ihm stehen und schnuppert
ihn an. Halt, denke ich, da ist etwas nicht in
Ordnung, der Kerl hat wahrscheinlich einen Hasen
gefunden, der bei der letzten Jagd angeschossen
worden ist. Der Jude protestirt ans Leibeskräften,
jedoch es nützt nichts, er muß sein Bündel öffnen,
aber es war nichts Verbotenes drin. Mein Bello
bleibt immer noch stramm stehen. Ich untersuche
die Taschen des Juden, ohne das Geringste zu
finden. Schließlich werde ich wirklich wüthcnd,
denn eine Blamage Bellos wäre mir schrecklich
gewesen. Ich sehe des Juden Papiere durch,
und da — wurde mir die Sache klar, und Bello
hatte sein Renommö gerettet, der Mann hieß
nämlich Hirsch!" w.

Probates Mittel.

Hinz: Was soll ich anfangen — meine böse
Frau tobt und keift den ganzen Tag!

Kunz: Schick' sie nach Haag zur Äb-
rüstungs-Konfcrcnz.

*

Zum Verbot des Schnurrbarttragens
bei der Marine.

Er führt durch tausend Schrecken
Wohl die „Bulgarin",

Mit Heldeninuth dein Tode
Er oft ins Auge sah.

Doch trägt er einen Schnurrbart
Der tapfre Kap'tän Schmidt,

Das ist nicht mehr modern jetzt,

Theilt ihm sein Rheder mit.

„Mi'n Snurrbort is modern nich?"
Meint Schmidt, der Kapitän.

„Bi uns Oart Lüd' is't anners,

Wi hebbt Hoor ok np de Tühn!"

V

Einst und Jetzt.

Dem asiatischen Eroberer Timur gab, als
er einst im Bade saß, ein Gelehrter auf dessen
Frage, für wie hoch er ihn wohl schätze, zur Ant-
wort:

„Auf siebzig Goldstücke."

„So viel ist ja meine Badeschürze allein werth!"
erwiderte Timur erstaunt.

„Die meinte ich auch!" sagte der Gelehrte
ruhig. „Denn sonst ist nichts Werthvolles an Dir."

Timur lachte über diese Freiheit der Gesin-
nung. ■-

Wie viele Jahre müßte der Gelehrte aber ab-
sitzen, wenn er diese Antwort nicht einem Bar-
baren der Vergangenheit, sondern einem
zivilisirten Fürsten der Gegenwart ge-
geben hätte?

Nachdruck sämmtlicher Artikel 2c. verboten.
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen