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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0115
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3012 . -

-L- Der neue deutsche Geist im Luchthcmsgefttz. -Z-

die letzte Weisheit unsrer Staatenleulrer
Hat endlich sich gewagt an^ Licht deK LageK,

A la konheur, Hut av vor diesem Geist!

Gin Wechselbalg ist der Homunkulus,

Den man erzeugt in gläserner Gekörte
Mud den mit einem Geste von Grrütheu
Man nun den Leitgenoffen präsentirt.

Wie sah die Grde gleiche Miszgeburt!

Wo noch ein Funke von Gerechtigkeit
Erhalten sich im innersten Gemüth,

Wird stürmisch sich und laut der Mus erheben.

Der Guf de^ Lorn^: „Fort mit dem Wechselüalg!"
Mnd mit dem Häuflein, da^ iuA Feuer geht
Für diese Schöpfung unsrer Wureaukraten,

Wird herzlich wenig Staat zu machen sein.

Ge. wird, was noch auf Anstand Anspruch macht.
Sich ängstlich hüten, dieser Ehrenmänner
Gewand nur mit dem Aermel zu berühren
Mnd ihnen sorgsam aus. dem Wege gehn,

Mud nur die völlig Abgebrühten, die
Längst jede Scham verlernt im LageDienst
Als Mameluken ihrer Auftraggeber,

Eutschlieszeu sich vielleicht, mit „wenn" und „aber"
Herumzutänzeln um die Miszgeburt.

Dem Volk der Arbeit, dem der Faustschlag gilt.
Dem man sein höchstes Gut entreiszen will.

Die eiuz'ge Waffe in dem Vtampf ums Brot,

Hat diese neue glänzende Bekundung

DcF Geistes in den obern Gegionen

Nur da^ bestätigt, waß eF längst schon wuszte.

In hunderttausend Hüpfen wird es tagen.

Und wenn ihr wieder von der Absicht sprecht.

Für die Enterbten väterlich zu sorgen.

Wird jedeF Wort, erstickt von Hohn und Spott,
Spurlos und ungehürt vorüüergehn.

Wer Drachenzähne sät, wird litrieger ernten,

Mnd wenn ihr besser eure Leit verstündet.

So käme euch vielleicht ein Grauen an
Vor dem Erfolg des schnöden Attentats
Aus unsres Arbeitsvolkes schmales Gecht.

Wer Sieger bleibt in diesem harten Mampf,

Nicht schwer zu rathen ist'F: ihr seid es nicht!

Inhalt der Unlerhaltungs-Beilage.

Samuel Kokosky. Von A. B. (Mit Porträt.) — Der badisch-
pfälzische Feldzug. Von Franz Mehring. — Theile und herrsche.
(Illustration von Rata Langa.) — Die Pickelhaube auf Samoa
in amerikanischer Auffassung. (Illustration aus „Judge“,
New York.)

Außerdem liegt dieser Nummer bei: Kunde von
Nirgendwo. 7. Bogen.

Nur Seife!

-In dir Ballen floh ich greife,

Tausche fromm, o Publikum!

Denn ich singe dir der Brise
Neues Evangelium.

Kranke Menschheil, eil', der besten
Heilmrlhode dich zu weihn —

Gegen leiden und Gebresten
Hilsl die Brise nur allein.

Wenn in deinen Lungenflügeln
Hansel das Tuberkelvieh,

Beinen Ärbermuth kann zügeln
Nur die Brifen-Thrrapir.

Trag' zur Waschfrau deine Lunge,

Wähl' dir schärfste Brise aus,

Und sie wäscht mit kräsl'gem Schwünge
Das Tuberkelxack hinaus.

stivickl dich boshaft in den Beinen
Rheumatismus oder Gichl,

Möchlrst du vor Schmerzen weinen —
Brüderlein, verzage nicht.

Bad' in Brise deine Glieder,

In den weihen Schaum dich schwing',
Bald dann wirst du lanzen wieder,

Wie die Frau von Vischering.

Wenn der Mangel dich entkräslel,

Wenn des Daseins Nolh und Äual
Deinem FlnIIih aufgeheflel
Frühen Biechthums Leidensmal —

Höre auf der Volkslribunrn
Rufe nach Erlösung nicht,

Wasche dir des Elends Runen
Nur mit Brise vom Gesicht.

Oder wenn du wirst den Größen
König Mamnwns zugezähll,

Wenn zuweilen dich des bösen
Hochmuihs Vrrrscherdünkrl guäll —
Neig' der Beife deine Blirne,
Wurzelbürstrn hall' brreil,

Wasch' und bürste, bis im Birne
Du von Raupen bist befreit.

Beife, Beife ist das Wahre,

Brise, Beife nur allein,

Ihre Heilkraft offenbare
Herrlich sich bei Groß und Klein.
Wider Schäden und Beschwerden
Beife, Beife nehml zu Ralh,

Daß wir doch rin Volk noch werden,
Welches sich gewaschen hak. m. k.

„Was lange währt, wird gut", sagt man
immer, aber die Zuchthausvorlage, welche wahrlich
lauge genug im Bauche des Bundcsraths gährte,
ehe sie das Licht einer beschlußunfähigen Reichs-
tagssession erblickte — sie ist gar nicht gut ge-
worden.

Man hatte diesmal wirklich etwas Schneidiges
erwartet; die Scharfmacher Stumm und Konsorten
hatten ja mit dieser Vorlage genug renommirt
und sich angestellt, als ob sie den ganzen sozialen
Unfrieden unserer Zeit ins Zuchthaus sperren
wollten. Und nun bringt man so ein ödes, nichts-
sagendes Gesetzentwürfchen, das weltunkundige
Geheiinrathstöchtercheu beim Nachmittagskaffee
zwischen dem zweiten und dritten Stückchen Kuchen
zusammengestochert zu haben scheinen.

Was machen sich die dummen Mädel für
einen Begriff von den sozialen Kämpfen unserer
Zeit!

Sie bilden sich ein, man könne nur durch
„körperlichenZwang", „Drohung", „Ehrverletzung"
oder „Verrufserklärung" eine Arbeitseinstellung
herbeiführen und fördern. Es ist bekannt, daß
beinahe sämnitliche Streiks durch Zahlung unzu-
reichender Löhne, übermäßige Arbeitszeit, drako-
nische Fabrikordnungen und ähnliche Dinge herbei-
geführt oder gefördert werden. Uin den Zweck
des Gesetzes zu erreichen, müßten folglich Leute,
die Hungerlöhne zahlen, durch brutale Fabrik-
ordnungen Unfrieden erregen oder sonstige schäd-
liche Einrichtungen aufrecht erhalten, mit Gefängniß
bis zu einein Jahre bestraft werden.

Aber davon wissen unsere Geheimrathstöchter
nichts, sie haben vielleicht noch nie das Innere
einer Fabrik gesehen, sondern machen sich auf
Grund ihrer Romanlektüre die Vorstellung, in
der Fabrik Hausen wilde Rädelsführer, welche die
Arbeiter durch Zwicken mit glühenden Zangen
zum Streiken zwingen. Daher wohl die wieder-
holte Betonung des „körperlichen Zwanges".

Wer es sich „zum Geschäft macht", Streik-
forderungen zu vertreten, soll besonders streng
bestraft werden, meinen die Geheimrathstöchter.
Was mögen die sich wohl unter solchen Forde-
rungen vorstellen? Sic meinen gewiß, die Strei-
kenden verlangen das Niedcrbrenncn von Wäl-
dern, Umwerfen von Kirchthürnien n. s. w., dein,
wenn sie wüßten, daß es sich in der Hauptsache
immer nur darum handelt, darbenden Arbeiter-
kindern ausreichend Brot zu schaffen, so könnten
sie in der Vertretung dieser Forderung keine be-
sonders schwere Strafbarkeit erblicken.

Auch das Streikpostenstehen finden die Geheiin-
rathstöchter bedenklich. Die guten Mädel wissen
nicht, daß es etwas viel Schlimineres giebt, näm-
lich das Führen schwarzer Listen seitens der Fabri-
kanten, durch welches Arbeiter, die treu die Sache
ihrer Kameraden geführt haben, mit ihren un-
schuldigen Frauen und Kindern dein Hunger über-
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