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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung: Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0112
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3009 - -

Das moderne Hans.

Das Haus der modernen Gesellschaft hat ein
Loch in: Dache. Stromweise, wenn es regnet,
rinnt das Wasser der Unzufriedenheit durch dieses
Loch des Klassenegoismus herein. Es ist ein
kapitalistisches, ein feudales, ein konventionelles
Loch — wie man eben will! Jedenfalls ist es
ein privilegirtes.

Die da oben unter dem Dache hausen, Arme
und Elende, die haben es schlimm. Tausend Vor-
schläge haben sie, abertausend Ideen bereit, das
verhängnißvolle Loch zu stopfen — aber wer fragt
nach ihnen? In Feuchtigkeit und Moder kommen
sie um.

Die eine Etage tiefer wohnen, sogenannte
ordentliche Leute, unter den Hausbewohnern die
Mittleren in jedem Sinne, spüren die Wirkung
des hereindringenden Regenwassers in der Regel
nur tropfenweise, aber doch an allen Ecken und
Enden. Ihnen hilft man, indem man bemüht ist
oder bemüht scheint, dem Uebel zu steuern! Hier
wird ein Wohlthätigkeitseimer mit kirchlichein
Henkel — versteht sich! — und obrigkeitlichem
Blechboden unter die rinnende Stelle gethan, dort
ein derber Humanitätspfropfen mit dem Hammer
des hochwohlweisen Staatssozialismus in eine
tröpfelnde Oeffnung geschlagen. Ueber alle Ge-
brechen des Hauses aber streicht man unter sal-
bungsvollen Reden und frommen Geberden den
wenig haltbaren aber honigsüßen Firniß christ-
licher Nächstenliebe.

Die das einfädeln und ausführen, wohnen
abermals ein Stockwerk tiefer, im trockenen Hoch-
parterre. Das sind die Besten und Edelsten.
Hinter den dicken Mauern der Macht sitzen sie,
wohlbcdient von den Mittleren und denen unterin
Dach, breitbeinig in den bequemen Fauteuils alt-
hergebrachter Beoorrechtung und blicken durch
die gothischen Fenster einer schwungvoll skrupel-
losen Gesellschaftsauffassung in die duftigen Gärten
des Wohllebens hinaus.

Sind das wunderliche Leute, diese Hoch-
parterrler! Sie kennen sehr wohl das Loch der
Unzufriedenheit im Dache des Hauses. O, gewiß!
Sie kennen auch die Mittel, es zu beseitigen: ein
paar Ziegel der Vernunft und der Gerechtigkeit,
etwas Kalk des guten Willens — und die Arbeit
wäre schnell gethan. „Aber nein!" denken sie tm
Geheimen. „Vernunft und Gerechtigkeit? Die
können wir nicht gebrauchen. Wer die Vernunft
und die Gerechtigkeit einsetzt, der untergräbt unsere
Hochparterres. Und guter Wille? Du lieber
Gott! Der ist weder in unserm Blute noch in
unserer Erziehung. Möge das Regenwasser rin-
nen! Uns berührt es nicht. Und in den Stock-
werken, wo es rinnt und träufelt, nun, da be-
thätigen wir uns eben als fühlende Menschen.
Wir brauchen die Barmherzigkeit. Ja wohl,
wir brauchen sie — denn sie macht uns populär
und die Andern abhängig, und darum brauchen
wir eben auch das Elend — das Elend natürlich
in anderer Leute Stockwerk. Lassen wir also das
Haus wie es ist! Löffelweise schöpfen wir aus,
was hercinrinnt — das genügt. Aber nur nicht
bauen — nur nicht bauen! Dabei finden wir
nicht unsere Rechnung." z.

Der Herr Staatsanwalt.

Vögel flattern über Blüthen,

Und in jedem dunklen Haine

Gründen sie Gesangsvereine:

Könnt' ich sie doch mal verbieten ...!

Und der Lenz mit seinen Schnurren

Treibt in Wäldern, Feldern, Gassen

Groben Unfug ausgelassen:

Könnt' ich ihn doch mal verknurren!

-evG' Ritter Dagobert. DvD-

Line Ballade.

Wo der Lheinstrom fließt, der grüne,
Skrhk ein Thurm, exheuumrankt,

Dort ist Dagobert der Kühne
Ms Gespenst hrrumgewankt.

Kopf im Arm trat an mein Lager
Cr allnächtlich bleich und hager.

Abends war ich immer trunken,

Wein ist goldner Zeitvertreib,

And in süßem Traum versunken
Küßt' ich Axhrodita heiß, —

Plötzlich hvckt der grimnir Recke,
Kops im Arm auf meiner Decke.

Und ich fluchte, doch o Grausen!

Dago höhnte: „Hi, hi, hi,

's ist mein Recht, im Thurm ;u hausen,
Denn hier starb ich, und ;war wir!
Ritter Kuno schlug gan; munter
Mir den Rvps im Rausch herunter!"

Mit dem Geiste ;u verhandeln
Ließ ich endlich mich herab:

„Mußt du ewig nächtlich wandeln?
Steigst du nie mehr in drin Grab?"
,„Siht der Kopf aus seinem Flecke,
Dann schläft Dagobert der Recke.'"

Als er wieder;u mir schlürfte
Nächtlich und bei Mondenschrin,

Fragt' ich, ob ich's wagen dürfte,

Zu kredenzen goldnrn Wein!

Gräßlich grinste da im Arme
Dagos Kopf, daß Gott erbarme!

„Komm"', rief ich, „wir wollen zechen,
Sri kein Frosch, hüpf' aus dem Sumpf,
Barchus wird dir Sorgen brechen,

Doch den Kopf setz' auf den Rumpf."
„Toxx", schrie er, „ich will nicht fackeln,
Doch ich fürchte, er wird wackeln."

Froh nun füllten wir die Humpen
Mit dem goldnrn Traubrnblut.

Dago brüllte: „Hoch das Lumpen,
Ouieifchvrrgniigi wird mir zu Muth!"
Kvpfgrwackrt war zwar greulich,

Doch bald ließ es nach erfreulich.

Und wir tranken und wir fangen,

Edlen Wein» vom Rheine voll,

Und wir hielten uns umfangen,
Dagobert war ratzetoll.

Und sein Kopf — bei meiner Ehre,

Saß bald fest wir 'n Fels am Meere.

Wo der Rhrinstrom fließt, der grüne,
Steht rin Thurm sagrnumweht,

Dort nahm Dagobert der Kühne
Abschied, als der Hahn gekräht.

In sein Grab stieg nun der Recke,

Saß nie mehr aus meiner Decke.

M. Morgan.
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