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Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 16.1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.8255#0123
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—- 3020

-L- We Mtronen bt$ Grafen von VosadoinMn.

H)e!ssgeltebte Volksvertretung,
Merkstatt der Gesetzesknetung,
Döre bei der Laute Iklang
Meinen jammervollen Sang.

Scbrccklicbes bat sieb begeben,
Gegen Gut und Menschenleben
Viele Antbat ward vollbracht
Durch der bösen Streiker Macbt.

Ikain schlug mit seinem Sabel
Todt den eignen Kruder Abel,

Meil er streiken bat gesollt,

And er bat cs nicht gewollt.

Diesen Ikain zu bestraten,

Gab es keinen Paragraphen,

Alle Mübe nutzte niscbt,

Ikain ist nocb nicht erwischt.

Ket dem Streike in Acgvpten,

Den die Anden einst verübten,

Mar der Terrorismus gross
And die Frechheit grenzenlos.

Dädelstübrer Moses brachte
Lines Morgens um halb achte
Seiner Streiker wildes Deer
Trocken durch das rotbe Meer.

Die verfolgenden Gerichte
Maren nicht so wasserdichte»

Ihre Scbaar vor Düsse trott
And die Staatsgewalt ersott.

Ikönig Saul einst tapfer zechte.

Als Mein-David sich erfrechte,

And ein Lied vom Streiken sang —
Seinen Speer der Ikönig schwang.

Aber weil der Saul bcsolfen,

Murdc David nicht getroffen:

So verfehlt die Straf' ibr Liel
Ammer» wenn ein Sfretk lm Spiel.

Auch beim Streik in Damburgs Daten
Ikonnl' man Manchen nicht bestrafen,
Meil er, welche Kosbeit, ach!

Deine Strattbat je verbrach.

Diese schlimmen Arbeitsmänner
Mieden als Gesetzeskenner
Alles, was man braucht als Grund,
Dass man sie verknurren kunnt'.

Auch beim Streik im Ikubrgebiete,
Mo cs roch nach Dvnamtte,
j Ikam kein Attentat zu Stand —

Ls ist wabrlicb eine Scband'.

Dennoch sicherlich vermutb' ich,

Dass verbrechen gross und blutig,
Täglich bet den Streiks gescbeb'n,
Anentdeckt und ungeseb'n.

Schaudernd kann icb mich entsinnen»
Dass die Ikatkeeleserinnen
Streikten einst in Altona,

Mo Lntsetzlicbes geschah.

Lrnstltcb kam des Landes Frieden
An Gekabr beim Ikatkeesieden
And cs ward in Altona
Line ikebellion — beinah'.

An dein IKrctse von Manzleben
Dat nocb Scblimmres sich begeben:
Seiner Schwiegermutter Dobn
Kot der eigne Schwiegersohn.

And in Diel, in Deutschlands Dorden,
Terror übten robe Dorden,

Als ein biedrer Ikupterscbmied
Die Genossen ängstlich mied.

Dört, man bat dem braven Manne
Schnell stibitzt die Ikakleekanne,

Wog sie krumm, und dann — o Graus:
Goss man ihm den Ikatkee aus!

Grausamkeit verübten weiter
Auch in Schmölln die Iknopfarbeiter
Als zum Tanz sich stellte ein
Dort ein zartes Mägdelein.

Dieses Mägdlein, arbeitswillig.

Mied den Streik, wie recht und billig.
Darum, als sie stand im Saal,
Streikten ihre Tänzer all'!

! Auch in Spandau fand man Spuren
| Anbotmässiger Daturen —

Dort an einer Abtrittwand
Lin verdächtig Sprüchlein stand.

Anbcstrakt blieb diese Sünde,

Ls schlug kehl-mit Schmerz icb's Künde
Den Verfasser von dem Spruch
Lu ermitteln am Geruch.

Lincr, der mit Flaschenbiere
Dandeltc im Wcrgreviere,

Dat aus purer Langewctl'

Linen Streik entflammt in Ltl'.

And ein Andrer, ein Dausirer,

Tbat desgleichen, und als Führer
Stellt' er an die Spitze sich.

And er hauste fürchterlich.

Aber Weide wahrten schändlich
Das Gesetz und selbstverständlich
Konnte darum das Gericht
Abre Tbat bestrafen nicht.

Also trieben's Schuster, Schneider
Drucker, Schreiner und so weiter.
Streiken will jetzt jeder Micbt,

Doch 's Gesetz verletzt er nicht.

Ls ist wabrlicb ein Gebrechen
Der Gesetze, dass sie sprechen
Schuldig immer nur den Mann,
Melcher Anrecht bat getban.

Schlimm ist, wer nach Wösem trachtet.
Doch wer die Gesetze achtet,

Der ist ein viel scblecbtrer Micbt,
Denn man kann ihn strafen nicht.

Diesen Aebelstand zu beben,

Merde ein Gesetz gegeben,

Das da packt mit grosser List,

Mer nicht arbeitswillig ist.

Deicbstag, solche vorlag' bring' icb!
Dtmm sic an, dein Lob dann sing' icb!
Andernfalls — wie fürchterlich! —
Dolet der Lukanus mich.

Inhalt der Unterhaltung»-Beilage.

Das Ungeheuer mit dem doppelten Gesicht. (Illustration.)
— Chauvinismus und Patriotismus. Eine Vorlesung von
Tarub. — Die Tanne. Eine moderne Fabel. (Jllustrirt.) —
Moderner Todtentanz in 9 Bildern. Von H. G. ^entzsch. —
Schleswig-Holstein. Von Franz Mehring. — Ernte. Gedicht
von II. II. (Jllustrirt.) — Scharfe Beobachtung. — An den
Michel. — Das Geschenk. — Die Kanalvorlage im preußischen
Abgeordnetenhaus.

Blihdraht -Meldungen.

Berlin. Hier werden gegenwärtig massenhaft Hunde
gestohlen, um zu Knobländern verarbeitet zu werden. Der
Hund, auf den die Sozialreform gekommen ist, wird leider
immer noch nicht vermißt.

— Berlin soll einen zweiten Namen erhalten und zwar
„Neunhundertneunundneunzigkirchen". In wenig Jahren dürsten
die Kirchen und Synagogen diese Zahl erreicht haben.

— Da inan einmal beim Namenerfinden ist, so hat man
gleichfalls vorgeschlagen, den Karolinen den Namen Abtritts-
inseln zu geben.

Dresden. Da es in Sachsen verboten ist, das Kind
beim richtigen Namen zu nennen, so heißt dort das Zucht-
hausgesetz „Streikbruchbaudage".

posemuckel. Bei dem hiesigen Schloßbrande verunglückte
ein Feuerwehrmann, indem er einen Beinbruch erlitt. Der
Fürst sandte dem wackeren Manne seine allerhöchste Photo-
graphie.

Der Segen des neuen Kurses.

Line Legende.

Durch die Abendstille des friedlichen Städt-
chens N. im gesegneten Sachsenlande wunderte
ein sonderbarer Heiliger. Seine Gestalt war
gedrückt von der Last unzähliger Jahre, seine
Haut war faltig und runzlig wie Leder, das
lange in der Sonne gelegen, Haare und Bart
hatte er, zwar nicht vor dem Ergrauen, doch vor
dem Weißwerden, wirksam dadurch geschützt, daß
er sie offenbar stets allen Winden und Wettern
preisgegeben hatte. Sein Mantel schien „schier
dreißig Jahrhunderte" alt. Thatsächlich war der
Mann der älteste Distanzgeher der Erde, wenn
er auch diesen Sport nicht zu seinem Vergnügen
betrieb. Es war nämlich Ahasver, der ewige
Jude, in Person. Seit jenen: Tage, da er den
kreuztragenden Heiland von der Bank gestoßen,
befand er sich ununterbrochen auf der Tour. Er
wanderte also zu Fuße, auf einen höchstbetagten
Zedernstecken gestützt, ruhelos weiter, durch fast
siebzig Menschenalter, ohne den Trost, je die Augen

schließen zu dürfen. Sogar die Hoffnungen, die
er auf den fröhlich aufblühenden Antisemitismus
gesetzt, waren zu Schanden geworden. Niemand
wollte ihn zu Tode dreschen.

Saß da in seinem Gärtchen an der Straße
ein ehrsamer Schankwirth und mühte sich damit
ab, einem Stiefel einen Flecken beizubringen.
Zweimal, dreimal brach ihn: der Pfrieinen, wo-
rauf er, ärgerlich fluchend, die Geschichte weg-
warf. Neugierig trat der Ewige Jude hinzu.
Schuhflicken, das interessirte ihn. War er doch
selber in grauer Vorzeit Inhaber einer gut gehen-
den Schusterei gewesen, bis er plötzlich, „ein-
getretener Verhältnisse halber",. einen gänzlichen
Ausverkauf zu staunend billigen Preisen veran-
stalten und seine berühmte Wanderschaft antrcten
mußte.

Mit seinen gichtkuotigen Fingern nmsterte er
an dem Stiefel herum, nahm einen Pfriemen aus
der Tasche, den er anno 22 nach Christi Geburt
von einen: römischen Soldaten erhandelt hatte,
und fing an, zu bohren. „Ich werde alt...",
seufzte er, als es vor seinen Augen flinuuertc und
ihm die Hände zitterten. Für einen Moment
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